G8-Gipfel Warum eine neue Weltordnung nötig ist

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US-Präsident Barack Obama: Quelle: dpa

Und so kommt es, dass die Welt in L’Aquila – wieder einmal – gespannt auf Barack Obama blickt. Von seinem Urteil wird letztlich abhängen, wohin sich die G8 bewegt: zu einer Kerngruppe, die die G5 informell miteinbezieht und je nach Diskussionsstoff (Migration, Terrorismus, Klima) weitere Nationen herbeizitiert – wie im Vorjahr, als Australien, Indonesien und Südkorea als major economies zu einem „Klimatreffen“ dazugeladen wurden. Zu einem formell erweiterten G13-Plus-Gremium, das die Legitimitätsdefizite der G8 überwindet und eine Art Lotsenfunktion in alle Weltregionen hinein und in Richtung der Vereinten Nationen übernimmt. Oder gleich zu einer G20, die zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentiert und fast 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

Sehr wahrscheinlich ist eine Kombination der drei Varianten: ein flexibles, offenes G13-Plus-Format, das in pluralen Formationen unterschiedliche Fragen dauerhaft bearbeitet – und daneben ein ständiges G20-Forum, das sich auf die Stabilisierung der globalen Finanzmärkte und eine Neuordnung der internationalen Finanzinstitutionen konzentriert.

Versagen des IWF in Südkorea, Indonesien und Argentinien unvergessen

Beide Runden könnten damit exakt das, was die jeweils andere überhaupt nicht kann: Das G13-Format trägt, weil es der Logik der schieren ökonomischen Potenz seiner Mitgliedsstaaten folgt, in Finanz- und Wirtschaftsfragen die Züge eines Kartells – und sollte sich daher in wechselnder Besetzung auf die Bearbeitung von Klima-, Migrations- und Sicherheitsfragen konzentrieren. Die G20 hingegen kann, weil in ihr nur zwei muslimische Länder vertreten sind (Saudi-Arabien, Indonesien) nicht glaubhaft weltpolitische Entscheidungen einleiten, solange sich wichtige Länder wie Ägypten oder Nigeria ausgeschlossen fühlen.

Dagegen stellt allein die G20 ein Forum dar, das glaubhaft eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen in Angriff nehmen könnte: Das Versagen des IWF ist in den einst von der Asienkrise geschüttelten Ländern wie Südkorea und Indonesien, aber auch in Argentinien unvergessen. Ohne ihre Einbindung ist keine Finanzreform denkbar, die die gleichzeitige Modernisierung des verhassten IWF als auch die Überwindung des modernen Trends zur Selbsthilfe (wie das Anhäufen von Devisenreserven oder bilaterale Währungsabkommen) zum Ziel hat.

Multipolare Lösung scheint unter Obama möglich

Es spricht viel dafür, dass die USA unter Obama die multipolare Welt nicht nur anerkennen, sondern auch proaktiv gestalten wollen – und in L’Aquila in dieser Woche für eine multiple Lösung eintreten werden. Die Leiterin des Planungsstabes im State Department, Anne-Marie Slaughter, hat die neuen außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten in einem Aufsatz für „Foreign Affairs“ bereits skizziert: „In einer vernetzten Welt haben die USA das Potenzial, das am meisten vernetzte Land zu sein.“

Anders gesagt: Die USA sieht sich künftig als Spinne im Netz der Welt – und sie wird ihr Netz aus G2-, G8-, G13-, G20- und G192-Fäden spinnen: so engmaschig und flexibel wie möglich.

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