Front National Die Entzauberung von Marine Le Pen

Die Parteichefin der Front National bereitet sich in aller Stille auf die französische Präsidentschaftswahl 2017 vor. Schon im Sommer startet der Wahlkampf. Doch eine neue politische Bewegung könnte ihr gefährlich werden.

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Die Parteichefin der rechtsradikalen Front National wird am 1. Mai eine Rede halten. Im vergangenen Jahr hat sie eine Niederlage bei den Regionalwahlen erlitten. Quelle: AP

Paris Lange Jahre war es ein Markenzeichen der französischen Rechtsextremen: Jeweils am 1. Mai trafen sie sich zu einer Kundgebung in der Nähe der vergoldeten Statue der Jungfrau von Orléans. Mitten in Paris wollten sie damit ihren Anspruch unterstreichen, für das authentische, historische Frankreich zu stehen.

In diesem Jahr weicht Marine Le Pen, die Chefin der rechtsradikalen Front National (FN), erstmals an den Stadtrand aus: Mit 2.000 bis 3.000 Getreuen will sie in einer Halle an der Porte de la Villette feiern. Der Umzug hat einen schnöden Hintergrund: Die rechte Front National braucht Geld. In der Halle kann sie ihren Mitgliedern und Sympathisanten Eintrittsgeld abknöpfen. 15 Euro müssen sie bezahlen, um sich die Tiraden von Marine anzuhören.

Die hat sich in den vergangenen Monaten etwas zurück genommen. Lange Zeit ist sie Dauergast in Fernseh- und Radiosendungen gewesen. Doch nach den Regionalwahlen des vergangenen Jahres, die für die FN enttäuschend endeten – statt zwei bis fünf Regionen, wie erhofft, eroberten sie keine – hat die Propagandamaschine der Rechtsradikalen umgeschaltet.

Die Dauerbeschallung durch die Chefin wurde eingestellt. Sie nahm sich in der Öffentlichkeit zurück, um sich auf den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl vorzubereiten. Die Abstimmung ist erst im Mai 2017, aber Marine will bereits im Sommer dieses Jahres mit der Kampagne loslegen.

In einem mehrseitigen Artikel im konservativen „Le Figaro“, der sich wie eine Werbebeilage der FN las, wurden Parteivertreter wie der Generalsekretär Nicolas Bay mit markigen Sprüchen zitiert: „Unsere Truppen stehen zum Kampf bereit.“ Man setze nicht auf Platz, sondern auf Sieg. Und die einst große Zeitung entblödete sich nicht, ihren Lesern platteste FN-Propaganda als Ergebnis harter Recherche zu verkaufen: „Marine glaubt wirklich daran, dass sie eine gute Chance hat, 2017 zu gewinnen.“

Von der Front-National-Spitze äußerten sich sonst in den vergangenen Wochen nur noch Marines Stellvertreter Florian Philippot und die Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Inhaltliche Schwerpunkte der kommenden Wahlkampagne ließen sie dabei noch nicht erkennen. Die beiden freuten sich über den Erfolg des Anti-Ukraine-Referendums in den Niederlanden, feierten das Wahlergebnis der Rechtsextremen in Österreich und schossen die üblichen Salven gegen Präsident François Hollande ab.

Orientierung in Strategiefragen können sie schon deshalb nicht geben, weil sie für sehr unterschiedliche Linien innerhalb der FN stehen: Philippot versucht, eine Nähe zum Gaullismus zu konstruieren, setzt auf einen starken Staat in der Wirtschaft und den Ausstieg aus dem Euro. Er hat aber Marine Le Pen dazu bewegt, sich in gesellschaftspolitischen Fragen wie der Homosexuellen-Ehe oder der Abtreibung neutral zu verhalten.

Marion Maréchal-Le Pen dagegen ist eine harte Rechtsradikale ganz nach dem Muster ihres Opas Jean-Marie Le Pen. Sie hetzt gegen Ausländer, will die Mittel für Familienplanung kürzen und plädiert für eine Wirtschaftspolitik, die extremen Protektionismus mit internem Liberalismus verbindet: Jede Konkurrenz von außen soll der Staat unterbinden, soll sich aber in Frankreich aus der Wirtschaft heraushalten.


Ein neuer Stern am politischen Himmel

Den zeitweiligen Verzicht auf öffentliche Präsenz hat Le Pen auch für Reisen genutzt, unter anderem nach Kanada. Das wurde zu einem Fiasko: Im frankophonen Landesteil Québec wollte sich niemand mit ihr treffen, sie wurde fast ausgewiesen. Auch die britischen Anti-Europäer wollen nichts von Marine Le Pen wissen: Vorsichtige Versuche der FN, mit den Brexit-Befürwortern Kontakt aufzunehmen, wurden barsch abgewiesen. Die Briten, die aus der EU ausscheiden wollen, sehen die Front National als Gefahr für ihr Kampagne an.

Auch innerparteilich läuft es nicht gut für Marine. Auf einer Strategietagung wollte Marine die Gegensätze zwischen dem Philippot- und dem Marion-Flügel beseitigen, doch das klappte nicht. Obwohl die FN weiß, dass ihr strikter Anti-Euro-Kurs sie daran hindert, mehr konservative Wähler zu gewinnen, will die Partei davon nicht Abstand nehmen.

Wahltaktisch gesehen ist das nicht besonders klug: Die Franzosen hängen am Euro, und es ist völlig illusorisch zu erwarten, mit einer Anti-Euro-Rhetorik die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Marines Rede am 1.Mai wird insofern interessant, als man sehen wird, ob sie sich anders, gemäßigter geben wird und ob sie neue Themen setzt.

Doch sehr groß ist das Interesse in Frankreich nicht. Das liegt auch daran, dass ein neuer Stern am politischen Himmel aufgegangen ist: Der junge Wirtschaftsminister Emmanuel Macron mit seiner Bewegung „En marche!“ Zunehmend wird erwartet, dass er sich von Hollande völlig abnabeln und 2017 kandidieren wird. Die Hoffnung, dass ein für Modernität stehender Politiker, der die sterile Konfrontation von Links und Rechts überwinden will, sich zur Wahl stellen könnte, lässt das Interesse an Le Pen plötzlich schwinden.

Kurioserweise nähert Macron sich der Jungfrau, die Le Pen verlässt. Es wäre völlig übertrieben, darin ein Symbol zu sehen, doch ist es nicht uninteressant: Macron wurde vom Bürgermeister der Konservativen eingeladen, am 8. Mai die Feierlichkeiten zu Ehren von Jeanne d’Arc zu leiten. Und er hat angenommen.

„Wir haben zu lange erlaubt, dass diese historische Figur von den Rechtsextremen in Beschlag genommen wurde“, begründete er seine überraschende Entscheidung. Macrons Auftritt in Orléans, der Stadt, deren Belagerung durch die Engländer Jeanne d’Arc im Mai 1429 beendete, erwarten die Franzosen nun mit größerer Neugier als Marine Le Pens Auftritt in einer Halle neben der Stadtautobahn.

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