Freytags-Frage

Warum sehen wir positive Entwicklungen in der Welt kaum?

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Die Fakten zur Kenntnis nehmen

Drittens gruseln uns natürlich schlechte Nachrichten mehr als positive Meldungen. Eine Attacke eines Hais auf einen deutschen Urlauber wirkt wie ein Angriff auf uns selbst, während die Nachricht, dass Millionen deutscher Urlauber sicher im Ausland ankommen, dort ungehindert im Meer schwimmen, schnorcheln oder tauchen und anschließend wieder sicher abfliegen oder abfahren, uns nicht interessiert.

Das ist aber nur ein Teil der Logik. Es gibt auch eine ökonomische Rationalität hinter der Vernachlässigung oder gar Unterschlagung guter Nachrichten.

Schlechte Nachrichten sind auch gut fürs Geschäft – vor allem für das Geschäft der populistischen Angstmacher der Linken und Rechten sowie für diejenigen, die sich berufen fühlen, sich um das Elend anderer zu kümmern. Namentlich sind dies in Deutschland die Sozialbürokratie und Entwicklungspolitiker.

In der Praxis sieht es dann so aus: Obwohl die wenigsten Menschen in Deutschland jemals mit arabischen Flüchtlingen zu tun hatten und die meisten Flüchtlinge viel tun, um sich zu integrieren, kann man vermutlich viele Deutsche ängstigen mit gezielten Falschinformationen über Kriminalstatistiken und zusätzlichen Ausgaben für den Sozialstaat, die dann den Deutschen nicht zur Verfügung stünden. Dies ist die Masche der sogenannten Alternative für Deutschland. Ihre Alternative zur Asylpolitik ist recht einfach: Man schlägt vor, die Grenzen zu schließen oder Ausländer auszuweisen. Realistische Kosten- und Nutzenerwägungen bleiben außen vor. Hauptsache, die Wahlergebnisse stimmen.

Eine ähnliche Strategie wählen viele der in der Entwicklungspolitik tätigen Akteure. Für sie macht es durchaus Sinn, Afrika immer noch als den Krisenkontinent hinzustellen und erstens die positiven Entwicklungen in den meisten afrikanischen Ländern auszublenden oder gar zu verleugnen und zweitens falsche Narrative über die Ursachen von weiterhin bestehender Armut zu erzählen. Die negativen Wirkungen europäischer Landwirtschafts- und Handelspolitik auf afrikanische Bauern und die Rolle der Entwicklungshilfe bei der Verfestigung der Machtkonstellationen und Korruption in afrikanischen Länder wird nicht thematisiert. Abgesehen davon, dass sich die Entwicklungspolitik damit selber ein Armutszeugnis ausstellt, bewirkt sie so viel weniger als bei realistischer Einschätzung der Lage.

Gerade in postfaktischen Zeiten sollten diejenigen, die an der Verbesserung der Welt interessiert sind (ich gestehe das gerne allen Entwicklungs- und Sozialpolitikern zu), die Fakten zur Kenntnis nehmen und mit ihnen operieren. Nur so kann man die politische Debatte versachlichen und letztlich wieder zum Erfolg rationaler Positionen an den Wahlurnen beitragen. Wer sich – wenn auch nur in Einzelfragen – auf das Niveau der Populisten herabbegibt, wird von ihnen langfristig nicht unterscheidbar sein.

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