Freytags-Frage

Wer regiert die Welt?

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Ein Ideengeber

Zweitens – und dies ist sicherlich ebenso wichtig – ist das WEF ein Ideengeber. Es finanziert etwa 80 Kommissionen mit (nebenamtlichen) Experten, die regelmäßig zu einzelnen Fragen (zum Beispiel Außenhandel, Entwicklung, Urbanisierung) zusammenarbeiten und zum Teil sehr lesenswerte Beiträge zu aktuellen Themen verfassen. Das kann man zu Recht als meinungsbildend bezeichnen. Hier bietet das WEF den zweiten Pluspunkt, den man von der realen Bedeutung her durchaus noch über den ersten setzen kann.

Die spektakulärsten WEF-Gäste 2015

Daran knüpft sich der dritte Pluspunkt an. Diese Ergebnisse der Arbeit in den Kommissionen fließen in die Agenda der Davoser Treffen ein. Auf der Website finden sich die aus Sicht des WEFs zehn wichtigsten Themen der Gegenwart und die damit verbundene Agenda des diesjährigen Treffens. Das WEF kann so Debatten stimulieren.

Diese Themen auf der Agenda 2015 sind allerdings so allgemein, dass sie beinahe wieder beliebig wirken. Beispielhaft seien, Ungleichverteilung, Arbeitslosigkeit, mangelnde Führungsqualitäten, der Klimawandel und Schwächung der Demokratie genannt. Diese Probleme bewegen nahezu jeden, und sie tun dies schon seit Jahrzehnten, mal mehr, mal weniger.

Insofern ist die Wirksamkeit des WEF begrenzt: Es hat keine Macht, und seine Themen sind die Themen der Zeit ohne ein spezifisch eigenes Profil. Hier könnte durchaus eine Zuspitzung erfolgen, damit das konzept in der Zukunft weiterhin attraktiv leibt.

Eine französische Reformoffensive?

Die Frage, wer die Welt regiert, beziehungsweise wo die Entscheidungen gefällt werden kann, bleibt offen. Angesichts der Komplexität der globalen Beziehungen verbietet sich wohl ein naiver Optimismus dergestalt, dass man nur die mächtigsten, klügsten und schönsten Menschen gemeinsam in ein Kongresszentrum oder auf eine Skipiste einladen muss, um die Probleme der Welt zu lösen; das war aber auch nie die Sicht der Veranstalter.

Gleichzeitig kann allen Kritikern und Protestlern in Davos gesagt werden, dass dieser Befund auch irgendwelchen Verschwörungstheorien über die Ausbeutung der Welt durch einige wenige – zum Beispiel die Büttel des globalen Kapitals – die Grundlage nimmt.

Politische Entscheidungen sind fast immer Kompromisse, die weder reinen Lehrbuchlösungen folgen noch auf simplen Verschwörungen beruhen. Interessen spielen immer eine Rolle, aber keineswegs immer dieselben. Die politische Dynamik darf nicht unterschätzt werden; das gibt selbst für Frankreich noch ein wenig Hoffnung. Vielleicht wird ja in Davos in diesem Jahr eine französische Reformoffensive vorbereitet!

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