Freytags-Frage

Kann sich der G7-Gipfel zu Großem aufschwingen?

Seite 2/2

G7 sollte Doha-Runde der Welthandelsorganisation zu Ende bringen


Bleiben noch die unterschiedlichen Konfliktherde – zwischen Japan und China, zwischen der EU und der Türkei oder zwischen der Ukraine und Russland –, die aufzeigen, dass die Bereitschaft, nationalistische Politik zu betreiben, weltweit gestiegen ist. Was dafür die Ursache ist, kann nur vermutet werden.

Eine gute Annäherung könnte darin bestehen, dass Regierungen ihre innenpolitischen Schwierigkeiten (Wachstumsschwäche, Konflikte mit Minderheiten, Ölpreisverfall) mithilfe einer außenpolitischen Offensive kaschieren wollen. In der Vergangenheit sind solche Strategien recht erfolgreich gewesen, vor allem dann, wenn die Adressaten der außenpolitischen Aggressionen ähnlich aggressiv reagiert haben.

G7-Staaten beginnen Beratungen im japanischen Ise-Shima

Genau an dieser Stelle kann die G7 mit einer umfassenden und glaubwürdigen Strategie sicherlich ein Zeichen setzen. Eine solche Strategie sollte einen kräftigen Mix aus militärischen Maßnahmen gegen die IS-Terroristen, Unbeugsamkeit in der Sache gegenüber der Türkei, Russland und China bei gleichzeitigem Angebot zur Kooperation sowie entwicklungsfreundlicher Wirtschafts- und Handelspolitik enthalten. Konkret könnte dies Folgendes bedeuten:

  • Es wird beschlossen, eine Konferenz aller am Konflikt in Syrien Beteiligter einzuberufen, auf der eine Strategie zur finalen Zerschlagung der IS beschlossen wird. Explizit werden die Türkei, Russland und China eingeladen. Unabhängig von anderen Fragen wird die Zusammenarbeit aller zivilisierten Nationen eingefordert.
  • Es wird deutlich herausgearbeitet, dass die G7-Mitglieder ihre Interessen gegenüber Aggressionen aus anderen Ländern zu verteidigen bereit sind; dass zum Beispiel eine Lösung der Flüchtlingskrise ohne die Türkei selbstverständlich denkbar ist. Es sollte zum Beispiel auch deutlich werden, dass die japanischen Territorien unantastbar sind.
  • Gleichzeitig wird der Türkei, Russland und China ein glaubwürdiges Angebot unterbreitet: Aufhebung der Sanktionen gegen Russland bei Rückzug aus der Ostukraine, Visafreiheit für die Türkei bei Einhaltung der von der EU-Kommission gesetzten Bedingungen, und Garantie eines marktwirtschaftlichen Status für China gegen Aufgabe territorialer Ansprüche
  • Schließlich wird eine Initiative angekündigt, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) innerhalb eines Jahres zu beendigen. Startpunkt ist die schrittweise Öffnung der Agrarmärkte der G7-Staaten, nicht nur aber vor allem für die Entwicklungsländer. Die Verhandlungen zur regionalen Integration werden solange bewusst auf Eis gelegt, das neue Mega-Regional ist die WTO.

Utopie? Naivität? Träumerei? Von allem etwas! Es wäre auf jeden Fall ein aufsehenerregendes Ergebnis. Es wäre auch ein tolles Ende der amerikanischen Präsidentschaft und ein lebendiges Zeichen dafür, dass die westliche Wertegemeinschaft sich nicht auf Bilanzen beschränkt.

Es ist zwar wirklich nicht zu erwarten, dass das Abschlussstatement des G7-Gipfels diese Elemente enthält. Dennoch liegt es nahe, dass mur mit einem wirklich bahnbrechenden Angebot von Seiten der reichsten Länder die schlechte internationale Stimmung verbessert werden kann. Je eher sie damit beginnen, etwas weiter vorauszudenken, desto besser.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%