
Gastgeber Gordon Brown konnte zufrieden sein. Als der britische Premier seine Kollegen aus den zwanzig wichtigsten Wirtschaftsmächten der Welt am Ende ihres Gipfeltreffens in London verabschiedete, hatten die Finanzmärkte bereits ihre Zustimmung zu dem mühsam ausgehandelten Kompromiss signalisiert: In New York, London und Frankfurt schlossen die Aktienmärkte gestern Abend deutlich im Plus.
US-Präsident und Gipfelneuling Barack Obama – zweifellos der Star der eintägigen Veranstaltung, die in einem nüchternen Zweckbau im Osten der Londoner Docklands stattfand – sprach anschließend von einem „historischen Ereignis“. Der Präsident räumte jedoch ein, es habe „ehrliche Diskussionen und Differenzen“ gegeben und nicht alles, was ins Abschlusskommunique einging, habe auf der Prioritätenliste der USA ganz oben gestanden.
Länderhilfe statt neuer Konjunkturpakete
Tatsache ist: Obama hatte seine G20-Kollegen eigentlich zu neuen Konjunkturpaketen bewegen wollen, scheiterte mit diesem Vorhaben jedoch am Widerstand Deutschlands und Frankreichs. Beschlossen wurde stattdessen, die Gelder für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und für die Weltbank auf über eine Billion Dollar (fast 820 Milliarden Euro) aufzustocken. Die Mittel für IWF und Weltbank helfen vor allem Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie den Entwicklungsländern. In den vergangenen sechs Monaten hat der IWF bereits Notfallkredite von mehr als 55 Milliarden Dollar ausgezahlt - und damit Island, die Ukraine und Pakistan vor dem Kollaps bewahrt.
Unter dem Druck der globalen Krise gelang es immerhin, dass die zwanzig Teilnehmer des G20-Gipfels sich auf ein gemeinsames Abschlusspapier einigten und die Bereitschaft zu gemeinsamen Handeln bekundeten. Brown erklärte vollmundig: „Dies ist der Tag an dem Welt zusammenkam, um die Rezession zu bekämpfen“.
Leitlininen für Bonus-Banker
Wie unterschiedlich die Schwerpunkte dieser Erklärung anschließend interpretiert wurden, wurde jedoch bei den Pressekonferenzen der Regierungschefs deutlich. Nicht nur der politisch angeschlagene Brown sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy fühlten sich bestätigt. Frau Merkel strahlte und triumphierte geradezu, weil ihrem Drängen auf ein schärferes Regelwerk für die Finanzmärkte Rechnung getragen und gleichzeitig auf die Forderung nach neuen Stimuluspaketen verzichtet wurde. Während man sich auf deutscher Seite freute, dass die Regulierung der Hedgefonds und eine schärfere Aufsicht der Ratingagenturen nun nicht nur im Anhang erwähnt, sondern in einer eigenen „Erklärung der Staatschefs“ untergebracht wurden und dort auch Formulierungen über die künftigen Leitlinien für die Bonuszahlungen der Banker enthalten sind, erwähnte Brown diese beiden Themen mit keinem Wort. Das ist nicht weiter verwunderlich: immerhin profitierte der Finanzplatz London jahrelang von der Laisser-faire-Haltung der Aufsichtsbehörden.
Lesen Sie auf Seite 2, wie um ein Ende der Steueroasen und eine Erhöhung der IWF-Mittel gerungen wurde