Fußball-WM Seltsame Entscheidung für Katar

Das schwerreiche Wüstenemirat Katar wird Austragungsort der Weltmeisterschaft 2022. Eine Entscheidung ganz im Sinn von FIFA-Präsident Sepp Blatter. In seiner doppelten Eigenschaft als Nahostexperte und Fußballfan schreibt ihm WirtschaftsWoche-Redakteur Hans Jakob Ginsburg.

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FIFA Präsident Sepp Blatter Quelle: REUTERS

Sehr geehrter Herr Blatter,Respekt! Mit der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2018 und 2022 hat der von Ihnen so souverän gesteuerte Weltverband Fifa eine Glanzleistung geliefert, die einem Fußballfan wie mir das Herz wärmen sollte. Keine hasenfüßigen Entschuldigungen oder gar Aufklärungsversuche nach den Enthüllungen über Korruption an der Spitze Ihres Verbandes. Nein: Gar nicht ignorieren – und einfach so entscheiden, als wären Ihre Kollegen im Fifa-Präsidium wirklich von undurchsichtigen Potentaten geschmiert. Das ist überzeugend!Also Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Das kann schön werden im Moskauer und Petersburger Sommer, das haben die russischen Fußballer und ihr Publikum verdient, und dass auch Wladimir Putin sich jetzt freut, lässt sich verschmerzen. Sie waren ja schon 1978 FIFA-Spitzenfunktionär, als die WM im Schreckensreich der argentinischen Militärdiktatoren stattfand. Das war viel schlimmer. Immerhin war das aber ein Land mit tollen Fußballern, schönen Stadien und netten Fans, und am Ende auch ein verdienter Weltmeister.All das lässt sich vom Emirat Katar nicht sagen. Gewiss, es gibt viel, viel schlimmere Regime auf Erden als das erdgasreiche Scheichtum – aber was hat die Wüstenhalbinsel Katar, halb so groß wie Hessen, eine Million Einwohner, mit Fußball zu tun? Glücklicherweise sehr wenig: Bei einer durchschnittlichen Mittagstemperatur von 44 Grad im Juni ist es nur gut für die Gesundheit der Kataris, dass sie andere Hobbys pflegen. Und wenn die herrschende Milliardärsfamilie jetzt einen Riesenkühlschrank neben den anderen stellt und die Dinger als Fußballstadion bezeichnet, sollte Sie das in jeder Sicht kalt lassen. Eines der schönsten regelmäßig wiederkehrenden Weltereignisse am fußballerischen Endpunkt der Welt verkommen zu lassen – was soll das? Es wird wahrscheinlich noch nicht einmal der kommerzielle Erfolg, auf den Sie aus sind.

Katar auf Platz 87

Ach ja, Herr Blatter, Sie haben natürlich das schöne Argument, es gehe doch um die Globalisierung des Fußballs, die Mobilisierung von Millionen potenzieller Fans in Arabien und ganz Asien. 1994 in den USA hat das mit der Mobilisierung halbwegs geklappt, diesen Sommer in Südafrika wenigstens für das Land selber (dem Rest Afrikas war’s eher egal). Doch dass die heute wie wohl auch in zwölf Jahren überschaubare Zahl der Fußballfans in Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten 2022 in das winzige Katar strömen wird, ist nicht so wahrscheinlich. Beim Golf-Cup (die Bezeichnung meint die Weltregion, nicht die 18-Löcher-Sportart) Ende November hat sich die katarische Nationalmannschaft – wie sagt man höflich? – wacker geschlagen. Zwei Unentschieden gegen den Gastgeber Jemen und gegen Saudi-Arabien, ein 0:1 gegen Kuwait, das war’s und das bezeichnet ganz gut die Spielstärke des Wüstenlandes. Eine starke Nationalmannschaft lässt sich eben noch weniger mit Erdgasmillionen kaufen als eine starke Fußballmannschaft (hallo Schalke).Nach der informellen Rangliste der Fußballnationen steht Katar derzeit auf Platz 87, zwischen Usbekistan und Albanien. Das ist natürlich neuer Minusrekord für ein WM-Austragungsland. Und lässt den deutschen Fußballfan träumen: Von einem DFB, der von Ihrer fragwürdigen FIFA-Wirtschaft so angewidert ist wie er selber und 2022 eine Weltmeisterschaft der wirklich starken Nationalmannschaften organisiert – das copyrightgeschützte Wort World Cup können Sie und ihre Erdgasscheichs ja behalten.

Aus sportlichen Gründen sollten die wirklichen Weltklassenationen aber auch an Ihrem Hallenturnier in Katar teilnehmen. Vielleicht alle mit Länderteams, die sich im Kern aus dem 87-besten Fußballverein des jeweiligen Verbandes zusammensetzen. Für Deutschland wäre das derzeit als Tabellenelfter der Regionalliga Süd der SC Pfullendorf mit Spielern wie Marc Kuczkowski, Jan Biggel und Dominik Müller. Fänden Sie doch sicher nett, Herr Blatter – Pfullendorf liegt nicht weit von der Schweizer Grenze, und das Heimatstadion des Regionalligisten ist nach dem Sanitäranlagenbauer Geberit finanziert, also mit Geld aus der Schweiz.Gefällt Ihnen nicht, Herr Blatter? Ach ja, Sie hätten es sicher lieber, wenn Geld von anderswo in die Schweiz fließt, nicht umgekehrt. Das versteht sogar Ihr unverzagter Fußballfan.Hans Jakob Ginsburg 

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