Freytags-Frage
Quelle: REUTERS

Was bleibt von Donald Trump?

Der Sturm auf das Kapitol wird noch lange und schmerzlich nachhallen. Es muss nun auch dem Letzten dämmern, dass Politik mit der Abrissbirne nicht von Vorteil sein kann. Können die Ereignisse also auch ihr Gutes haben?

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Am Mittwoch dieser Woche hat der Regierungsstil des Noch-US-Präsidenten Donald Trump seine ultimative Zuspitzung erfahren. Erst hat er allen Republikanern, die nicht seinen abenteuerlichen Feldzug gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl mittragen wollten, gedroht oder drohen lassen. Dann wiegelte er die Demonstranten für seine Wahlbetrugs-Kampagne in einer Rede vor dem Weißen Haus so auf, dass etliche von ihnen letztlich das Kapitol gestürmt haben, wobei natürlich nicht klar ist, welchen Hebel für diese Hetzrede letztendlich hatte.

Immerhin hat dieser zu Recht von vielen Beobachtern als Terrorakt bezeichnete Angriff viele republikanische Abgeordnete einigermaßen ernüchtert. Einige von ihnen, die fest entschlossen waren, im Kongress die Wahlergebnisse ein letztes Mal anzufechten, gaben dieses Vorhaben auf. Die anderen, die ohnehin nie zu erkennen gegeben hatten, das Ergebnis einer demokratischen Wahl ignorieren zu wollen, fassten mehr Mut und wurden lauter. Somit war die Zustimmung des Kongresses zum Wahlergebnis am Ende doch schneller möglich als erwartet. Das ist die beste Nachricht vom Mittwochabend beziehungsweise Donnerstagmorgen.

Die Ereignisse am Kapitol, die vermutlich noch lange diskutiert und in einem für alle Amerikaner schmerzhaften Prozess aufgearbeitet werden müssen, könnten insofern ihr Gutes haben, dass die opportunistischen Versuche der Abgeordneten, sich gegen die Logik, das Recht (zumindest dem Geiste nach) und die Wahrscheinlichkeit, die Zuneigung des Noch-Präsidenten und seiner Anhänger zu bewahren, nun für jeden sichtbar entlarvt sind. Die Republikaner müssen sich entscheiden, ob sie auf der Seite des Rechts und der Demokratie stehen oder einem Bonsai-Diktator folgen wollen, der sich weder um Amerika noch um Regeln schert, sondern offenkundig von sich selbst berauscht und besessen ist.

Für viele Amerikaner – und Beobachter im Ausland ohnehin – dürfte die Präsidentschaft Donald Trumps nun vollends diskreditiert sein. Vielen werden in den kommenden Tagen noch die Augen aufgehen, und sie werden sich fragen, wem sie da gefolgt sind. Es wird sicherlich ein wenig dauern, bis diese Erkenntnis sich durchsetzt, aber es besteht Hoffnung.

Es kommt dabei sicherlich darauf an, wie ernsthaft die Republikaner sich nun von den wirren Aussagen und Handlungen ihres Präsidenten distanzieren und wie besonnen der gewählte Präsident Biden auf die Ereignisse im Kapitol am Mittwoch reagiert. Letzteres erscheint auf jeden Fall sehr wahrscheinlich, denn Biden hat immer wieder betont, dass er sich als Präsident aller Amerikaner sieht. Bei Ersterem ist noch abzuwarten; es gibt immer noch genügend republikanische Kongressmitglieder (nämlich eine Mehrheit im Repräsentantenhaus), die Präsident Trumps Anweisungen in den Abstimmungen zu Pennsylvania und Arizona folgten.

Dennoch könnte das Chaos vom Mittwoch im besten Fall einen Prozess der Versöhnung initiieren oder verstärken. Republikaner könnten sich darauf besinnen, dass extreme Rhetorik und permanente Fundamentalopposition weder ihnen noch ihren Anhängern helfen. Sie könnten sich wieder einer gemäßigten Position in politischen Themen annähern, zumal in vielen Fragen die inhaltlichen Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern recht gering sind; das gilt vor allem für die Außenpolitik. Es muss auch dem letzten Republikaner dämmern, dass Außenpolitik mit der Abrissbirne für die Vereinigten Staaten nicht von Vorteil sein kann. Im Übrigen spricht ein praktischer Grund für einen Sinneswandel (so opportunistisch er klingen mag): Viele Republikaner werden im kommenden Wahlkampf zum Repräsentantenhaus und Senat in zwei Jahren von Spenden großer Unternehmen abhängig sind; ob diese die Nähe zu Trump noch tolerieren, ist höchst zweifelhaft.

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In einem solchen Szenario wird die zukünftige Rolle des Noch-Präsidenten kleiner werden, als manche hoffen und viele befürchten. Seine erwarteten beziehungsweise befürchteten Tiraden in sozialen Netzwerken dürften zunehmend weniger Anklang finden, zumal ihre Originalität sich in deutlichen Grenzen hält und die permanente Wiederholung der Unwahrheit irgendwann zur Ermüdung aller führt. Wenn es gut läuft, passiert dreierlei:

1. Die Aufmerksamkeit für Donald Trump selbst verringert sich, er verschwindet vom öffentlichen Radar.
2. Sein Einfluss in der republikanischen Partei nimmt drastisch ab. Dadurch sinkt auch die Gefahr, dass seine Kinder oder andere ähnlich denkende Akteure weiter an Einfluss gewinnen könnten.
3. Populisten in anderen westlichen Demokratien werden ebenfalls an Zulauf verlieren. Trump hat die strukturelle Unfähigkeit von Populisten sehr deutlich aufgezeigt: Sie können nicht mit Krisen umgehen, sie haben außer einem stetigen „Dagegen!“ keine Programmatik zu bieten, und sie bringen darüber hinaus das hässlichste Gesicht einer Gesellschaft ans Tageslicht.

Vor diesem Hintergrund besteht seit Mittwoch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass von Donald Trump nicht viel mehr bleiben wird als die Erinnerung an einen ein- und ungebildeten Clown, der zwar viele Probleme und Konflikte verursacht, aber wenig dauerhaften Schaden angerichtet hat. Später wird man sich hoffentlich vor allem an die vielen Witze auf seine Kosten erinnern.

Mehr zum Thema: Anhänger von Donald Trump stürmen das Kapitol in Washington. In seinen letzten Tagen als US-Präsident gefährdet dieser mehr und mehr die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der USA.

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