Freytags-Frage

Was taugen Sanktionen gegen Russland?

Um den Druck auf Russland in der Krim-Krise zu erhöhen, hat der Westen die Möglichkeit mit Handels- und Finanzsanktionen oder dem Boykott von Großereignissen zu reagieren. Einschränkungen und die Abwesenheit der G7 von der Vorbereitungskonferenz zum G8-Gipfel könnten wirksame Signale an Putin sein.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Regierungschef Wladimir Putin Quelle: dpa

Die Krim-Krise strebt auf weitere Eskalation zu, das Referendum am Wochenende nämlich. Nach herrschender Meinung im Westen entspricht die Vorgehensweise der russischen Regierung nicht dem Völkerrecht. Die wichtigsten Regierungschefs sprechen häufig mit Präsident Putin; viel scheint es nicht zu nützen. Er hat seine eigene Sichtweise.

Deshalb ist der Verweis auf das Völkerrecht zwar korrekt, aber das hat Diktatoren ja noch nie viel gekümmert. Insofern ist nicht zu erwarten, dass es bis Sonntag ein Einlenken gibt, nur weil Präsident Putin am Telefon von Präsident Obama oder Kanzlerin Merkel gewarnt wird.

Das Problem ist aber nicht nur die Krim. Präsident Putin wird mit den Worten zitiert, dass er das Ende der Sowjetunion für das größte Unglück des 20. Jahrhundert hält. In einigen Ländern, z.B. im Baltikum, wird diese Sichtweise auf die vergangenen 25 Jahre von den meisten Bürgern, darunter vermutlich auch viele russischer Herkunft, nicht geteilt. Sie stellt aber dennoch eine zumindest gefühlte, möglicherweise sogar echte Bedrohung auch dieser Länder dar, denn implizit kann man sie als Ankündigung auffassen, erst mit den Annexionen aufzuhören, wenn das Sowjetreich in seinen alten Grenzen erstrahlt.

Was also kann der Westen tun? Je weniger die russischen Großmachtideen auf echten Widerstand (also jenseits des Missfallens) treffen, umso eher dürften sie sich weiterentwickeln. Im Falle des Baltikums droht sicherlich am wenigsten Gefahr, sind die baltischen Länder doch als Nato-Mitglieder mehr geschützt. Man mag sich allerdings den Verteidigungsfall nicht vorstellen.

Deshalb muss eingegriffen werden, wenn auch auf einer deutlich geringeren Eskalationsstufe, z.B. mit Hilfe von Sanktionen. Dabei kann man im Wesentlichen zwischen Handelssanktionen, Finanzsanktionen und dem Boykott von Großereignissen unterscheiden. Erstere betreffen den Außenhandel zwischen – in unserem Fall – Russland und den sanktionierenden Ländern. Finanzsanktionen bedeuten das Einfrieren von Konten für einzelne Mitglieder der russischen Gesellschaft in Verbindung mit Einreisebeschränkungen. Großereignisse sind vor allem interessant, wenn sie von der russischen Regierung als Medienereignis inszeniert werden sollen.

Die relevante Frage in diesem Zusammenhang ist diejenige nach der Wirksamkeit von Sanktionen. Die empirische Literatur zu diesem Thema zeigt, dass die Mehrheit aller Sanktionen ihre Ziele verfehlt haben.

Allerdings ist eine Differenzierung angebracht. Es hat immer wieder Handelssanktionen gegeben, die in der kurzen Frist wenig bewirkt haben, sondern vielmehr vor allem den Menschen in den betroffenen (sowohl in sanktionierten als auch in sanktionierenden) Ländern geschadet haben. Die Logik ist klar: Wenn Handelsströme unterbunden werden, verlieren viele.

Darunter sind selten die Machthaber im sanktionierten Land. Wenn es diesen gelingt, die Verluste der Menschen als Ergebnis der faschistischen Provokationen aus dem sanktionierenden Land hinzustellen, verfehlt die Sanktion ihre Wirkung vollends. Wenn die Machthaber Diktatoren sind, die sich nur wenig um das Schicksal ihrer Bürger kümmern, verstärkt sich dieser Effekt.

Sanktionen gegen die russische Elite

Soldaten besetzen die Krim
Militärisches Personal, vermutlich russische Streitkräfte, außerhalb ukrainischen Territoriums Quelle: REUTERS
Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow hat von einer Invasion und Besetzung durch russische Soldaten gesprochen. 6000 russische Soldaten befinden sich mittlerweile in der Ukraine. Die Regierung in Moskau hat sich im jüngsten ukrainischen Machtkampf auf die Seite des inzwischen abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch gestellt, der sich gegenwärtig in Russland aufhält. Quelle: REUTERS
Doch stehen die Ukrainer nicht geschlossen gegen die russische Invasion. Auf der Krim gibt es eine bedeutsame pro-russische Bewegung. Das Parlament in Kiew hatte vor kurzen ein Sprachengesetz abgeschafft, das besonders die russische Minderheit - auch auf der Krim - geschützt habe, so Russlands Außenminister Tschurkin. Quelle: REUTERS
Die Ukraine hat die Streitkräfte auf der Halbinsel Krim in Alarmbereitschaft versetzt. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk erklärte aber, sein Land werde sich nicht durch russische Provokationen in einen militärischen Konflikt ziehen lassen. Quelle: AP
Trotz der Militär-Invasion geht das Leben in der Krim aber weiter. Vor einer Lenin-Statue küsste sich heute ein frisch-vermähltes Paar. Quelle: REUTERS
Truppen in nicht gekennzeichneten Uniformen stehen vor einer Behörde in der Kleinstadt Balaklava vor den Toren Sevastopols. Lediglich ein Enblem auf einem der Fahrzeuge zeigt, dass es sich um Mitglieder des russischen Militärs handelt. Quelle: AP
Die Lage auf der Krim ist trotz diplomatischer Bemühungen auch am Sonntagmorgen weiter angespannt. Barack Obama hat in der Nacht eineinhalb Stunden mit Putin telefoniert und zum Truppenabzug aufgefordert. Doch der russische Präsident hält weiter Stellung auf der Krim. Quelle: AP

Abgesehen davon gibt es zahlreiche Beispiele für ein erfolgreiches Umgehen bzw. Unterlaufen der Sanktion. Auch damit werden die Absichten der sanktionierenden Länder unterlaufen, und die Wirksamkeit der Sanktionen reduziert.

Insofern kommen allgemeine Handelssanktionen nicht in Frage. Und in der Tat sind sie nicht auf der westlichen Agenda. Vielmehr sind Finanz- und Einreisesanktionen gegen bestimmte, genau benannte Mitglieder der russischen Elite geplant. Konten sollen eingefroren und Einreise zu den für die russische High Society attraktiven Plätzen unterbunden werden.

Dies klingt zunächst wenig effektiv, wird aber von vielen Beobachtern für zielführend erachtet. Mit Sicherheit wird der Druck innerhalb der Machtelite Russlands steigen, wenn diese ihre Privilegien nicht länger nutzen kann und mit dem Verlust ihres Vermögens rechnen muss. Man kann den Kreis der Betroffenen ja auch sukzessiv ausweiten. Ob dies reicht, die Begehrlichkeiten endgültig zu stoppen, ist offen. Es ist jedoch ein brauchbares Instrument.

Ein weiteres Instrument ist sicherlich der Boykott von Großereignissen. Bereits beschlossen scheint die Abwesenheit der G7 von der Vorbereitungskonferenz zum G8-Gipfel in Moskau im Frühsommer zu sein. Wenn auch der Gipfel boykottiert würde, entzieht man dem russischen Präsidenten die Möglichkeit, sich medienwirksam als Gastgeber und Leitwolf der internationalen Governance-Community darstellen zu können. Da die G8-Gipfel ohnehin kaum eine andere Funktion haben, als die acht Regierungschefs in gutes Licht zu rücken (zu wenig wirklich Bedeutsames hat die Gipfeldiplomatie hervorgebracht), kann dieser Boykott ebenfalls wirksam sein. Damit ist aber auch eine Gefahr beschrieben, denn fällt der G8-Gipfel aus, haben auch die anderen sieben diese gute Möglichkeit der Selbstdarstellung nicht!

In der mittleren bis langen Frist bietet sich an, weitere derartige Foren für die russische Regierung zu schließen, sollte sie ihre aggressive Haltung nicht verändern. Es wurde bereits die Fußball-WM 2018 ins Spiel gebracht. Die Wirksamkeit eines Boykotts durch die EU-Mitgliedsländer und die USA dürfte einigermaßen hoch sein. Wenn man parallel zum Turnier ein Einladungsturnier innerhalb der EU, zu dem natürlich auch die russische und die ukrainische Mannschaft eingeladen werden müssen, austrägt, dürfte sich auch die Aufmerksamkeit der Medien für eine Rumpf-WM in Russland in Grenzen halten, von den ausbleibenden Besucherströmen ganz abgesehen.

Insofern ist durchaus zu erwarten, dass Sanktionen wirksam sind. Es ist allerdings sicherzustellen, dass sie unmittelbar die Eliten treffen und nicht die Bevölkerung. Im Gegenteil, zeitgleich zur Verschärfung des Umgangstons mit den russischen Eliten könnte man weitere Marktöffnung im Außenhandel anbieten. Wenn dies mit der entsprechenden Medienunterstützung geschieht, kann man im Falle einer Ablehnung den Schwarzen Peter nach Moskau schieben und den kurzfristigen Popularitätsschub des russischen Präsidenten zuhause ein wenig bremsen.

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