
Ihre Studie hat für Aufsehen gesorgt: Manfred Gärtner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen hat zusammen mit Björn Griesbach und Florian Jung in einer Studie und einem Fachaufsatz („Ratings Agencies, self-fulfilling prophecy and multiple equilibria? An empirical model of the European sovereign debt crisis 2009-2011“) die Staatenratings von Ratingagenturen untersucht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich ein Rating aus einer objektiven, ökonomisch nachvollziehbaren Komponente und einer nicht erklärbaren, subjektiven Komponente zusammensetzt. Diese subjektive Komponente kann durch eine ungewollte Fehleinschätzung entstehen, könnte aber auch Ratingmissbrauch signalisieren, so die Autoren.
Spätestens, wenn ein Land durch eine fehlerhafte Herabstufung seinen A-Status verliert und nur noch als durchschnittlich gute Anleihe eingeschätzt wird, begännen sich abwechselnde Zinserhöhungen und Herabstufungen zu jagen – auch wenn sich an der wirtschaftlichen Situation des Staates nichts oder nur wenig geändert hat, berichtete WirtschaftsWoche Online aus der Studie.
Indem sie die Integrität der Ratingagenturen in Frage stellen, suggerieren Gärtner, Griesbach und Jung, dass Ratingagenturen eine Art Hintergedanken verfolgen, die sie zu missbräuchlichem Handeln verleiten. Die Wahrheit ist weit weniger spektakulär: Ratingagenturen basieren ihre Entscheidungen auf der Grundlage ihrer veröffentlichten Kriterien und haben sich gegenüber den Aufsichtsbehörden zu verantworten, wenn sie diese Vorgabe nicht erfüllen.
Ratingagenturen ABC
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Anleiheemittenten; das können Unternehmen, Banken oder Staaten sein. Das Urteil der Bonitätsprüfer bestimmt letztlich den Kurs der Papiere. In die Bewertung fließen veröffentlichte Zahlen ebenso ein wie Brancheneinschätzungen. Die weltweit einflussreichsten Ratingagenturen sind Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch.
Je schlechter Ratingagenturen die Bonität eines Marktteilnehmers beurteilen, desto schwieriger und teurer wird es für diesen, sich frisches Geld zu besorgen. Die Refinanzierungskosten steigen, im schlimmsten Fall ziehen Geldgeber ihr Kapital ab. Am Rating orientieren sich nicht nur Banken, sondern beispielsweise auch institutionelle Investoren.
Für ihre Einstufungen verwenden die Agenturen Buchstabencodes. Bei Standard & Poor's und Fitch beginnt die Skala mit der Bestnote „AAA“ (englisch: „Triple A“). Es folgen „AA“, „A“, „BBB“, „BB“, „B“, „CCC“, „CC“, „C“. Die meisten Stufen können mit Plus- und Minuszeichen noch feiner unterteilt werden. Ab „BB+“ beginnt der spekulative Bereich, der auch „Ramsch“ (englisch: „Junk“) genannt wird. Die Skala reicht bis „D“ - das bedeutet, dass ein Ausfall des Schuldners eingetreten ist. Etwas anders verfährt die Ratingagentur Moody's, die bei der Bewertung große und kleine Buchstaben sowie Zahlen kombiniert. „Aaa“ bedeutet „erstklassig“ und ist die höchste Bewertung. Diese Note steht für höchste Qualität, geringstes Ausfallsrisiko, vergleichbar mit Staatsanleihen. Dann folgen „Aa1“, „Aa2“, „Aa3“ für „starke Zahlungsfähigkeit“ sowie in der nächsten Stufe „A1“, „A2“ und „A3“ für „gute Zahlungsfähigkeit“. Danach wird der erste Buchstabe durch ein „B“ ersetzt. Der «spekulative Bereich“ beginnt bei „Ba1“, die niedrigste Kategorie ist „E“.
Kritiker bemängeln, es bleibe oft unklar, welcher Anteil der Bonitätseinstufungen Mathematik und was Meinung ist. In der Finanzkrise kamen Ratingagenturen in die Schusslinie: In vielen Fällen behielten Unternehmen, die ein hohes Risiko trugen, zu lange ihre Topnoten. Sie wurden erst herabgestuft, als die Krise bereits akut war; Anlegern blieb keine Zeit zu reagieren. Daher ist es wenig ratsam, allein auf das Urteil von Moody's & Co zu vertrauen.
Manche Profis verlassen sich inzwischen stärker auf das Urteil eigener Analysten. Deren Meinung findet umso mehr Beachtung, wenn sie eine abweichendes Urteil zu den Ratingagenturen fällen. Privatanleger können überlegen, wenig transparente Marktsegmente über Fonds abzudecken, statt direkt in Anleihen zu investieren. So profitieren sie quasi indirekt vom Know-How weiterer Experten.
Transparenz ist entscheidend
Standard & Poor’s hat vor langer Zeit den Ansatz verworfen, Länderratings anhand eines statistischen Algorithmus zu ermitteln, weil dieser Ansatz zu simplizistisch und nicht in der Lage ist, die Feinheiten der politischen und institutionellen Strukturen und Entwicklungen einzubeziehen.
In ihrer Untersuchung behaupten die Autoren, dass „die Länderratings, ihre Bedeutung und ihre zugrunde gelegten Verfahren und Analysen ziemlich undurchschaubar“ seien. Das ist nicht richtig. Maßnahmen zu Länderratings von Standard & Poor’s werden flankiert von umfangreichem veröffentlichtem Research sowie von Pressemitteilungen, die unsere Beweggründe und unseren Ansatz erläutern. Unsere Länderratings beruhen auf einer umfangreichen und öffentlich zugänglichen Ratingmethodologie (vgl. www.standardandpoors.com/ratings/criteria).
Wir legen Wert darauf, dass unsere Veröffentlichungen so transparent und vollständig wie möglich sind.