Freytags-Frage
Olympia in Japan: Es zeichnet sich ein düsteres Bild ab. Quelle: dpa

Was haben Sport-Großereignisse mit dem Sorgfaltspflichten-Gesetz zu tun?

Heute starten die olympischen Spiele in Tokio. Keine Zuschauer, kaum Euphorie, ein großer Sponsor ist abgesprungen. Die Veranstalter sollten sich ernsthaft hinterfragen – und die Politik weniger duckmäuserisch sein.

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Heute beginnen in Tokio mit etwa einem Jahr Verspätung offiziell die 32. Olympischen Sommerspiele; einige Wettkämpfe haben schon am Mittwoch begonnen. Nun geht es mit der Eröffnungsfeier, aber – immer noch pandemiebedingt – ohne Publikum los. Dies ist besonders ungewöhnlich und in gewisser Hinsicht schmerzlich, denn Olympia galt immer als ein Fest, das von der Begegnung der Sportler untereinander und mit ihrem Publikum lebt.

Ohnehin stehen die diesjährigen Spiele unter keinem guten Stern. Wegen Corona wurden sie um ein Jahr verschoben, und wegen Corona finden sie ohne Publikum statt. Das heißt jedoch nicht, dass die Pandemie außen vor bleibt, denn bereits im Vorfeld hat es zahlreiche Corona-Fälle unter den Sportlern gegeben; schon heute ist klar, dass mancher Spielplan durcheinander gewirbelt ist. Viele namhafte Sportler haben ihre Teilnahme in diesem Jahr abgesagt – nicht in jedem Fall hat man den Eindruck, dass es den Betroffenen besonders leid tut. Die deutsche Fußball-Olympiaauswahl ist noch nicht einmal komplett; nur 18 statt der 22 möglichen Spieler haben sich auftreiben lassen. Manche Spielernamen sind auch den Experten kaum geläufig.

Die japanische Bevölkerung ist darüber hinaus nicht sonderlich begeistert über die Spiele. Bedenkt man, dass öffentliche Kritik an offizieller Politik in Japan zumeist recht zurückhaltend geäußert wird, überrascht die Intensität der Diskussion. Viele Bürger haben wohl den Eindruck gewonnen, dass die Ausrichtung einer solchen Großveranstaltung irgendwie unangemessen ist. Etliche freiwillige Helfer in Tokio haben sich wieder abgemeldet. Diese negative Grundhaltung ist auch hierzulande offenbar weitverbreitet. Wie bereits bei der vergangenen Fußball-Europameisterschaft (EM) ist die öffentliche Euphorie gering.

Und nun hat auch noch ein wesentlicher Sponsor, ein japanischer Autohersteller angekündigt, dass er die bereits bezahlten Werbespots mit Olympiabezug nicht ausstrahlen lassen will. Hier fürchtet man wohl um das eigene Image, wenn man mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht wird. Die Unternehmensspitze wird auch nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen.

Andere Sponsoren haben bisher nicht nachgezogen, und das Internationale Olympische Komitee (IOC) kann immer noch mit satten Gewinnen rechnen. Trotzdem zeichnet sich gerade ein düsteres Bild ab. Deshalb sollten sich die Macher beim IOC einmal ernsthaft hinterfragen und nicht, wie im vergangenen Jahr geschehen, zu Filmausschnitten von Leni Riefenstahl applaudieren.

Immerhin findet die Olympiade heute in einer Demokratie statt, das wird 2024 anders sein. Zuletzt hatte man ohnehin den Eindruck, dass nur noch autokratisch regierte Länder sich bewerben oder aber den Zuschlag erhalten – für den IOC oder den Europäischen Fußballverband (UEFA) ist der Umgang mit Autokraten wohl einfacher.



Aber auch die Politik in Demokratien tritt den globalen Sportverbänden gegenüber sehr duckmäuserisch auf. Als die UEFA verlangte, dass in München während der EM Zuschauer erlaubt sein müssen, war die Landesregierung genau wie die Bundesregierung sofort bereit dazu. Für Bildung oder Breitensport (also Gesundheit) zum Beispiel wurde wesentlich weniger riskiert als für den kommerziellen Sport. Und bisher hat noch jede Bundesregierung ihre Augen vorschlossen, wenn wieder eine Olympiade durch Korruption vergeben wurde oder eine Diktatur ein Großereignis ausrichtete und dabei ohne Scham die Menschenrechte millionenfach verletzte. Zu gefährlich schien es der Politik, sich gegen die Präferenzen der Sportfreunde zu äußern. Sich öffentlich gegen eine Fußball-Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele zu stellen, selbst wenn sie in Katar oder China ausgetragen werden, erscheint vielen Politikern wohl als selbstmörderisch.

Druck auf den DFB ausüben

Dies galt zumindest bis in den Sommer 2021. Vielleicht ändert es sich gerade. Es scheint eine Chance zu geben, dass in einigen Demokratien die Stimmung umschlagen könnte. In Deutschland regen inzwischen sogar Fußballfunktionäre an, über einen Boykott der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft in Katar nachzudenken. Als in der Öffentlichkeit über Verhandlungen des Deutschen Fußballbundes (DFB) mit Unternehmen aus Katar wegen eines möglichen Sponsoren-Vertrags berichtet wurde, beschwerten sich etliche Politiker; der DFB dementierte umgehend.

Man kann nur hoffen, dass nach der Bundestagswahl die Diskussion Fahrt aufnimmt. Denn es wäre unwürdig, wenn in Deutschland einerseits mittelständische Unternehmen verklagt werden, die es nicht schaffen, die Nachhaltigkeit ihrer sehr komplexen Lieferketten zu belegen, während andererseits der DFB Millionen an einem Fußballturnier verdient, für das Stadien unter krasser Missachtung der Menschenrechte gebaut wurden. Insofern ist die nächste Weltmeisterschaft ein Fall für das Sorgfaltspflichtengesetz. Weil es erst ab 2023 gelten soll, ist es wenigstens in der Theorie so. All diejenigen, die dieses Gesetz für gut befinden, sollten nun Druck auf den DFB ausüben.

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Denn Brot und Spiele kann es nicht zum Nulltarif geben. Wer den Mittelstand belehrt und sich Afrika gegenüber paternalistisch verhält, darf vor den Sportverbänden nicht einknicken. Daran sollten sowohl die mittelständischen Unternehmen als auch überzeugte Nichtregierungsorganisationen die Politik nachdrücklich erinnern. Insofern könnte das Sorgfaltspflichtengesetz unter Umständen eine Dynamik entfalten, die vermutlich so nicht gewollt wart. Es ist eine angenehme Vorstellung, wenn es so gelingt, das unangenehm wirkende Kartell zwischen Politik und korruptem Sport zu schwächen!

Mehr zum Thema: Mit Toyota distanziert sich ein prominenter japanischer Konzern von den Olympischen Sommerspielen. Sportmarketing-Experte Gerd Nufer sieht einen Wandel bei den Geldgebern von Großereignissen.

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