Wie versprochen hat US-Präsident Donald Trump einen Entwurf zur Steuerreform vorgelegt, in dem die Unternehmenssteuern drastisch gesenkt werden sollen. Auch das Einkommensteuersystem soll vereinfacht werden. Dies ist im Grundsatz vernünftig, da die Steuern für amerikanische Unternehmen in den USA gegenwärtig im internationalen Vergleich recht hoch sind. Wenn es zudem gelingt, Schlupflöcher für Unternehmen zu stopfen, könnte eine solche Reform Vorbildcharakter einnehmen: breite Basis, niedriger Satz. Vielleicht schaut der Bundesfinanzminister mal genauer hin.
Nehmen wir für einen Moment an, dass der amerikanische Präsident die Reform durchsetzt. Wenn es gut läuft, entstehen neue Jobs und neue Unternehmen. Investitionen in den Vereinigten Staaten steigen an, ausländisches Kapital wird angelockt. Der Effekt auf die Steuereinnahmen ist unsicher: Einerseits sinken sie wegen der stark gesunkenen Sätze, andererseits steigen sie wegen der gestiegenen Unternehmensgewinne. Welcher Effekt überwiegt, ist im Vorhinein unklar.
Es gab bereits einige Vorläufer für große Steuerreformen in den USA, sodass man nicht davon ausgehen kann, dies sei die großartigste Steuerreform der amerikanischen Geschichte, wie es der US-Finanzminister am Mittwochabend angedeutet hat. In den Achtzigerjahren gab es unter Präsident Ronald Reagan zwei Steuerreformen, die erheblich zu einem Defizit im Staatshaushalt und einem Defizit in der Leistungsbilanz (das sogenannte Twin Deficit) beigetragen hat. Allerdings hatte Reagan zeitgleich die Staatsausgaben für Rüstungszwecke erhöht. Präsident Trump will die Infrastruktur erneuern und die Mauer nach Mexiko deutlich verstärken. Hier liegen also durchaus Parallelen.
Die Wahlversprechen Donald Trumps
- Schaffung von 25 Millionen Jobs in der ersten Amtszeit
- Bau einer Mauer auf der kompletten Grenze zu Mexiko, für die Mexiko bezahlt
- Abschiebung von zwei Millionen illegalen Immigranten
- „Extreme Überprüfung“ aller Einreisenden
- Einstellung von Visa an Angehörige von Staaten, die „kriminelle illegale Einwanderer“ nicht „zurücknehmen“
- Verschärfung der Visa-Regeln
- Die Gesundheitsversicherung Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden
- Das Handelsabkommen Nafta soll neu verhandelt werden
- Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP
- Auswahl eines Richters von einer Vorschlagsliste mit 20 Namen
- Für jede neue Regulierung sollen zwei alte abgeschafft werden
- Reduzierung der Steuerklassen von sieben auf drei
- Runterfahren der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent
- Aufhebung der „Begrenzungen“ für Jobs in der Energiebranche
- Wiederbelebung gestoppter Energie-Infrastrukturprojekte wie der Keystone-Pipeline
- Einstellung der Zahlungen an UN-Klimaprogramme
- Strafzölle für Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen
- Ausweitung des Militäretats
- Die US-Wirtschaft soll um vier Prozent wachsen
Insofern ist zu erwarten, dass die geplante Steuerreform – zumindest in den ersten Jahren – das Defizit im amerikanischen Staatshaushalt auf Bundesebene erhöhen wird. Außerdem ist wegen der potentiellen Kapitalzuflüsse in die USA eine weitere Passivierung der Leistungsbilanz nicht ausgeschlossen. Beides birgt ein hohes internationales Konfliktpotential und führt uns so zu den Zöllen.
Denn weitere Staatsverschuldung wird angesichts des erreichten Schuldenstandes der US-Bundesebene von knapp 20 Billionen US-Dollar, das sind rund 61.500 US-Dollar pro Bürger, nur schwer begründbar und politisch schwer durchsetzbar sein. Ein Ausweg könnte die Erhöhung von Zöllen auf importierte Produkte sein. Aber auch diesem Weg sind Grenzen durch die Welthandelsordnung gesetzt. Denn Zollerhöhungen über die gebundenen Zollsätze hinaus würden zu Anklagen der USA durch betroffene Länder bei der Welthandelsorganisation (WTO) führen. Zwar kann die WTO Schiedssprüche gegen die USA kaum durchsetzen, aber es kann nicht im langfristigen Interesse der USA liegen, als notorischer Regelbrecher die globale handelspolitische Disziplin zu untergraben.
Weder rechtlich noch intellektuell begründbar
Noch dramatischer wird die Konfliktlinie, wenn man an die Auswirkungen einer Steuerreform auf die amerikanische Zahlungsbilanz denkt. Denn wenn es wirklich gelingt, ausländisches Kapital anzuziehen, das zu neuer Beschäftigung in den Vereinigten Staaten führt, beziehungsweise Kapitalexporte amerikanischer Investoren zu vermeiden (weil diese jetzt in den USA investieren), bewirkt dies einen Nettokapitalzufluss. Dieser wird – unter sonst gleichbleibenden Bedingungen – zu einer Aufwertung des US-Dollars führen.
Ein teurer gewordener Dollar bewirkt eine Importsteigerung und eine Exportsenkung. Also droht eine weitere Passivierung der Leistungsbilanz und der Handelsbilanz der USA, hier als Ergebnis beschäftigungsfreundlicher Steuerpolitik. Man kann es auch positiv ausdrücken: Die amerikanischen Terms of Trade verbessern sich, das heißt für dieselbe Menge Exportgut (wie zuvor) bekommen die Amerikaner nun eine höhere Menge Importgut (als zuvor).
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Darüber sollte man im Grunde froh sein als US-Präsident. Der amtierende Präsident scheint dies anders zu sehen beziehungsweise sich in der merkantilistischen Falle zu befinden und den Zusammenhang von Leistungs- und Kapitalbilanz nicht zu verstehen. Dies zumindest lassen seine bisherigen Äußerungen zum US-Handelsbilanzdefizit erkennen. So wäre es nicht verwunderlich, wenn eine weitere Passivierung der US-Leistungsbilanz als Folge der Steuerreform im Weißen Haus gar nicht der Steuerreform zugeschrieben würde, sondern als ein singuläres Ergebnis einer Verschwörung anderswo (je nachdem, welches Land dann seine bilaterale Handelsbilanz zu den USA weiter aktivieren könnte) betrachtet würde. Dann drohte der gegenwärtigen Logik des Präsidenten zufolge eine weitere Zollerhöhung gegen ebendieses Land.
Man erkennt sofort, dass eine solche Zollerhöhung weder rechtlich noch intellektuell begründbar wäre. Ob dies den US-Präsidenten davon abhielte, sie zu fordern und gegebenenfalls durchzusetzen, ist offen und kann wohl bezweifelt werden. Insofern wären die Vertreter anderer Länder und internationaler Organisationen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) gut beraten, auf diese Zusammenhänge früh und vor allem deutlich hinzuweisen.