G8-Gipfel Der Westen wirkt abgekämpft

Die führenden Staatenlenker der Welt haben im Jahr vier der Finanz- und Bankenkrise die bittere Gewissheit, dass es keine schnellen Lösungen für die Weltprobleme gibt. Eine gewisse Ermattung des Westens ist unübersehbar.

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Gejubelt wurde in Camp David auch: Der britische Premierminister David Cameron (2. v. l.) verfolgte in Jubelpose die Übertragung des Elfmeterschießens zwischen Bayern München und dem FC Chelsea. Quelle: Reuters

Chicago In der Krise wird auf Etikette keinen großen Wert gelegt. US-Präsident Barack Obama führte die Gespräche mit den Staatenlenkern der mächtigen G8-Gruppe in offenen Hemd und hochgekrempelten Ärmeln.

Frankreichs neugewählter Staatschef François Hollande musste sich ironische Bemerkungen anhören, als er auf dem Präsidenten-Landsitz mit Krawatte erschien. Der Sozialist absolvierte aber aus US-Sicht in Camp David ein gutes Gipfel-Debüt - ebenso wie Italiens Premier Mario Monti.

Die führenden Staatenlenker der Welt haben im Jahr vier der Finanz- und Bankenkrise die bittere Gewissheit, dass es keine Patentrezepte und schnelle Lösungen gibt. Die Wortwahl ist zwar unverblümt, doch der Schwung ist weg - es macht sich eine gewisse Ermattung breit.

Das Bedauern, dass Russlands neuer Präsident Wladimir Putin nicht nach Maryland kam und als Vertreter seinen umgänglicheren Regierungschef Dmitri Medwedew schickte, hielt sich deshalb in Grenzen. Einer weniger, der Ärger in einer schwierigen Lage machen könnte, lautete das Motto.

Die Euro-Krise bleibt ein Dauerthema, zumal sich die Lage beim Wackelkandidaten Griechenland wieder zuspitzt. Großbritanniens Premier David Cameron war eine gewisse Gereiztheit anzumerken. „Die G8 können der Eurozone nicht vorschreiben, was sie tun soll“, meinte der Herr von Downing Street Nummer Zehn. Doch die Euroländer hätten von den internationalen Partnern die deutliche Botschaft vernommen, dass gehandelt werden müsse. Auch aus London kamen warnende Worte.


Wenig Lust auf Abenteuer

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der Eurokrise eine herausgehobene Rolle - so sehen es zumindest internationale Partner. Obama unterstrich in den Sitzungen, wie wichtig Berlin in der Krise sei. „Es gibt eine Anerkennung der führenden Rolle Deutschlands in der Eurozone“, meinte ein Top-Berater Obamas, Ben Rhodes.

Bei außenpolitischen Krisen kommt der Staatenclub kaum von der Stelle. Bei Syrien, wo schon Tausende Menschen bei Protesten um Leben kammen, waren in Camp David keine greifbaren Fortschritte zu erkennen. Beim Dauerstreit um das iranische Atomprogramm gibt es jedoch wenige Tage vor neuen Gesprächen in Bagdad wieder Hoffnung. Es gebe Einigkeit, die Doppelstrategie aus Sanktionen und Gesprächen gegenüber Teheran fortzusetzen, lautet die Bilanz.

Der um seine Wiederwahl kämpfende Obama führt in Chicago einen zweiten Gipfel, den der Nato. Das mächtigste Militärbündnis der Welt muss sich angesichts der Staatsschuldenkrise neu erfinden, um nicht belanglos zu werden. Große Rüstungsprojekte werden nun gemeinsam bestritten, um Milliarden zu sparen.

Der Streit um einen Abzug aus Afghanistan wird unter den Alliierten auch deshalb so heftig geführt, weil der seit gut zehn geführte Einsatz Unmengen Geld verschlingt. Allein die USA geben nach Schätzungen im Jahr zehn bis zwölf Milliarden Dollar jährlich dafür aus.

Noch im vergangenen Jahr raffte sich der Westen auf, die libyische Bevölkerung vor ihrem brutalen Machthaber Muammar al-Gaddafi zu schützen. Den Europäern - allen voran Frankreich und Großbritannien - wurde bei dem Einsatz klar, dass sie führen mussten, da sich die US-Amerikaner in der zweiten Reihe hielten. Unter den damaligen Partnern aber gibt es wenig Lust auf neue Abenteuer dieser Art.

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