Freytags-Frage

Warum sehen wir positive Entwicklungen in der Welt kaum?

Unsere Welt geht vor die Hunde – glauben wir zumindest. Fakten untermauern diesen Eindruck nicht. Warum wir uns unsere Gegenwart und Zukunft trotzdem schwarzmalen hat gleich mehrere Gründe.

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Horrormeldungen bestimmen unseren Tag. In der öffentlichen Wahrnehmung verschlechtert sich der Zustand der Welt immer weiter; früher war alles besser, oder um es mit Tom Petty zu sagen: „The future ain’t what it used to be!“. Dies gilt zum Beispiel für Umweltfragen, politische Entwicklungen, Armut (in reichen wie in armen Ländern) und die Folgen von Naturkatastrophen.

Allerdings hat diese Tendenz einen kleinen Haken. Sie stimmt mit der Realität in wesentlichen Teilen nicht überein. Der Welt ging es noch nie so gut wie heute. Und damit ist nicht nur der materielle Wohlstand (gemessen als Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) gemeint, der ein Rekordniveau erreicht. Auch in anderer Hinsicht geht es der Menschheit besser, wie einige Beispiele zeigen:

- In den letzten Jahrzehnten ist die Anzahl der Menschen in absoluter Armut dramatisch gesunken.
- Kindersterblichkeit hat abgenommen, und die Gesundheitsversorgung hat sich weltweit erheblich verbessert; die Lebenserwartung steigt weltweit an und liegt durchschnittlich schon bei 70 Jahren für heute Geborene.
- Immer mehr Kinder gehen in die Schule, darunter fast genauso viele Mädchen (90 Prozent) wie Jungen.
- Die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern hat auch auf weiteren Feldern enorme Fortschritte zu verzeichnen.
- Es gibt immer weniger Kriegstote und Opfer von Naturkatastrophen.
- In vielen Bereichen ist die Umweltqualität weit besser als vor einer Generation.

Das bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen und schlechte Nachrichten als falsch abtun sollten. Es bedeutet aber, dass der Fokus auf schlechte Nachrichten den Blick vernebelt und zudem falsche Politikantworten generiert, wie der schwedische Mediziner Hans Rosling und seine Koautoren in ihrem Buch „Factfulness“ zeigen.

Neben den oben genannten Trends zählen sie noch weit mehr Verbesserungen für die Menschheit auf. Dennoch hat trotz jahrelanger exzellenter Arbeit auch Hans Rosling nur selten angemessen Gehör gefunden in der Öffentlichkeit. Dies hat verschiedene Gründe.

Erstens verklärt sich die Vergangenheit mit zeitlichem Abstand. So haben wohl die meisten Menschen recht erfolgreich versucht, die negativen Kindheitserlebnisse zu verdrängen und die positiven herauszustellen. In ähnlicher Weise reden wir uns die Vergangenheit schön, wenn wir zum Beispiel im Fernsehen gesendete Nostalgieshows über die 1970er sehen und von der „guten alten Zeit“ zu träumen beginnen. Objektiv ging es der Menschheit damals deutlich schlechter als heute.

Zweitens sind viele der guten Nachrichten – gerade aus Entwicklungsländern – sehr weit weg und nicht spektakulär, während negative Nachrichten uns sehr berühren. So würde ein Beitrag über den Schulalltag in einem ruandischen Dorf uns wohl wenig packen, während eine Sendung über unterernährte Kinder in Somalia viel mehr Aufmerksamkeit erringt (und schneller generalisiert wird).

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