Freytags-Frage

Eine Handelsverschwörung gegen die USA?

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US-Sparquote traditionell sehr niedrig

Somit wird die Leistungsbilanz von vier Aggregaten beeinflusst: Exporten, Importen, Ersparnis und Investitionen. Diese sind natürlich ebenfalls voneinander abhängig. Wenn also die Bevölkerung systematisch mehr investiert, als sie spart – beispielsweise, weil sie jung ist und viele Arbeitsplätze (durch komplementäres Kapital) benötigt – wird das Land ein Leistungsbilanzdefizit aufweisen, und zwar zu seinem Vorteil.

Der Mechanismus der Anpassung von den Kapitalströmen zu den Güterströmen findet über den Wechselkurs statt: Kapitalzuflüsse werten die heimische Währung auf, wodurch heimische Exporte verteuert und Importe verbilligt werden; die Leistungsbilanz passiviert sich. Wenn dasselbe – junge – Land aber einen Leistungsbilanzüberschuss hat, hat dies im Regelfall die Ursache, dass zu wenige Investitionen vorgenommen werden und zu wenige Arbeitsplätze entstehen. Ein Leistungsbilanzüberschuss ist abzulehnen.

Die USA sind im Grundsatz ein solches Land. Die Bevölkerung ist relativ jung, der Altersmedian, das heißt das Alter, das die Hälfte der Bevölkerung in zwei gleich große Hälften teilt, ist 38 Jahre (in Deutschland ist der Altersmedian 46,2 Jahre). Vor 10 Jahren waren die USA aber noch jünger, so dass die Logik sich demnächst umkehren dürfte.

Der X-Faktor für deutsche Konzerne
Der künftige US-Präsident Donald Trump Quelle: dpa
Der Sitz der Deutschen Bank in New York Quelle: REUTERS
Deutschen Bank Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Die US-Fahne spiegelt sich im Logo und Kühlergrill eines Volkswagen-Fahrzeugs Quelle: dpa
Volkswagen-Verkaufszentrum in den USA Quelle: dpa
Donald Trump Quelle: dpa

Darüber hinaus ist die US-Sparquote traditionell sehr niedrig. Um die Staatsschulden und Investitionen zu finanzieren, muss das Land Kapital importieren. Sollte die Mauer wirklich von Mexiko bezahlt werden, wird das Leistungsbilanzdefizit der USA um die Baukosten steigen, weil der Kapitalzufluss aus Mexiko den Peso abwertet und den Dollar aufwerten lässt. Der Präsident würde darin vermutlich dann mexikanisches Dumping sehen! Auch ein schuldenfinanziertes Infrastrukturprogramm dürfte – sofern mit Anleihen im Ausland finanziert – der US-Wirtschaft durch die damit verbundene Aufwertung schaden und das Leistungsbilanzdefizit erhöhen. Insofern ist das amerikanische Gejammer über das Leistungsbilanzdefizit grundsätzlich zu kurz gedacht.

Es gibt aber auch eine (von zahlreichen) anderen Logiken: Wenn Exporte des Auslandes relativ zu heimischen Gütern besser oder billiger werden, weil die Bürger eines Landes diese Güter kaufen wollen und sich dafür im Ausland verschulden, ist die Bewertung eines Leistungsbilanzdefizits nicht so positiv, vor allem dann, wenn die relative Verbesserung der ausländischen Waren einer absoluten Verschlechterung oder Verteuerung heimischer Produkte folgt (zum Beispiel nach Inflation). Andererseits bewirkt gerade Inflation häufig Kapitalflucht und damit einen Leistungsbilanzüberschuss, der aber ebenfalls nicht positiv zu bewerten ist. Insofern kann die Frage nach der normativen Bewertung eines Leistungsbilanzsaldos nicht eindeutig beantwortet werden: Es kommt eben darauf an.

Wesentlich deutlicher ist die Antwort auf die zweite Frage. Bilaterale Salden sind irrelevant. Man stelle sich einmal zur Illustration vor, sämtlich japanische Autos, die in Deutschland verkauft werden, werden über Bremerhaven eingeführt. Die Stadt weist ein starkes Handelsbilanzdefizit mit Japan auf; wohl kaum ein Problem. Die Autos werden weiterverkauft nach Baden-Württemberg und Bayern. Beide Bundesländer liefern vermutlich Waren für einen geringeren Wert nach Bremerhaven, als sie Autos von dort beziehen – sie weisen jeweils ein bilaterales Defizit mit Bremerhaven auf. Wie jeder sieht, ist auch dies kein Problem. Die Welt ist vernetzt, und bilaterale Defizite eines Industrielandes hier (z.B. mit Ölländern) werden durch bilaterale Überschüsse dort (z.B. mit Schwellenländern mit hoher Nachfrage nach Investitionsgütern) ausgeglichen.

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