Freytags-Frage

Wer regiert die Welt?

In Davos treffen sich die Entscheider aus aller Welt und besprechen die drängendsten Probleme. Aber was kann das World Economic Forum wirklich bringen?

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Spitzentreffen im Goldenen Ei
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos will angesichts der neuen globalen Unsicherheiten vor allem zur Bildung von Vertrauen beitragen. Die Welt stehe vor der Entscheidung zwischen einem Schulterschluss oder einem Auseinanderdriften, warnte der Initiator der Eliterunde, Klaus Schwab. Quelle: REUTERS
Der aus Ravensburg stammende Ökonomie-Professor Klaus Schwab hat das als Nonprofit-Unternehmen angelegte WEF einst gegründet. Der heute 75-Jährige will die unabhängige Stiftung nach eigenem Bekunden noch mindestens bis zum 50. Weltwirtschaftsforum im Jahr 2020 leiten. Quelle: dpa
Dem Forum gehören mehr als 1000 Unternehmen an – darunter 122 der weltweit größten als sogenannte strategische Partner. Erklärtes Ziel des World Economic Forum ist es, „den Zustand der Welt zu verbessern“. Quelle: REUTERS
Für dieses Jahr hat sich eine Rekordzahl von mehr als 2500 Topmanagern, Spitzenpolitikern und Wissenschaftlern aus gut 140 Ländern angesagt. Auch für sie gibt es diese neuen Hinweistafeln. Quelle: AP
Zwischen den Vorträgen und Diskussionsrunden lohnt ein Abstecher mit der Bahn auf das Weissfluhjoch. Russlands Ministerpräsident Dmitri  Medwedew ließ sich bei einem früheren Treffen schon beim Skifahren ablichten. Quelle: AP
Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs werden in diesen Tagen in Davos erwartet. Die Sicherheitsvorkehrungen sind entsprechend hoch. Quelle: AP
Mit Fernglas und Schusswaffe ist dieser Polizist auf einem Dach postiert. Wie viele Polizisten insgesamt das Forum überwachen, bleibt ein Geheimnis. Im Einsatz sind außer ihnen rund 3000 Soldaten. Eurofighter sichern während des Forums den Luftraum. Quelle: REUTERS

In Davos tagt wieder einmal das World Economic Forum (WEF). Etwa 2500 der weltweit wichtigsten Entscheider treffen sich, um das Schicksal der Welt zu besprechen und ein wenig Ski zu laufen. Seit den frühen Siebzigerjahren findet diese Veranstaltung statt, meist mit viel Medienrummel verbunden.

Aber kann es überhaupt so etwas wie ein globales Spitzentreffen geben, auf dem bindende Entscheidungen für die ganze Welt gefällt oder wenigstens vorgedacht werden? Kommt mehr heraus als heiße Luft, wenn sich Präsidenten und Unternehmer, Rockstars und Nobelpreisträger treffen, um die Krisen zu analysieren und zur Lösung beizutragen versuchen?

Die wichtigsten WEF-Termine 2015

Immerhin diskutieren die Teilnehmer seit Jahren die französische Wirtschaftskrise und verlangen Strukturreformen, ohne dass dies in Paris überhaupt nur wahrgenommen zu werden scheint. Die französische Regierung schafft es nicht, sich gegen die organisierten Interessen, die vom Status Quo profitieren, durchzusetzen; man hat noch nicht einmal den Eindruck, dass sie es ernsthaft versucht. Die Diskussionen in Davos helfen da offenbar auch nicht weiter.

Große Pluspunkte

Selbstverständlich kann eine derart große und konsequent mit Eitelkeiten spielende Veranstaltung keinen Durchbruch in irgendeiner Krise bringen; es gibt ja noch nicht einmal ein Forums-Kommuniqué mit gemeinsamen Zielsetzungen. Auch ist das Forum zu groß und hell, um echte und entscheidend Hinterzimmer-Gespräche zu erlauben, ohne dass diese irgendwann doch bekannt würden (obwohl man vermuten darf, dass es gelegentliche geheime Treffen gibt).

Also: lieber Ski laufen und die Reporter nach Hause schicken?

Man würde dem World Economic Forum Unrecht tun, wenn man es dabei belassen würde. Immerhin hilft ein solches großes Treffen zunächst einmal dabei, sich kennenzulernen und Vertrauen zu schaffen. Es ist eben doch kein Staatsbesuch mit Protokoll, wenn sich Herr Hollande mit Frau Merkel trifft; es ist auch keine offizielle Beratung mit Procurement-Regeln, wenn Frau Lagarde mit Wissenschaftlern kommuniziert und diskutiert. Die Regelmäßigkeit der Veranstaltung schafft Vertrauen, dies ist der erste große Pluspunkt.

Ein Ideengeber

Zweitens – und dies ist sicherlich ebenso wichtig – ist das WEF ein Ideengeber. Es finanziert etwa 80 Kommissionen mit (nebenamtlichen) Experten, die regelmäßig zu einzelnen Fragen (zum Beispiel Außenhandel, Entwicklung, Urbanisierung) zusammenarbeiten und zum Teil sehr lesenswerte Beiträge zu aktuellen Themen verfassen. Das kann man zu Recht als meinungsbildend bezeichnen. Hier bietet das WEF den zweiten Pluspunkt, den man von der realen Bedeutung her durchaus noch über den ersten setzen kann.

Die spektakulärsten WEF-Gäste 2015

Daran knüpft sich der dritte Pluspunkt an. Diese Ergebnisse der Arbeit in den Kommissionen fließen in die Agenda der Davoser Treffen ein. Auf der Website finden sich die aus Sicht des WEFs zehn wichtigsten Themen der Gegenwart und die damit verbundene Agenda des diesjährigen Treffens. Das WEF kann so Debatten stimulieren.

Diese Themen auf der Agenda 2015 sind allerdings so allgemein, dass sie beinahe wieder beliebig wirken. Beispielhaft seien, Ungleichverteilung, Arbeitslosigkeit, mangelnde Führungsqualitäten, der Klimawandel und Schwächung der Demokratie genannt. Diese Probleme bewegen nahezu jeden, und sie tun dies schon seit Jahrzehnten, mal mehr, mal weniger.

Insofern ist die Wirksamkeit des WEF begrenzt: Es hat keine Macht, und seine Themen sind die Themen der Zeit ohne ein spezifisch eigenes Profil. Hier könnte durchaus eine Zuspitzung erfolgen, damit das konzept in der Zukunft weiterhin attraktiv leibt.

Eine französische Reformoffensive?

Die Frage, wer die Welt regiert, beziehungsweise wo die Entscheidungen gefällt werden kann, bleibt offen. Angesichts der Komplexität der globalen Beziehungen verbietet sich wohl ein naiver Optimismus dergestalt, dass man nur die mächtigsten, klügsten und schönsten Menschen gemeinsam in ein Kongresszentrum oder auf eine Skipiste einladen muss, um die Probleme der Welt zu lösen; das war aber auch nie die Sicht der Veranstalter.

Gleichzeitig kann allen Kritikern und Protestlern in Davos gesagt werden, dass dieser Befund auch irgendwelchen Verschwörungstheorien über die Ausbeutung der Welt durch einige wenige – zum Beispiel die Büttel des globalen Kapitals – die Grundlage nimmt.

Politische Entscheidungen sind fast immer Kompromisse, die weder reinen Lehrbuchlösungen folgen noch auf simplen Verschwörungen beruhen. Interessen spielen immer eine Rolle, aber keineswegs immer dieselben. Die politische Dynamik darf nicht unterschätzt werden; das gibt selbst für Frankreich noch ein wenig Hoffnung. Vielleicht wird ja in Davos in diesem Jahr eine französische Reformoffensive vorbereitet!

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