G20-Gipfel in Hangzhou China sucht nach einem neuen Wachstumsmodell

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Marktwirtschaft China?

Dazu kommen die Überkapazitäten in der Stahlindustrie sowie die Frage um den Marktwirtschaftsstatus Chinas. Das Land hatte bei seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO zugesichert bekommen, nach 15 Jahren die Marktwirtschaft zu erlangen. Dies würde der Europäischen Union erschweren, Antidumping-Schutzzöllen gegen chinesische Importe zu verhängen. Das Europäische Parlament hatte sich im Mai gegen eine Anerkennung ausgesprochen. China wiederum hatte mit einem Handelskrieg gedroht, werde der Status im Dezember nicht anerkannt.

Zudem sorgte diese Woche die Europäische Handelskammer in China für Aufsehen. In seinem jährlichen Report kritisiert die Lobbyorganisation den zunehmenden Protektionismus des Landes. „Chinas Unternehmen haben in jüngster Zeit im Ausland in den Bereichen von Finanz, Automobil, Robotik und Infrastruktur zahlreiche Investitionen getätigt“, sagte Mick Adams, Vizepräsident der Europäischen Handelskammer. „Dies wäre für die meisten ausländische Unternehmen in China nicht möglich“, kritisiert er. Adams hofft, dass dieses Thema zumindest am Rande des Gipfels Thema sein wird.

Analysten sehen in den von China für das Wochenende gesetzten Schwerpunkten vor allem die nationalen Interessen Chinas vertreten. Das zumindest sagt Maximilian Rech, Wirtschaftsprofessor von der ESSCA School of Management in Shanghai. „Die Legitimität der Kommunistischen Partei könnte durch alternative Wachstumsmodelle und ein effektives und effizientes Wirtschafts- und Finanzsystem gestärkt werden“, sagt der Wirtschaftsexperte. Deshalb werde diesen Fragen viel Zeit eingeräumt. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda sei die Reform internationaler Wirtschafts- und Finanzinstitutionen. Dies hält China für notwendig, um langfristig einen robusten Handel und Investitionen zu sichern, so Rech.

Und das ist wichtiger denn je. Denn spricht China über die schwache wirtschaftliche Entwicklung, spricht es auch über sich selbst. In Chinas „neuer Normalität“ kämpft das Land mit der Transformation seiner Wirtschaft. Das Land muss traditionellen Industrien schrumpfen und innovationsgetriebene Sektoren stärken. „China steckt in einem ähnlichen Dilemma wie einst Brasilien, Mexiko oder Südafrika, deren wirtschaftliche Entwicklung nach anfänglichen Erfolgen ebenfalls ins Stocken geriet“, so Max Zenglein vom Mercator Institute for China Studies in Berlin in einer aktuellen Studie. Gefangen in der Falle der mittleren Einkommen müsse sich das Land neu erfinden. „Es sind massive Umstrukturierungen nötig“, so der Experte.

Doch diese stocken bisher. Die Wirtschaftsreformen kommen nur langsam voran, der Abbau von Überkapazitäten und die Verschlankung der Staatsunternehmen würden schätzungsweise sechs Millionen Menschen den Arbeitsplatz kosten. Davor scheut sich die Regierung bisher.

Was am Ende der zwei Tage in Hangzhou herauskommt, wird abzuwarten bleiben. Bei seinem Besuch in Shanghai Mitte des Jahres erklärte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dass der Gipfel grundsätzlich ein wichtiger Ort sei, um im Gespräch zu bleiben. Er gab sich optimistisch. Bei dem Vortreffen wäre es zudem durchaus möglich gewesen, mit China über kritische Themen zu sprechen. „Das war ein Lernprozess für die Chinesen“, sagt Machnig. Aber als Vorsitzender müsse man bemüht sein, Kompromisse zu schließen.

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