Freytags-Frage
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat eine schwierige Amtszeit vor sich. Quelle: imago images

Wie geht es weiter in Südafrika?

Südafrika hat seinen Präsidenten Cyril Ramaphosa im Amt bestätigt. Er muss nun versuchen, das Land zu befrieden, das durch fast zehn Jahre Korruption und Stillstand unter Jacob Zuma schwer gebeutelt ist.

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Am Mittwoch dieser Woche ist in Südafrika ein neues Parlament gewählt worden. Die Wahl war mit großer Spannung erwartet worden, muss der nun bestätigte Präsident Cyril Ramaphosa doch ein Land befrieden, das nach der langen Regierungszeit von Jacob Zuma, der trotz etlicher aktenkundiger Korruptionsfälle erst im Frühjahr 2018 durch ebendiesen Cyril Ramaphosa abgelöst wurde, in einem sehr kritischen Zustand ist.

Dabei ist das Wahlergebnis durchaus als Warnung für die Regierung zu verstehen. Zum dritten Mal in Folge verliert der African National Congress (ANC) bei der nationalen Parlamentswahl. Am Donnerstagnachmittag lag das Wahlergebnis für den ANC bei etwa 56 Prozent der Stimmen. Die größte Oppositionspartei, die Democratic Alliance (DA) wiederum gewann zu dritten Mal in Folge hinzu und steht bei etwa 24 Prozent der Stimmen; sie hat bei den gleichzeitig stattfindenden Provinzwahlen die Regierung im Western Cape halten können (wie der ANC in den anderen acht Provinzen).

Dritte Kraft ist die linksextreme Partei der Economic Freedom Fighters (EFF) bei rund 9 Prozent, deren Parteichef Julius Malema immer wieder unverhohlen weißen Landwirten mit Mord droht. Es zeichnet sich damit ab, dass ANC und EFF zusammen eine verfassungsändernde Mehrheit von zwei Dritteln der Parlamentssitze bilden könnten. Dies könnte noch wichtig für die Stabilität des Landes werden.

Wo steht Südafrika heute?

In seiner neunjährigen Amtszeit hat Zuma einen neuen Tiefstand an Moral und Kompetenz in der südafrikanischen Politik etabliert. Er hat mit seinen Getreuen aus dem African National Congress und einigen skrupellosen Geschäftsleuten das Land systematisch ausgebeutet, das Ausmaß an Korruption auf neue Höchststände gebracht und die wirtschaftliche Entwicklung enorm gebremst. Das Pro-Kopf-Einkommen hat in seiner Amtszeit nahezu stagniert.

Gerade letzteres hat den Boden bereitet für ein hohes Maß an Unzufriedenheit unter der Bevölkerung, vor allem unter den jungen und schlecht ausgebildeten ärmsten Bewohnern der Townships, die die Apartheid-Zeit nicht selbst erlebt haben. Diesen Menschen konnte Zuma einreden, ihre Probleme hätten ihre Ursachen ausschließlich in der Politik zur Zeit der Apartheid. Auf diese Weise hat er einem aggressiven neuen – dieses Mal linken – Rassismus den Boden bereitet. Als Konsequenz dieses recht populistischen Auftretens hat das Parlament die kompensationslose Enteignung von Land (eine entsprechende Verfassungsänderung ist noch nicht umgesetzt) und beschäftigungsunfreundliche, aber symbolstarke Arbeitsmarktregulierung beschlossen.

Es steht unzweifelhaft fest, dass sich seit der Wahl Nelson Mandelas zum ersten Präsidenten der neuen Republik Südafrika sehr viel zum Besseren gewandelt hat. Es gibt eine starke und wachsende nicht-weiße Mittelschicht, der Rassismus ist in vielen Bereichen überwunden, die Hochschulbildung steht Menschen aller Hautfarben offen. Die Presse ist frei und scharf, die Justiz hat sich in den Zuma-Jahren die Unabhängigkeit und Kompetenz weitgehend bewahrt, Zentralbank und Finanzministerium sind Zentren der Stabilität und Rationalität. Das Land löst in vielerlei Hinsicht seinen Anspruch als Regenbogennation ein.

Dennoch muss man feststellen, dass der ANC in anderer Hinsicht nicht geliefert hat.

Obwohl das Land sehr viel für Bildung aufbringt – etwa 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gibt die öffentliche Hand dafür aus – sind die Bildungserfolge bescheiden. In allen internationalen Vergleichen zu Schreib-, Lese- und Rechenkompetenz liegt das Land im unteren Viertel; in knapp 50 Prozent aller Schulen erreicht kein einziger Schüler die internationalen Mindeststandards für Mathematik. Eine Ursache ist die Macht der Lehrergewerkschaft, an der vorbei inkompetente und korrupte Lehrer nicht entlassen werden können. Wer es sich leisten kann, schickt die eigenen Kinder auf Privatschulen.

Die Arbeitslosigkeit ist seit dem Ende der Apartheid konstant hoch, was natürlich auch am rasanten Bevölkerungswachstum und den mangelnden Bildungserfolgen liegt. Der ANC hat von Beginn an versucht, die schwarze Bevölkerungsmehrheit am ökonomischen Erfolg zu beteiligen, zum Beispiel mit dem sogenannten Broad-Based Black Economic Empowerment (BBBEE). Leider hat diese Politik nicht viel gebracht – außer der Versorgung von ANC-Kadern mit lukrativen Posten in staatlichen Unternehmen und deren Beteiligung an ausländischen Direktinvestitionen (zumeist über korrupte Geschäfte). Bei der breiten Masse ist das Projekt nicht angekommen. Arbeitsmarktpolitik diente oft nur den Arbeitsplatzbesitzern (Insidern) und kümmerte sich nicht um die Arbeitslosen (Outsider). Eine Ausnahme bildet der öffentliche Dienst; dort ist die Beschäftigung gestiegen. Leider sind die Arbeitsplätze nicht sehr produktiv.

Nicht nur deshalb ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte seit Jahren sehr hoch und sogar wachsend; und dies trotz eines sehr rationalen und stabilitätsorientierten Finanzministeriums. Es konnte immerhin verhindern, dass Präsident Zuma die Staatskasse mit einem für das Land überaus nachteiligen Vertrag zum Kauf russischer Atomkraftwerke noch weiter ausplünderte. Insbesondere der staatliche Stromhersteller ESKOM mit seinem Schuldenberg belastet die Staatskasse stark.

All dies hat sicherlich mit dem Ausmaß an Korruption zu tun, das zwar unter Zuma noch einmal dramatisch angestiegen ist, aber vorher schon deutlich war. In der Tat ist der ANC bereits in der Zeit im Exil korrumpiert worden; allein zur Finanzierung der Organisation war ein illegaler Handel mit gestohlenen Autos und Drogen notwendig. Dieses Problem hat sich im Trend eher verschärft. Die beiden Politikwissenschaftler Prince Mashele und Mzukizi Qobo sind in ihrem Buch „The Fall of the ANC: What Next?“ zu dem Schluss gelangt, dass sich eine durch und durch korrupte Partei nur sehr schwer erneuern kann.

Venezuelas Machthaber machen imperialistische Mächte für die Krise des einst reichen Landes verantwortlich. Auch hiesige Linke wollen nicht wahrhaben: Die Misere ist charakteristisch für sozialistische Regime.
von Andreas Freytag

Somit steht der neue Präsident vor großen Herausforderungen. Er muss innerhalb des ANC aufräumen und Korruption massiv bekämpfen – und das gegen den Widerstand der bisherigen Profiteure des Systems Zuma, die zum Teil noch in einflussreichen Positionen innerhalb der Partei sitzen (so ist der sechsköpfige ANC-Vorstand je zur Hälfte mit Anhängern Zumas und Ramaphosas besetzt). Er muss das Problem der angedrohten kompensationslosen Enteignung, das vor allem im Ausland Aufregung erzeugt, lösen. Die Botschafter einiger westlicher Länder haben darauf bereits offiziell hingewiesen. Das Bildungsproblem drängt, die Beschäftigungssituation muss verbessert werden, dazu bedarf es einer gesteigerten Wachstumsrate.

Mit Sicherheit wird der ANC in der kommenden Legislaturperiode vor manche Zerreißprobe gestellt. Dies ist keine Überraschung, denn der ANC war eine politische Bewegung nahezu aller schwarzen Bürger Südafrikas. Dass diese nicht geschlossen eine einheitliche politische Position einnehmen, dürfte klar sein. Während viele aus dem Zuma-Lager eher extrem links stehen, ist das Ramaphosa-Lager eher als traditionell sozialdemokratisch einzuordnen.

Sogar eine Spaltung der Partei schient nicht ausgeschlossen zu sein. Dann wäre Ramaphosa – vorausgesetzt, er würde diese Spaltung politisch überstehen – auf die Zusammenarbeit mit der Democratic Alliance als eher liberale, früher rein weiße, heute aber zunehmend bunte Kraft angewiesen sein. Wenn Ramaphosa aber scheitert und die Zuma-Anhänger mit der EFF die Regierung übernehmen, muss man hingegen das Schlimmste für Südafrika fürchten. Die Geschichte Simbabwes muss in diesem Zusammenhang als Mahnung dienen.

Soweit ist es noch nicht. Erst einmal muss der frisch wiedergewählte Präsident alles unternehmen, um sein Land wieder auf Kurs zu bringen. Das Potential und die Ideen dafür hat er auf jeden Fall. Man kann ihm nur ein gutes Händchen und das nötige Glück wünschen.

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