Freytags-Frage
Das Verhalten des Präsidenten ist also nicht die eigentliche Überraschung, sondern die Unterwerfung derer, die ihn in das Amt befördert haben. Quelle: REUTERS

Was ist nur mit den Republikanern los?

Donald Trump irrlichtert in der Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik. Die Republikaner vertreten vielfach andere Ansichten – doch lassen ihren Präsidenten gewähren. Auch deswegen macht Trumps Verhalten weltweit Schule.

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Jedes Mal, wenn Präsident Trump einen seiner berüchtigten Tweets abschickt, zuckt der rationale und zivilisierte Teil der Menschheit zusammen. Kann ein US-Präsident wirklich auf so niedrigem moralischen und intellektuellen Niveau agieren? Meint er wirklich, mit andauernden Lügen überzeugen zu können? Hält er die Anbiederung an Diktatoren und die gleichzeitige Beleidigung sogenannter Alliierter für eine gute Strategie? Oder sind wir nur zufällig in eine Fernsehshow geraten?

Bei allem Schrecken muss man dem Präsidenten zugutehalten, dass er sich nie verstellt hat. Immer schon – zumindest seitdem er sich politisch engagiert – hat er seine Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen, sein Unwohlsein gegenüber demokratischen Prozessen, sein Faible für Hasstiraden, seinen deutlichen Rassismus und seine Verachtung Frauen gegenüber deutlich gemacht. Er hält, was er verspricht! Insofern ist die überall anzutreffende Verwunderung über seine heutigen Aussagen eher verwunderlich.

Das Verhalten des Präsidenten ist also nicht die eigentliche Überraschung, sondern die Unterwerfung derer, die ihn in das Amt befördert haben. In erster Instanz waren das die Delegierten der Republikanischen Partei, danach die Wähler. Viel ist darüber geschrieben worden, dass die amerikanische Gesellschaft – nicht zuletzt durch das Handeln der liberalen Eliten an den Küsten – zutiefst gespalten ist und dass diese Spaltung einen Präsidenten von Trumps Kaliber erst möglich gemacht hat. All das mag stimmen, und es wurde möglicherweise sogar Zeit, dass einmal ein echter Außenseiter der politischen USA Präsident wurde. Einige seiner Themen brennen vielen Amerikanern wohl unter den Nägeln.

So weit – so gut. Themen ohne Tabus anzusprechen, ist das eine. Dies in unmenschlicher Weise zu tun, ist aber etwas anderes. Zudem ist auch ein Präsident nicht allmächtig – er ist einem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig, in diesem Fall dem amerikanischen Kongress. Und hier beginnt die eigentliche Verwunderung, denn die Art und Weise, in der der Präsident vorgeht, ist nicht nur seinen erklärten Feinden – darunter Mexikaner, Europäer, Journalisten, Chinesen und Wissenschaftler – gegenüber rüpelhaft und zum Teil inhuman, sie schadet auch den amerikanischen Interessen in eklatanter Weise, zumindest nach bisher herrschendem Wissen. Und sie kann einfach nicht mit den Werten konservativer und in der Regel tief gläubiger Politiker kompatibel sein; sie ist es im Grunde mit den Werten sämtlicher zivilisierter Menschen nicht.

Aber der von Republikanern mehrheitlich dominierte Kongress geht nicht gegen die Abrissbirnen-Politik (so die internationale Presse) vor. Stattdessen drucksen die meisten republikanischen Abgeordneten herum, moderate Republikaner werden in Vorwahlen ausgebremst, und nur diejenigen Abgeordneten, deren politische Karriere sich dem Ende zuneigt, wehren sich mit deutlichen Worten gegen die Vorstöße des Präsidenten.

Es scheint zwar nur wenige Abgeordnete mit einer ähnlichen Haltung wie derjenigen des Präsidenten zu geben, der Widerstand bei den republikanischen Kongressabgeordneten ist aber trotzdem gering. Das galt selbst bei der unmenschlichen Trennung von Eltern und Kindern aus Lateinamerika, die kein Aufenthaltsrecht in den USA haben. Sehr lange herrschte Schweigen bei den Republikanern. In der Handelspolitik sind die meisten Republikaner anderer Auffassung als der Präsident, dennoch regt sich auch hier wenig Widerstand.

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