Gabriel Felbermayr "Der Steuerkrieg mit den USA hat begonnen"

Gabriel Felbermayr, der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft des Ifo-Instituts. Quelle: imago images

Wirtschaftsprofessor Gabriel Felbermayr über die Gefahren eines Handels-, Steuer- und Währungskrieges mit den USA – und die Möglichkeit, dass Donald Trump mit seiner nationalistischen Politik Erfolg haben könnte.

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Herr Felbermayr, wenn man die Politik und Rhetorik von US-Präsident Donald Trump verfolgt, dann scheinen sich im übertragenen Sinne gleich drei Kriege Europas mit den USA anzukündigen – ein Steuerkrieg, ein Handelskrieg und ein Währungskrieg. Welchen halten Sie für am wahrscheinlichsten?
Gabriel Felbermayr: An einen Währungskrieg, also einen Abwertungswettlauf, glaube ich nicht. Zwar darf man die Psychologie nicht außer acht lassen. Wenn US-Finanzminister Mnuchin öffentlich sagt, er habe nichts gegen den schwachen Dollar, wird das an den Märkten aufmerksam registriert. Die Unabhängigkeit der Notenbank aber schützt den Wechselkurs vor populistischen Attacken. Ein politisch provozierter Abwertungswettlauf ist daher kaum möglich. Der Handelskrieg hingegen wartet hinter der nächsten Ecke - und der Steuerkrieg mit Amerika hat bereits begonnen.

Zur Person

Ist der jüngst verhängte US-Zoll auf Waschmaschinen ein protektionistischer Akt, dem weitere folgen werden?
Ja. Trump vertritt da ganz die Interessen der großen US-Konzerne. Alles was Trump in der Handelspolitik fordert, trägt ihre Handschrift, für die Industrie ist die Regentschaft Trumps ein großes Fest. Der Waschmaschinenzoll zum Beispiel wurde auf Drängen des US-Herstellers Whirlpool verhängt. Dieses Beispiel wird Schule machen. Die Unternehmen haben gesehen, wie leicht man sich lästige Wettbewerber aus Europa und Asien vom Hals schaffen kann – man klingelt einfach im Weißen Haus.

Bei welchen weiteren Produkten sind US-Zölle vorstellbar?
Eigentlich überall dort, wo es in der US-Industrie nicht rund läuft. Möglich sind etwa Zölle auf weitere Haushaltsgeräte, auf Möbel oder im Elektronikbereich. In jedem Sektor gibt es Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken, nicht wegen der Chinesen und Koreaner, sondern wegen Managementversagen. Jedes dieser Unternehmen findet ein offenes Ohr im Weißen Haus, wenn es dort nach Zöllen ruft

Welche Möglichkeiten der Gegenwehr gibt es für Deutschland und Europa?
Man kann nach den internationalen Handelsregeln auf einen Zoll nicht sofort mit einem Gegenzoll reagieren. Das wäre ein Verstoß gegen das WTO-Statut. Der normale Weg wäre, bei der WTO zu klagen. Das Problem ist nur, dass die USA schon seit der Amtszeit von Barack Obama die Ernennung von Richtern für die WTO-Schiedsgerichte blockieren. Derzeit sind von sieben Stellen nur vier besetzt. Die USA wollen die WTO so offenbar auf kaltem Wege lahmlegen und für den Fall vorbauen, dass sie selber vor der WTO verklagt werden.

Es könnte bald die Situation eintreten, dass die Schiedsgerichte nicht mehr arbeitsfähig sind. Sie sind schon jetzt völlig überlastet. Das führt zu langen Verfahrensdauern, auf die Trump spekulieren kann. Der neue Waschmaschinenzoll etwa mag irgendwann von der WTO für rechtswidrig erklärt werden. Aber das dauert Jahre, und bis dahin werden Fakten geschaffen. Der Zoll von 50 Prozent ist so hoch, dass das Angebot aus dem Ausland nach und nach versiegen wird. Der Leidtragende ist am Ende der US-Konsument.

Was passiert, wenn die WTO als letzte Instanz in der Handelspolitik ausfällt?
Dann passiert, was eigentlich keiner will: Dann müssen die Staaten zur Selbstverteidigung greifen. Dann herrscht handelspolitische Anarchie.

Sehen Sie die Gefahr, dass die USA die Welthandelsorganisation WTO ganz verlassen?
Ein Austritt ist nicht wahrscheinlich, aber möglich. Der Kongress müsste zustimmen, die Frist beträgt ein Jahr. Da ist der Brexit deutlich komplizierter.

"Trumps Steuerreform wird massiv Kapital und Investitionen aus Europa abziehen"

Wird Trump es wagen, sich in der Handelspolitik mit China anzulegen, dem größten Gläubiger Amerikas?
Er kann da relativ entspannt sein. China wird sich in der Handelspolitik vieles gefallen lassen, bevor das Land aus rein politischen Gründen beginnt, in großem Stil US-Staatsanleihen zu verkaufen. Die USA sind als Schuldner too big to fail, und für die Chinesen wäre es ein ökonomischer Albtraum, wenn die Kurse ihrer US-Staatsanleihen durch die Verkäufe kollabierten. Was sie tun könnten oder schon tun, ist eine Drosselung der Anleihekäufe. Auch dies könnte im Übrigen ein Erklärungsansatz für die aktuelle Dollarschwäche sein.

Warum ist der Dollar eigentlich so schwach? Angesichts des starken Wachstums und der steigenden Zinsen in den USA müsste er eigentlich aufwerten.
Ja, aber der Wechselkurs wird immer auch von den Erwartungen der Marktteilnehmer beeinflusst. Verantwortlich für die aktuelle Dollarschwäche ist vor allem die überbordende Verschuldung der USA, die sich durch die Steuerreform noch weiter erhöhen dürfte. Das macht die Märkte unruhig, das Vertrauen in die USA ist angeknackst. Von daher ist die Dollarschwäche fundamental gerechtfertigt.

Das Spiegelbild des schwachen Dollar ist der starke Euro. Ab wann wird der Wechselkurs für die deutschen Exporteure zum Problem?
Die deutsche Exportwirtschaft reagiert mittlerweile sehr robust auf Euro-Aufwertungen und kann einen Wechselkurs bis etwa 1,45 Dollar ohne große Schmerzen wegstecken. Das liegt zum einen an der vergleichsweise geringen Preisempfindlichkeit vieler Kunden, die deutsche Produkte vor allem wegen deren Qualität kaufen. Zum zweiten haben die Exporteure mittlerweile viel Erfahrung mit dem Hedging von Währungsrisiken. Es ist gängige Praxis global operierender Unternehmen, ihre Produktionsstandorte über verschiedene Währungsgebiete zu verteilen. Der Wechselkurs, ab dem es für die deutsche Exportwirtschaft gefährlich wird, ist dank der Globalisierung in den vergangenen Jahren nach oben gewandert.

Kommen wir zu Trumps Steuerreform. Welche Folgen sehen Sie für Europa und Deutschland?
Trumps Steuerreform wird massiv Kapital und Investitionen aus Europa abziehen und in die USA lenken. Das liegt nicht nur an den sinkenden Steuertarifen, sondern auch an den verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten. Der Zusammenhang zwischen Unternehmensinvestitionen und Steuerveränderungen ist in der Wissenschaft gut erforscht. Der empirische Befund ist eindeutig und zeigt eine hohe Reagibilität der Investitionen auf eine Veränderung der effektiven Steuersätze.

Wie sollte die künftige Bundesregierung auf die Steuerreform reagieren?
Sie hat gar keine Wahl, denn der Druck ist extrem hoch. Der Steuerkrieg mit Amerika steht nicht bevor – er hat schon begonnen. Die Bundesregierung muss daher die Unternehmen möglichst schnell entlasten. Sinnvoll wäre eine Senkung der Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte. Man könnte auch den Weg besserer Abschreibungsmöglichkeiten gehen. Wenn die Steuersätze nominal gleich bleiben, lässt sich das an der Basis besser verkaufen. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass den deutschen Parteien die Dringlichkeit der Steuerfrage bewusst ist. Gerade in der sozialdemokratischen DNA ist nicht verankert, Unternehmenssteuern zu senken.

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