Gegen den Rat der Notenbank Neues Konjunkturpaket gestoppt: Trump verschreckt die Wirtschaft

Auch aus den eigenen Reihen muss US-Präsident Donald Trump Kritik dafür einstecken, dass er vorerst kein neues Corona-Hilfspaket verabschieden möchte. Quelle: imago images

Die Verhandlungen über ein neues Corona-Konjunkturpaket in den USA haben ein abruptes Ende gefunden. US-Präsident Trump will sie erst nach der Wahl weiterführen, obwohl Experten die Hilfen für dringend notwendig halten.

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US-Präsident Donald Trump hat die Verhandlungen mit den oppositionellen Demokraten über ein neues Corona-Hilfspaket bis nach der Präsidentenwahl am 3. November abgesagt. Die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, verhandele nicht „in gutem Glauben“, weshalb er den Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nun gebeten habe, sich vollständig auf die Bestätigung seiner Kandidatin für das Oberste Gericht, Amy Coney Barrett, zu konzentrieren. „Unmittelbar nachdem ich gewonnen habe, werden wir ein großes Konjunkturpaket verabschieden, das sich auf hart arbeitende Amerikaner und kleine Geschäfte konzentriert.“

In einer ersten Reaktion reagierte die Wirtschaft verschreckt. Direkt nach der überraschenden Ankündigung Trumps drehte der Aktienindex Dow Jones an der New Yorker Börse und verbuchte nach einem Gewinn von rund 200 Punkten einen Verlust von etwa 300 Punkten.

Auch den Ölpreisen verpasste die Nachricht einen Dämpfer: Am Mittwochmorgen kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 41,96 US-Dollar. Das waren 0,69 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 0,81 Cent auf 39,86 Dollar. Die Chefin des Notenbank-Bezirks Cleveland, Loretta Mester, zeigte sich enttäuscht. Das vorläufige Ende der Gespräche dürfte dazu führen, dass sich die Konjunktur deutlich langsamer erholt als ursprünglich erwartet, sagte Mester dem Sender „CNBC“.

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Die Entscheidung Trumps überrascht. Auch weil Notenbankchef Jerome Powell noch am gleichen Tag erklärt hatte, dass die zaghafte wirtschaftliche Erholung von der Rezession im siebten Monat der Pandemie anfällig bleibe und sogar scheitern könne, wenn die US-Regierung keine weiteren ökonomischen Anreize schaffe. „Zu wenig Unterstützung würde zu einer schwachen Erholung führen, was zu unnötigen Härten für Haushalte und Unternehmen führen würde“, sagte Powell. „Das Risiko, zu viel zu tun, hingegen scheint derzeit geringer zu sein“, sagte er weiter. Eine schleppende wirtschaftliche Erholung könne auch die bestehende Ungleichheit weiter verstärken, was angesichts der bis zum Beginn der Coronapandemie erreichten Fortschritte „tragisch“ wäre, sagte der Notenbankchef.

Wie dringend Handlungsbedarf besteht, zeigen vor allem die Arbeitslosenzahlen sehr deutlich: In der Coronapandemie wurden Millionen Menschen in den USA arbeitslos. Der jüngste Arbeitsmarktbericht der Regierung für September fiel unerwartet schwach aus: Statt der erwarteten 850.000 Stellen wurden nur 661.000 Jobs geschaffen. Erstes Zwischenfazit der Pandemie: In der Krise gingen mehr als 22 Millionen Jobs verloren, von denen bislang nur gut die Hälfte zurückgewonnen wurden.

Auch deshalb ist die Entscheidung Trumps, zeitnahe Hilfe zu verweigern verwunderlich. Analysten glauben, dass die plötzliche Ankündigung Trumps Wiederwahlchancen weiter schmälern würde. Die jüngsten Umfragen zeigen ihn mit einem deutlichen Abstand hinter seinem Herausforderer Joe Biden. Die Arbeitslosenrate liegt bei acht Prozent. Bis zum Wahltag am 3. November bleiben noch knapp drei Wochen – und zwei Debatten der Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Joe Biden, sollten sie wie geplant stattfinden.

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Der frühere Vizepräsident Biden verurteilte Trumps Entscheidung, vorerst kein neues Hilfspaket auf den Weg zu bringen scharf: „Wenn Sie keinen Job haben, wenn Ihr Geschäft geschlossen ist, wenn die Schule Ihres Kindes geschlossen ist, wenn es in Ihrer Gemeinde Kündigungen gibt, hat Donald Trump heute entschieden, dass nichts davon - nichts davon - für ihn wichtig ist“, hieß es in einer Mitteilung von Bidens Wahlkampfteam. ie Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, sagte in einer ersten Reaktion, Trump habe mit dem Schritt sein wahres Gesicht gezeigt. Er setze sich selbst auf Kosten des Landes an erste Stelle und wende sich „von den Bedürfnissen von Kindern und anderen Amerikanern“ ab.

Und auch aus den eigenen Reihen muss der US-Präsident Kritik einstecken. Die republikanische Senatorin Susan Collins bezeichnete die Entscheidung zur Beendigung der Gespräche als „großen Fehler“. Der Mehrheitsführer des Senats, Republikaner Mitch McConnell, stimmte hingegen Trump zu: „Seine Ansicht war, dass sie kein Ergebnis erzielen würden und wir uns auf das konzentrieren müssen, was erreichbar ist.“



Dass Trump ob der Reaktionen noch einmal umlenkt, ist nicht ausgeschlossen. Bereits wenige Stunden nach seiner Ankündigung schien Trump es sich zumindest teilweise anders zu überlegen. Auf Twitter rief er den Kongress auf, ihm einen Gesetzesentwurf über die Vergabe von Schecks zu schicken, die er mit der Zahl 1200 Dollar versah – ein Verweis auf eine Reihe von Direktzahlungen an die meisten Amerikaner, die ein zentrales Element der Verhandlungen zwischen Pelosi und dem Weißen Haus gewesen waren. Pelosi hat es abgelehnt, bei den Corona-Hilfsmaßnahmen schrittweise vorzugehen, etwa zunächst weitere Schecks zu verschicken. Sie wollte ein gesamtes Paket. „Ich bin jetzt bereit, zu unterschreiben. Hören Sie zu, Nancy?“, twitterte Trump.

Pelosi wies die Kritik Trumps zurück und entgegnete, Trump würde die Wahl ohnehin verlieren. „Vergiss ihn. In vier Wochen, sechs, sieben Stunden, lahme Ente“, sagte sie und bezeichnete mit dem Begriff die schwindenden Kräfte eines abtretenden Präsidenten. Die Demokraten hatten vorgeschlagen, rund 2,2 Billionen Dollar für Corona-Hilfen auszugeben. Die Trump-Regierung hat dies als „unseriös“ bezeichnet, aber ihr Angebot zuletzt auf fast 1,6 Billionen Dollar erhöht. Vorgesehen ist unter anderem eine wöchentliche Arbeitslosenunterstützung von 400 Dollar. Die Demokraten wollen 600 Dollar pro Woche durchsetzen.


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Der Kongress und das Weiße Haus haben Anfang dieses Jahres Hilfsmaßnahmen von mehr als drei Billionen Dollar genehmigt. Allerdings wurden seit März keine neuen Programme verabschiedet. Bislang gibt es von der US-Notenbank unter Jerome Powell auch keine Hinweise auf weitere Fed-Programme, die über die rund ein Dutzend Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft hinausgehen, die die Fed im März beschlossen hatte. Es sei richtig, die Menschen zu unterstützen, denen die Pandemie am meisten zugesetzt habe, sagte Powell. Der US-Haushalt befinde sich zwar auf einem nicht tragfähigen Weg. Es sei aber jetzt nicht der Zeitpunkt, um dieses Thema anzugehen.

Die Millionen Amerikaner müssen also Stand jetzt ausharren und bis nach der US-Wahl warten, ob die Regierenden in den USA bereit sind, ihnen wirtschaftlich noch einmal unter die Arme zu greifen.

Mehr zum Thema: Die zynische Selbstinszenierung des Donald T.

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