Die chinesische Regierung hat am vergangenen Wochenende mit großem Aufwand und sorgfältig choreografiert den G20 Gipfel, also das Treffen der Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländern beherbergt. Die Ergebnisse des Gipfels sind allerdings nicht so beeindruckend, wie es die chinesische Regierung gerne gesehen hätte. Sie wurden und werden kaum beachtet.
Denn die Weltwirtschaft ist ins Stocken geraten. Führenden Länder sind nicht bereit ihre Märkte zu öffnen und die Wirtschaftspolitik, dort wo nötig, mit Reformen wettbewerbsfähiger auszugestalten. Allenthalben beherrschen Sorgen vor „zu viel Globalisierung“, was immer das meint, „zu starken Flüchtlingsströmen“ und ähnlichem die öffentlichen Diskussionen und die politischen Auseinandersetzungen.
Die Rentenversprechen - Was die Parteien vorhaben
CSU-Chef Horst Seehofer hatte die jüngste Rentendebatte angestoßen mit der Äußerung, dass die Riester-Rente gescheitert sei und die Kürzung des Rentenniveaus die Hälfte der Bevölkerung in die Sozialhilfe führen würde. Doch ist das nicht Unionslinie. Der Unionsmittelstand fordert sogar eine Stärkung der Riester-Rente. Nach allem, was man hört, könnte die Union im Wahlkampf für ein behutsames Nachsteuern beim Rentenniveau eintreten. Das Verhältnis von Einkommen zur Rente soll wohl doch nicht auf 43 Prozent sinken können, so wie derzeit bis 2030 erlaubt. Die Union will wohl auch die Eigenvorsorge stärken. Diskutiert wird, den Bürgern ein Einheitsprodukt anzubieten.
SPD-Chef Sigmar Gabriel will verhindern, dass die Renten sich zu stark vom Einkommen abkoppeln. Menschen mit kleinem Lohn dürften im Alter nicht reihenweise auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Wert der Rente spiegelt sich für Gabriel auch der Wert der Arbeit. Doch die Reformagenda 2010, die auch die Rente bezahlbar halten sollte, dürfte die SPD nicht komplett zurückdrehen. Die öffentlich geförderte private Zusatzvorsorge abschaffen will die SPD auch nicht. Man will sich aber mehr um das Wohl älterer Arbeitnehmer kümmern.
Um Renten armutsfest zu gestalten, soll nach dem Willen der Partei das Rentenniveau von heute 48 Prozent wieder auf das Niveau vor den Rentenreformen der vergangenen Jahre steigen - auf 53 Prozent. Niemand dürfe nach 40 Beitragsjahren mit einer Rente über Grundsicherung abgespeist werden.
Auch die Grünen wollen, dass die Rente vor Altersarmut schützt. Sie sprechen von einem Rentenniveau von nicht unter 46 Prozent. Geringe Rentenanwartschaften sollen mit einer steuerfinanzierten Garantierente aufgewertet werden. Die rund 2,3 Millionen Selbstständigen ohne obligatorische Alterssicherung sollen verpflichtend in der Rentenversicherung aufgenommen werden.
Die Liberalen wollen flexiblere Renteneintritte möglich machen und Hinzuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug aufheben. Sie treten dafür ein, bei der Grundsicherung im Alter einen Freibetrag für Einkommen aus privater und betrieblicher Altersvorsorge nicht anzurechnen. FDP-Chef Christian Lindner schlug die Zusammenlegung der Grundsicherung im Alter mit der Rente vor.
AfD-Parteichef Jörg Meuthen hatte eine Rente nach Schweizer Modell vorgeschlagen - dort gibt es drei Säulen: die gesetzliche Rentenversicherung, eine kapitalgedeckte Arbeitnehmerversicherung und geförderte Anlagen in private Rentenversicherungen.
Immerhin gibt es eine sehr gute Nachricht aus dem Reich der Mitte. Anlässlich des Gipfels haben China und die Vereinigten Staaten (USA) das Klimaprotokoll vom Pariser Abkommen aus dem November 2015 ratifiziert. Damit ist man einem effektiven Klimaschutz einen gewaltigen Schritt näher gekommen.
Ansonsten ging es auf dem Gipfel um Terror und die Flüchtlingskrise sowie um wirtschaftliche Fragen, allen voran wie immer um Wachstumsimpulse durch die Wirtschaftspolitik, zum Beispiel die Fiskalpolitik, um Offenheit des Außenhandels und um Ungleichheit, die der Wahrnehmung nach weiterhin steigt. In Deutschland ist dieser Prozess allerdings laut einer Studie aus dem Institut der deutschen Wirtschaft (iw) zum Stilstand gekommen zumindest mit Blick auf die Einkommen. Für die Vermögensverteilung gilt dies nicht. Dennoch hat sich die wirtschaftspolitische Debatte von Allokationsfragen zu Verteilungsfragen verschoben.
Die Verschärfung der ungleichen Vermögensverteilung allerdings ist die Folge der Medizin, die die Regierungschefs der meisten Länder für die im Augenblick gebotene halten: Weitere Verschuldung und Finanzierung dieser Schulden durch die Notenpresse. Nur so, so das Argument, können die Länder aus der Krise wachsen. Das billige Geld belohnt allerdings nur diejenigen, die schon ein hohes Vermögen haben und Risikodiversifizierung betreiben (und damit höheres Risiko eingehen) können. Menschen mit wenig Vermögen werden eher geschädigt – oder gar enteignet. Insofern sorgen die Notenbanken auf der ganzen Welt mit ihrer expansiven Geldpolitik für Vermögensumverteilungen von unten nach oben. Ihr Ziel der Wachstumssteigerung haben die Notenbanken nicht erreicht. Das Beispiel Japan zeigt dies eindrucksvoll, wo bereits eine Generation lang diese Politik erfolglos betrieben wird.
„Wir hier drinnen gegen die da draußen“
Dennoch wird allenthalben eine Aufgabe der sogenannten Austeritätspolitik in der Europäischen Währungsunion gefordert; dabei gilt eine permanente Neuverschuldung vier bis fünf Prozent des BIP als Austerität. Zu Investitionszwecken soll die Schuldenquote weiter steigen; die Bundesregierung sieht sich international offenbar zunehmend isoliert. Dennoch liegt sie richtig. Mehr Schulden sind vor allem ein Ersatz für gute Wirtschaftspolitik und dringend benötigte Reformen, z.B. der Arbeitsmarktregulierung, der Dienstleistungsregulierung, der Steuerpolitik oder der Handelspolitik – hin zur Liberalisierung.
Es ist zwar richtig, dass gerade in Deutschland ein öffentlicher Investitionsstau herrscht. Diesen zu beseitigen, würde einer entschlossenen Regierung aber nicht schwerfallen. Sie müsste nur die Ausgaben für die Subventionierung der Rentner senken und das Renteneinstiegsalter wieder erhöhen, so wie von der Bundesbank vorgeschlagen. Dann hätte sie Mittel frei, die sie in die Infrastruktur investieren könnte. Es steht aber zu befürchten, dass die beiden sozialdemokratischen Regierungsparteien der großen Koalition im nun beginnenden Wahlkampf eher die Forderung des DGB unterstützen, das Rentenniveau zu stabilisieren. Ein Wettlauf um die Stimmen der alten Wähler und zu Lasten der Jungen und ihres Wohlstandes dürfte nun beginnen.
Große Terroranschläge in Europa
Ein Lieferwagen rast auf der Flaniermeile "Las Ramblas" im Zentrum Barcelonas in eine Menschenmenge. Nach offiziellen Angaben soll es mindestens einen Toten und 32 Verletzte gegeben haben, Medien berichten von zwölf Toten. Die Polizei bestätigt, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar.
Auf der London Bridge überfahren drei Attentäter mehrere Fußgänger, dann greifen sie eine beliebte Markthalle an. Mindestens sechs Menschen kommen ums Leben, die Angreifer werden getötet.
Bei dem Selbstmordanschlag in Manchester auf Gäste eines Pop-Konzerts hatte Salman Abedi, ein Brite libyscher Abstammung, 22 Menschen ermordet. Außerdem wurden 116 Menschen zur Behandlung von Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. Die Polizei geht davon aus, dass Abedi kein Einzeltäter war, sondern dass ein ganzes Terrornetzwerk hinter der Tat steckt.
Auf dem Pariser Boulevard Champs-Élysées schießt ein Islamist mit einem Sturmgewehr in einen Polizeiwagen. Ein Beamter wird getötet, zwei weitere Polizisten und eine deutsche Passantin werden verletzt. Die Polizei erschießt den Angreifer, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Attacke für sich.
Ein gekaperter Lastwagen rast in einer Einkaufsstraße erst in Stockholm in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt. Noch am selben Tag nimmt die Polizei einen 39-jährigen Usbeken unter Terrorverdacht fest.
Ein Attentäter steuert ein Auto absichtlich in Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten. Von den Opfern auf der Brücke erliegen vier ihren Verletzungen. Sicherheitskräfte erschießen den Täter.
Auf dem Pariser Flughafen Orly verhindern Soldaten nur knapp einen möglichen Terroranschlag. Ein Mann will einer dort patrouillierenden Soldatin das Gewehr entreißen und wird von anderen Soldaten erschossen. Erst Anfang Februar war nahe dem Louvre-Museum ein Ägypter niedergeschossen worden, der sich mit Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte.
Am Abend des 19. Dezember 2016 rast ein LKW in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Das Attentat fordert 12 Tote und viele teils Schwerverletzte.
In Nordfrankreich ermorden zwei Angreifer einen katholischen Priester in einer Kirche und verletzen eine weitere Person schwer. Beide Attentäter werden von den Sicherheitskräften erschossen.
In Ansbach in Bayern sprengt sich ein 27-jähriger syrischer Flüchtling vor dem Eingang zu einem Musikfestival mit einer Rucksackbombe in die Luft. Der Attentäter stirbt. 15 Menschen werden verletzt. Auf dem Handy des Mannes findet die Polizei später ein Bekennervideo. Das IS-Sprachrohr Amak behauptet einen Tag später, der Attentäter sei „Soldat des Islamischen Staates“.
In einem Vorort von Würzburg greift ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan in einem Regionalzug Fahrgäste mit einer Axt an. Er verletzt mehrere Menschen teils schwer. Auf seiner Flucht wird er von der Polizei erschossen. Einen Tag später veröffentlichte das IS-Sprachrohr Amak im Internet ein Video des Attentäters. Darin spricht er davon, dass er im Auftrag des IS gehandelt habe und sich an Nicht-Muslimen rächen wollte, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten.
In Nizza fährt ein schwer bewaffneter Franzose tunesischer Herkunft mit einem Lastwagen in die Menge, die den französischen Nationalfeiertag feiert. Er tötet 84 Menschen.
Am Flughafen Istanbul-Atatürk schoss am 28. Juni 2016 ein Attentäter in der Eingangshalle mit einem Sturmgewehr um sich, warf Handgranaten in die Menge und zündete einen Sprengsatz. Zeitgleich sprengte sich ein weiterer Attentäter in einem Parkhaus in die Luft. Ein dritter Täter zündete offenbar einen Bombe in U-Bahn-Nähe. Die türkische Regierung ordnet den Anschlag dem Islamischen Staat zu. Insgesamt kamen 44 Menschen ums Leben (darunter die drei Attentäter); 239 weitere wurden verletzt. (Stand: 29.06.2016, 14:30 Uhr)
Ein Franzose marokkanischer Herkunft ermordet in einem Pariser Vorort einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitet.
Am Morgen des 22. März 2016 sprengten sich zwei Terroristen am Flughafen Brüssel-Zaventem in die Luft sowie ein weiterer im U-Bahnhof Maalbeek/Maelbeek in der Brüsseler Innenstadt nahe der EU-Behörden. Nach offiziellen Angaben kamen 35 Menschen ums Leben, darunter drei der Attentäter. Mehr als 300 Personen wurden verletzt.
Zwei Attentäter brachten ihr gestohlenes Auto an der Bushaltestelle einer Metrostation im Stadtzentrum von Ankara zur Explosion – 38 Menschen kamen ums Leben, darunter waren auch die Attentäter. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Zu dem Anschlag, der sich am 13. März 2016 ereignete, bekannte sich eine Splittergruppe der Terrororganisation PKK.
Ein IS-Attentäter sprengte sich am 12. Januar 2016 auf dem belebten Sultan-Ahmed-Platz in Istanbul in die Luft – und riss 12 Menschen mit in den Tod. Elf von ihnen gehörten einer deutschen Touristengruppe an. 13 weitere Personen wurden verletzt.
Extremisten mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat greifen die Konzerthalle Bataclan und andere Ziele in der französischen Hauptstadt Paris an. Dabei kommen 130 Menschen ums Leben. Ein Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit den Angriffen ist der 26 Jahre alte Salah Abdeslam, der am 18. März 2016 in Brüssel festgenommen wird.
Ein 22-jähriger radikalislamischer Angreifer tötet den Filmemacher Finn Nørgaard und einen jüdischen Wachmann einer Synagoge in Kopenhagen. Bei einem Feuergefecht mit einer Spezialeinheit der Polizei wird er erschossen.
Drei Extremisten töten bei einer mehrere Tage dauernden Terrorwelle in Paris 17 Menschen, bevor sie selbst erschossen werden. Zunächst greifen zwei Brüder das Büro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ an und erschießen zwölf Menschen. Für den den Angriff übernimmt Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel die Verantwortung. In den Tagen darauf tötet ein weiterer Extremist eine Polizistin und nimmt in einem koscheren Supermarkt Geiseln. Vier jüdische Kunden sterben.
Im Jüdischen Museum in Brüssel tötet ein Angreifer mit einer Kalaschnikow vier Menschen. Der mutmaßliche Täter ist ein ehemaliger französischer Kämpfer, der Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien haben soll.
Zwei von Al-Kaida inspirierte Extremisten greifen auf einer Londoner Straße den britischen Soldaten Lee Rigby an und töten ihn mit Messern und einem Fleischerbeil.
Ein Bewaffneter, der nach eigenen Angaben Verbindungen zur Al-Kaida hat, tötet in der südfranzösischen Stadt Toulouse drei jüdische Schulkinder, einen Rabbi sowie drei Fallschirmjäger.
Der muslimfeindliche Extremist Anders Behring Breivik legt eine Bombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt Oslo und greift anschließend ein Jugendlager auf der Insel Utøya an. 77 Menschen werden getötet, viele davon Teenager.
52 Pendler kommen ums Leben, als sich vier von Al-Kaida inspirierte Selbstmordattentäter in drei Zügen der Londoner U-Bahn und einem Bus in die Luft sprengen.
Bombenanschläge auf Züge zum Madrider Bahnhof Atocha töten 191 Menschen.
Gleiches gilt für Reformen, die nicht nur, aber auch in Deutschland geboten wären, vor allem im Dienstleistungssektor und im Bereich des Außenhandels. Nicht zuletzt durch die flächendeckenden Erfolge der populistischen Parteien in Europa (dieses Mal von rechts) und durch das Auftauchen solch inkompetenter und substanzloser Politiker wie Herrn Trump bedingt, ist die Neigung von Regierungen der Industrieländer, die multilaterale Liberalisierung voranzutreiben oder wenigstens durch kluge regionale Integrationsabkommen für mehr Wettbewerb und damit das Potential für Produktivitätssteigerungen zu sorgen, im Augenblick recht gering.
Überall in der westlichen Welt steigt die Angst vor fremden Produkten und Menschen – „Wir hier drinnen gegen die da draußen“ klingt für viele deutlich attraktiver als die unbestimmte Hoffnung auf gegenseitige Handelsgewinne. Die Politik auch in Deutschland hat es nicht geschafft, die überwältigende empirische Evidenz für Freihandel den Menschen auch emotional nahezubringen. Eigentlich ist das nicht schwer, denn Handel ist ein Friedensstifter.
Aus dieser Perspektive betrachtet hat der G20-Gipfel die richtigen Themen gesetzt, sie dürften aber im Klein-Klein der täglichen Politik schnell verpuffen – oder sind es bereits. Die positiven Effekte, die vom G20-Gipfel in China auf die Weltwirtschaft ausgehen, dürften statistisch eher insignifikant, also umgangsprachlich ausgedrückt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben. Schade!