
Warum streiken die Griechen schon wieder? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, ist geneigt, erst einmal Statistiken zu den hohen Staatsschulden Griechenlands zu wälzen und die Wirkung der Daumenschrauben zu überprüfen, die der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die EU dem Land angelegt haben. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Denn allein mit Zahlen, die heute so, morgen so hoch sind, und mit Auflagen, die kein Land der Welt erfüllen kann, lässt sich nicht erklären, warum die Griechen auf die Straße gehen.
Versuchen wir es also mit einem Rückblick, zunächst ins Jahr 2000. Damals, am 26. April, bat Hans Reckers, Mitglied des Zentralbankrats der Deutschen Bundesbank, die Verschiebung von Griechenlands Euro-Beitritt in Betracht zu ziehen. Und er legte nach: „Ich habe damals nur die Meinung der Mehrheit meiner Kollegen im Zentralbankrat wiedergegeben. Aber ganz schnell distanzierten sich Bundesbank, EU-Kommission und Finanzministerium.“ Der Vorstoß von Reckers blieb auch sonst nicht ohne Folgen: In einem der Bild-Zeitung vorliegenden Brief des damaligen Finanzministers Hans Eichel an Bundesbank-Präsident Ernst Welteke hieß es: „Bei meinem griechischen Kollegen werde ich mich schriftlich für die Äußerungen von Herrn Dr. Reckers entschuldigen.“
Das verhängnisvolle Jahr 2010
Die Eichel-Reckers-Affäre war in der Öffentlichkeit und in den Medien zwar bald vergessen; aber während der darauf folgenden Jahre konnte man immer wieder registrieren, welche Spuren sie in Regierungs- und Zentralbankkreisen hinterlassen hatte: Kaum wagte jemand dort am Euro generell und an der Haushaltsdisziplin seiner Mitgliedsländer speziell zu zweifeln, wurde die Einheitswährung schöngeredet. Als sie später sogar zum Höhenflug gegen den Dollar abhob, schien die Euro-Welt endgültig in Ordnung zu sein.
Doch dann kam das verhängnisvolle Jahr 2010, und man fragt sich heute noch, warum es geschlagene zehn Jahre dauern musste, bis Reckers endgültig rehabilitiert war: Auf einmal geriet Griechenland ins Visier der Euro-Gegner, Ratingagenturen und Spekulanten, die von Politikern, die den Euro vorher schöngeredet hatten, flugs zu den Verursachern der Griechenland-Krise abgestempelt wurden. Statt das Übel an der Wurzel zu packen, begann die Europäische Zentralbank, die Schönredner in den eigenen Reihen mit offiziellen Stellungnahmen zu übertrumpfen. Hier eines ihrer Pamphlete vom 3. März 2010: „Der EZB-Rat begrüßt die überzeugenden zusätzlichen und auf Dauer angelegten Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen, die die griechische Regierung heute angekündigt hat. Wir befürworten die vorgesehene sehr rasche Umsetzung dieser Maßnahmen.........“ Und so weiter.