Gasstreit Ostseepipeline könnte Ukraine in die Knie zwingen

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Opal-Konsortium bestreitet politische Motive

Eni: Kooperation mit Gazprom Quelle: AP

Im Norden sollen Nord Stream und Opal die Ukraine umgehen, im Süden die von Gazprom und dem italienischen Energiekonzern Eni geplante Pipeline South Stream. Der Bypass ist dazu gedacht, russisches Erdgas aus dem Kaspischen Raum durchs Schwarze Meer via Bulgarien nach Mitteleuropa führen.

Den offenkundigen strategischen Reizen seiner Pipeline zum Trotz bestreitet das von E.On Ruhrgas und dem deutsch-russischen Joint Venture Wingas getragene Konsortium Opal NEL Transport hartnäckig jegliche politische Motivation seiner Hintermänner. Nord Stream und die Anschlussleitung Opal seien lediglich eine "zusätzliche Option für den Transport und Transit aus neuen russischen Erdgasquellen", sagt Opal-Geschäftsführer Ingo Neubert.

Opal soll sibirisches Gas und eines Tages auch Gas aus dem noch nicht erschlossenen Untersee-Feld Stockmann nach Ostdeutschland und bis nach Tschechien bringen. Im tschechischen Wirtschaftsministerium ist von zusätzlicher Nachfrage, die aus Opal gedeckt werden müsste, allerdings keine Rede. Solange die Zufuhr aus der Ukraine funktioniert, brauchen die Tschechen die Leitung aus Deutschland nicht, die mindestens das Dreifache ihres Bedarfs liefern könnte.

Opal könnte Tschechien von Leitungen durch Ukraine lösen

Das meiste, wahrscheinlich sogar das gesamte Opal-Gas würde deshalb vorerst durch die geplante böhmische Transitleitung Gazelle nach Süddeutschland fließen – zu Abnehmern, die bisher aus einem Strang durch die Ukraine, Tschechien und die Slowakei versorgt werden. Wenn  – wie vor einigen Tagen –  in Tschechien der Gasstrom aus der Ukraine versiegt, könnte das Konsortium mit Opal aber auch hier einspringen.

Dabei wäre der Umweg durch die Ostsee und die ostdeutschen Bundesländer kaum wirtschaftlich: Rein technisch reichen die vorhandenen Transit-Pipelines und Speicher der Ukraine vollkommen aus. Laut RWE-Manager Kleefuß sogar mehr als das: In der Ukraine, so Kleefuß, lägen große Kapazitäten brach, die – modernisiert und erweitert – den steigenden europäischen Bedarf an russischem Gas deutlich ökonomischer decken könnten als Nord Stream und Opal.

Geht es nach Neubert, E.On Ruhrgas und Wingas, soll nicht nur Tschechien, sondern auch Polen auf die Liste der Opal-Empfänger, das bisher durch Weißrussland versorgt wird. Über weite Strecken verläuft die Opal-Trasse auffallend nah entlang der polnischen Grenze. Eine Stichleitung nach Polen zu legen, wäre technisch ein Leichtes, und genau dafür versucht Opal NEL Transport, die polnische Regierung und den polnischen Gasversorger PGNiG zu begeistern. Wingas-Manager reisten nach Warschau, um das Vorhaben polnischen Ministerialbeamten und Energiemanagern und zu präsentieren. Außerdem lud das Unternehmen polnische Journalisten zur Opal-Info-Tour nach Deutschland ein.

Polnisches Misstrauen gegenüber Nord Stream

Sollten die Polen sich auf eine Anbindung an Opal einlassen, erränge das Opal-Konsortium einen famosen Doppelsieg: Die Kasseler gewännen PGNiG als Kunden; zugleich müsste Polen seine bisher ablehnende Haltung gegenüber Nord Stream aufgeben und wäre gefordert, auch Nord-Stream-Gegner in den baltischen Staaten und Schweden umzustimmen. Denn ohne Nord Stream gibt es kein Opal-Gas.

Kenner der polnischen Energiepolitik sehen derzeit allerdings kaum Chancen für eine Stichleitung nach Polen: "So eine Querverbindung würde das Ziel der polnischen Regierung untergraben, unsere Gasquellen zu diversifizieren und unsere Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern", sagt Agata Loskot-Strachota, Energie-Expertin des Warschauer Center for Eastern Studies. Ein hochrangiger Beamter im polnischen Wirtschaftsministerium wird deutlich: "Ein polnisches Gesetz verlangt, dass alle neuen Gasimporte aus anderen als den bisherigen Quellen stammen müssen."

Auf die Unterstützung Polens, das als Verbündeter der Ukraine gilt und sich in der Europäischen Union für deren raschen EU-Beitritt einsetzt, können die Kasseler demnach nicht zählen.

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