Freytags-Frage
Quelle: dpa

Wie steht es um die transatlantischen Beziehungen?

Die Stimmung ist auf beiden Seiten des Atlantiks besser als vor der Trump-Ära – viele gemeinsame Interessen tragen dazu bei. Bei welchen Themen EU und USA gerade besonders viele Übereinstimmungen finden.

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Die transatlantischen Beziehungen, die unter Donald Trump auf einem Tiefpunkt zu sein schienen, haben sich seit Beginn der Präsidentschaft von Joe Biden in den Vereinigten Staaten (USA) deutlich verbessert. Galt dies zunächst nur für den Umgangston, so hat sich doch spätestens seit dem Überall Russlands auf die Ukraine auch die Substanz des US-europäischen Verhältnisses verbessert.

Fairerweise muss man zugeben, dass die transatlantischen Beziehungen auch unter Trump weiterlebten. Denn für sehr viele Menschen und Unternehmen stand immer sehr viel auf dem Spiel. Selbst als die Trump-Administration die handelspolitischen Muskeln spielen ließ, indem sie Strafzölle (wofür eigentlich?) auf europäischen Stahl oder Aluminium aus Europa erhob und die Europäer entsprechend reagierten, blieb der Außenhandel lebendig und sind persönliche Kontakte nie abgebrochen. Im Sommer 2017 beschrieb es der ehemalige Präsident des American Insitute for Contemporary German Studies, Jackson Janes in einem Vortrag in Jena so: „What is needed, is Kanalarbeit!“ Und Kanalarbeit fand statt.

Heute ist die Stimmung wieder besser, und es ist klar, dass es sehr viele gemeinsame Interessen auf beiden Seiten des Atlantiks gibt. Beide Seiten wollen die multilaterale, westlich geprägte Ordnung am Leben erhalten und wenn möglich stärken. Dies schließt freien Außenhandel und geostrategische Initiativen in Afrika oder Asien genauso ein wie die langfristige Durchsetzung der Menschen und Bürgerrechte in möglichst vielen Ländern. Dabei gilt es zunehmend zu beachten, dass eine Koalition autoritärer Staaten diese westliche Ordnung nicht präferiert und sie – durchaus auch von innen, wie es die chinesische Regierung mit der Welthandelsordnung praktiziert – schwächen wollen.

Diese Ordnung hat viele Facetten. Sie ist in erster Linie eine Friedensordnung, in der gegenseitige Abhängigkeiten über Außenhandels- und Investitionsbeziehungen dazu beitragen, ökonomische und politische Kosten von Konflikten hochzutreiben. Dies ist in der Europäischen Union (EU) sehr gut gelungen, erfordert aber bei Regierungen ein Minimum an gutem Willen und Interesse am Wohlergehen der eigenen Bevölkerung – etwas, das der russischen Regierung abgeht und die chinesische Führung vom Überleben der Einparteienregierung abhängig gemacht hat.

Putin hat sich in der Nato getäuscht

Wichtige Elemente dieser Friedensordnung sind die Vereinten Nationen (UN), die Welthandelsorganisation (WTO), die sogenannten Bretton-Woods-Organisationen, also die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IMF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit sie ihre Funktionen weiterhin erfüllen, braucht es die Koalition der Willigen – dies sind im Grunde alle OECD-Staaten, aber unter der politischen und intellektuellen Führung der USA, der EU und Japan zusammen mit ihren G7-Partnern.

Wo der Frieden bedroht ist, wird die Nato (North Atlantic Traty Organization) aktiv. Der russische Präsident nahm vermutlich im Februar an, dass die Nato nicht mehr funktionsfähig ist, nachdem entsprechende Äußerungen der Präsidenten Macron und Trump diesen Eindruck vermittelt hatten. Er sah sich getäuscht. Die Nato lebt und zeigt eine hohe Widerstandskraft. Mit hohen Ausgaben wird der ukrainische Verteidigungskampf unterstützt. Selbst die Bundeswehr erhält wieder mehr Aufmerksamkeit in Deutschland, gerade wurde beschlossen, 35 amerikanische Kampfjets des Typs F35 zu erwerben. Also auch in diesem Feld diktiert das gemeinsame Interesse das transatlantische Verhältnis.

Ein weiteres gemeinsames Interesse, das auch die autoritären Staaten teilen sollten, ist die Eindämmung des Klimawandels. Dazu bedarf es nicht – wie in weiten Kreisen immer wieder kolportiert – eine Vielzahl von Verboten und ein autoritärer Staat, sondern eine funktionierende Marktwirtschaft mit vielen Schumpeterschen Unternehmern, die für technologische Lösungen sorgen, die den Klimaschutz fördern, ohne die Menschen in Armut zu treiben. Hier besteht sowohl großes Konfliktpotential über den Atlantik als auch viele gemeinsame Interessen.

Beide Seiten sind daran interessiert, ihre eigene Industrie dabei zu unterstützen, ohne Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit den Wandel von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien zu meistern. Dies kann nur mithilfe von massiven Investitionen – erstens in die Erforschung der Erneuerbaren und zweitens in die Nutzung dieser Technologien – erreicht werden. Hier setzt der Konflikt ein, wenn eine Seite – in diesem Fall die USA – mit dem milliardenschweren sogenannten Inflation Reduction Act großzügige Subventionen für ihre Wirtschaft in Aussicht stellt. Die EU will reagieren, insbesondere die französische Regierung und die Europäische Kommission fordern ebenfalls ein Subventionsprogramm. Dies könnte zu einem Handelskrieg führen, an dem beide Seite kein Interesse haben. Nicht zuletzt deswegen verhandeln die Europäer gerade mit der US-Administration über Wege, auch europäische Unternehmen an dem Programm teilhaben zu lassen.

Auf europäischer Seite sorgt die geplante Abgabe für Importe, die nicht nach europäischen Klimaschutzmaßstäben produziert werden, international für Verstimmung. Dieser sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) kann andere Länder dazu zwingen, Klimapolitik zu verschärfen, wenn die EU als Markt attraktiv genug ist; er kann aber auch zu einem Handelskonflikt führen, da keineswegs gesichert ist, dass der CBAM überall als WTO-kompatibel angesehen wird. Kaum beachtet hat die Bundesregierung in dieser Woche die Gründung eines Klimaclubs im Rahmen der G7 vermeldet, ein Vorhaben, das sie in den G7-Gipfelbeschluss eingebracht hat und mit dessen Realisierung nun also begonnen wird. Bei einem Klimaclub gehrt es darum, die Klimapolitik zu harmonisieren und gegenüber Drittstaaten einen solchen Ausgleichsmechanismus wie CBAM einzuführen. Wenn die OECD-Mitglieder hier an einem Strang ziehen, kann der Klimaclub schnell wachsen, weil andere Länder nur so die Möglichkeit sehen, weiterhin in diese Märkte zu exportieren.

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All dies spricht nicht für eine Vergiftung der transatlantischen Beziehungen, wie sie Präsident Trump und natürlich die Regierungen in Peking und Moskau bevorzugen. Ganz im Gegenteil, basierend auf robusten eigenen Interessen scheinen es die USA und die EU beziehungsweise ihre Mitglieder zu schaffen, ihre Beziehungen schrittweise zu verbessern, weil ihnen immer deutlicher wird, wie übereinstimmend ihre Interessen im Grunde sind.

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