Freytags-Frage

Wie können wir den Trumpismus überstehen?

Seite 3/3

Keine wirtschaftshistorische Träumerei

- Nicht zu vergessen ist die Wirtschaftspolitik; sie trägt einen Großteil der Schuld.

  • Auch die Bundesregierung nutzt jede Gelegenheit, externe Akteure, zum Beispiel chinesische Unternehmen für Absatzprobleme heimischer Unternehmen verantwortlich zu machen. Irgendwelche Strafzölle werden die deutschen Stahlunternehmen dauerhaft nicht wettbewerbsfähiger bei Massenstahl machen. Das ist wie das Geschimpfe nur Populismus. Die wirtschaftlichen Wirkungen sind eher negativ.
  • Gleiches gilt für diejenigen selbsternannten Handelsexperten in der Politik, zum Beispiel im EU-Parlament, die wortgewaltig auf TTIP oder das europäische-kanadische Abkommen (CETA) schimpfen. Sie heizen die Stimmung gegen Marktwirtschaft und Außenhandel an und können selbst dann kaum zurück zu einer rationalen Kritik finden, wenn sie mit ihrer Kritik auf eine positive Resonanz bei der Kommission oder bei den Mitgliedsländern stoßen, wie in beiden Fällen geschehen.
  • Zudem ist es anreizinkompatible Steuerpolitik (zu hohe Grenzsteuern, zu geringe Bemessungsgrundlage; zu hohe Unternehmenssteuern), die Investitionen verhindert und für Kapitalexport sorgt.
  • Gleichzeitig wird öffentliches Geld verschwendet (siehe Flughafen Berlin als ein kleines Beispiel), das dann für andere Zwecke, vor allem für öffentliche Investitionen fehlt.
  • Auch sorgen die unklaren Zuständigkeiten in Europa und die als Mantra vorgetragenen Adressen zur Bedeutung der Europäischen Integration für eine große Verdrossenheit – die Diskussion um die und die fehlende Lösung der Flüchtlingskrise sowie der Eurokrise sorgen für Verdruss.
Wie Donald Trump durch die Wirtschaft fegt
  • Einen wirklichen Beitrag zum Abbau der Mittelschicht bei gleichzeitiger großzügiger Unterstützung des reichsten Perzentils in Europa leistet die EZB. Mit ihrer keineswegs problemadäquaten Niedrigzinspolitik und Geldmengenexpansion enteignet sie Sparer, zerstört sie erfolgreiche Banken und pampert sie Investmentbanken. Das hilft zwar nicht Donald Trump, aber trägt dazu bei, dass viele Menschen das Vertrauen in Demokratie und Marktwirtschaft verlieren.

Vor diesem Hintergrund ist die Agenda der Liberalen klar – gemeint sind Menschen mit liberaler Einstellung, keine Parteien. Die Argumente für eine offene Gesellschaft müssen evidenzbasiert, aber mit dem Verständnis für ihre Kosten, also mit Empathie vorgetragen werden. Verlierer des Freihandels müssen auf jeden Fall bessere Unterstützung erfahren. Sozial- und Bildungspolitik sind in diesem Zusammenhang keine teuren Hindernisse für den Wohlstand, sondern Teile eines für die offene Gesellschaft konstitutiven Vertrages.

Aber auch die Kritiker der Globalisierung sind gefordert. Ihre Argumente müssen wieder sachlicher werden. Denn über Details des Außenhandels (z.B. Ausnahmen der Marktöffnung) kann und muss man streiten. Die Form entscheidet hier. Kritisiert man sachlich, können die Menschen der Diskussion etwas abgewinnen. Gehen die Kritiker mit Gebrüll vor, sind die Menschen verunsichert. Gewinner sind nur die radikalen Postfaktiker wie Trump oder die AfD, aber auf keinen Fall die vom Strukturwandel negativ Betroffenen.
Wenn der Wahlausgang in den USA eine klare Botschaft hatte, dann doch diese: Die offene Gesellschaft kann nur prosperieren, wenn „Wohlstand für alle“ keine wirtschaftshistorische Träumerei ist.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%