Freytags-Frage

Warum ist die Freiheit der Wissenschaft so wichtig?

Ungarn, USA, Türkei: Nahezu unbemerkt bedrohen Politiker auf der ganzen Welt die Freiheit der Wissenschaft. Warum wir die Universitäten schützen müssen – und wie das gelingen kann.

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Wissenschaftler demonstrieren in Boston gegen die Trump-Regierung und für die Anerkennung der Bedeutung der Wissenschaft. Quelle: dpa

Eine Bedrohung zieht auf – und kaum jemand nimmt es wahr. Weltweit üben Politiker Druck auf die Freiheit der Wissenschaft aus, aber ein medialer Aufschrei bleibt aus. In den USA ging es los. Dort attackierte Donald Trump die Wissenschaft bereits im Wahlkampf. Kaum im Amt, griff er die Klimabehörde an. Die Forscher sahen sich veranlasst, ihre Daten auf fremde Server zu verschieben. So wollten sie ihre Forschungsgrundlage vor der Vernichtung retten.

In der Türkei säubert Recep Tayyip Erdoğan seit dem Putschversuch die Universitäten des Landes. Kritische Geister wurden entlassen oder verhaftet. Die Curricula der Universitäten und Schulen offenbar umgeschrieben. Dabei geht es wohl weniger um Erkenntnisfortschritt als um die Meinungshoheit – und die Unterdrückung anderer Haltungen.

In Ungarn geschieht gerade ähnliches. Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das ausländische Universitäten in Ungarn neuen Regeln unterwirft. Auf den ersten Blick ist das kein Anschlag auf die Wissenschaft. Doch ein Blick in die Details verdeutlicht, dass die Regierung mit dem Gesetzt nur ein Ziel verfolgt: Sie will die vom Investor George Soros gegründete und finanzierte Central European University aus dem Land zu vertreiben.

Dabei gilt gerade diese Universität als die beste des Landes. Sie strahlt Offenheit und Internationalität aus. Doch genau das will Viktor Orbán offenbar nicht. Seiner Regierung geht es darum, eine Stätte kritischen und offenen Denkens zu eliminieren. Dabei hat Orbán selbst mit einem Stipendium einer Stiftung von George Soros studiert.

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Für die Freiheit der Wissenschaft sind diese Vorgänge eine große Gefahr. Man mag argumentieren, dass die Forschung nun eben woanders stattfindet. Viele Städte, darunter Vilnius, Berlin und Wien, haben der Central European University angeboten, sich dort niederzulassen. Der Kolumnist, der gerade auf der Jahrestagung der European Public Choice Gesellschaft an der Central European University weilt, kann sich auch Thüringen als Heimat der Central European University vorstellen. Zumindest das Drama für die Studierenden und Wissenschaftler würde durch eine Neuansiedlung etwas abgemildert.

Eine Lösung wäre das allerdings nicht. Denn die Studierenden und Wissenschaftler einer Universität sind nicht nur global vernetzt, sondern bilden auch einen wesentlichen Teil des bürgerschaftlichen Engagements einer Gesellschaft. Sie tragen zu einer lebendigen Demokratie bei.

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