




Sollte bis Ende Mai keine Einigung erreicht werden, würde die rechtliche Basis für einen großen Teil der Überwachungsaktivität des Geheimdienstes entfallen. Statt der erforderlichen 60 Senatoren stimmten nur 57 für die Vorlage der Regierung. 42 Senatoren stimmten dagegen, wie US-Medien am Samstag berichteten. Zuvor hatte das Repräsentantenhaus mit überraschend klarer Mehrheit für die NSA-Reform gestimmt.
Die absurdesten Spionage-Ziele
Diese Webadresse gehört ibau, einem Dienstleister im Baubereich, der unter anderem eine Datenbank für Bauprojekte und Ausschreibungen unterhält und den jährlichen ibau-Fachkongress veranstaltet. Der war gerade wieder vor drei Wochen im alten Bundestag in Bonn. Wohlgemerkt: Im ALTEN(!) Bundestag – also eigentlich kein Grund, gleich den Geheimdienst zu schicken. Ibau wiederum gehört zur Schweizer Docu-Gruppe, die auf Bau-Fachinformationen spezialisiert ist. Die Docu-Tochter Baumarktforschung Deutschland GmbH schürft besonders tief: Ihre Informationen betreffen Straßen-, Ingenieur-, Brücken- sowie Garten- und Landschaftsbau. Ein Manager von Ibau hat nicht mehr zurück gerufen nach einem ersten freundlichen Gespräch. Ist nicht schlimm, hat sich erledigt!
Klingt gefährlich, ist aber eine legal arbeitende Werbeagentur aus Berlin. Geschäftsführer Sven Barth erfuhr durch den WiWo-Anruf, dass er gerade eine Rolle im Geheimdienst-Skandal spielt. Sein Erklärungsversuch: Vielleicht sei der „provokante Name“, den er seiner Agentur bei der Gründung 1999 gab, irgendwie im Raster der Fahnder hängen geblieben. Das passt! Aber warum interessieren die Schlapphüte sich dann auch für seniorenheim.com und orgelbau.com? In die USA eingereist ist Brandstifter Barth übrigens nach dem Anschlag aufs World Trade 2001 problemlos – und kam unbehelligt wieder heraus.
Erich Katschke, Schriftführer der Freiwilligen Feuerwehr in Ingolstadt, geht beim unerwarteten Anruf von wiwo.de erst mal auf Nummer sicher, ob wir uns nicht verwählt haben: „Meinen Sie vielleicht die Berufsfeuerwehr?“ Als ob die Berufs-Kollegen immer schon im Verdacht der Geheimdienste gestanden hätten. Aber nein: Laut der Liste im „Spiegel“, von der Katschke noch nichts wusste, interessieren sich BND und NSA nicht für die Ingolstädter Lösch-Profis, sondern ausschließlich für die 1863 gegründete Freiwillige Feuerwehr. Sie werden ihre Gründe haben. Oder auch nicht.
Das schwierigste Gespräch von allen: Eigentlich sollte die Telefonnummer, die die Homepage im Impressum angibt, Hartmut Dicke gehören. Der soll Inhaber des marxistisch-leninistischen, vielleicht auch trotzkistischen – oder maoistischen? – Verlages sein. Aber Dicke, der unter dem Pseudonym Klaus Sender sendete, sei 2008 „unter ungeklärten Umständen verstorben“, raunt eine weibliche Stimme am Telefon. Wie die Dame heißt, sagt sie nicht. Wem der Verlag jetzt gehört, fragen wir. Antwort: „Den Nachfolgern.“ Wer das ist? Keine Antwort. Die Neue Einheit ist jedenfalls KPD-nah und mit seeeehr weit links richtig eingeordnet. Ob der Verfassungsschutz die Redaktion schon mal im Visier hatte? „Das müssen Sie den Verfassungsschutz fragen“, sagt die weibliche Stimme am Telefon. Aber ist das wirklich ein Fall für die Internationale der Auslandsgeheimdienste oder für eine andere Anstalt?
Hier stoßen wir bei der Recherche auf andere Geheimnisse. Die beiden Telefonnummern auf der Website führen ins Nichts. Urheber der „Website of german organ builders“ ist ein Heiko R. mit Adressen in Nordrhein-Westfalen und der Schweiz. Aber Thomas Jann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Orgelbauer, kennt den vermeintlichen Kollegen nicht. Janns Verdacht: „Vielleicht hat sich da einer eine Web-Adresse gesichert und will sie verhökern.“ Warum das aber BND und NSA interessieren sollte? Keine Ahnung. Wir bleiben dran.
Ist das 25-Mann-Unternehmen aus Buchholz im Erzgebirge ein Fall für Industriespionage? Es ist immerhin ein Hidden-Champion der deutschen Wirtschaft. Feine Schmuck- und Uhrenkassetten aus dem Hause Sacher stehen in Juwelier-Geschäften und Nobel-Kaufhäusern in 42 Ländern, unter anderem bei Harrods in London. Und Unternehmerin Gerhild Sacher weiß: „Wenn man in der ersten Liga mitspielen will, geht das nur über Qualität. Die Chinesen können es billiger.“ Aber spioniert haben laut der NSA-Liste nicht die Chinesen, sondern Deutsche und Amerikaner. Sohn und Mit-Geschäftsführer Ulf Sacher kommt im Gespräch spontan ein Verdacht: „Vielleicht sind die ja wegen unserer Exporte in die Arabischen Emirate und an den Persischen Golf auf uns aufmerksam geworden.“ Aber was konnten sie dann bei dem Unternehmen finden? Sacher meint: „Nichts.“
Geschäftsführer Reiner Ebner hat wie alle Betroffenen erst durch wiwo.de erfahren, dass ausgerechnet sein Pflegezentrum im bayrischen Bischofsgrün ins Visier der Geheimdienst NSA und BND geraten sein soll. Auf die skeptische Frage, welche Klientel denn so wohne in seinem Haus „am Fuße des Ochsenkopfes in idyllischer Waldrandlage“, fällt Ebner aber nichts Verdächtiges ein: „Ganz normale pflegedürftige Leute, viele davon Sozialhilfeempfänger“, sagt er. Vielleicht suchten die Geheimdienstler ja auch im Eigeninteresse einen Platz für die Jahre nach dem stressigen Dienst? Die große Sonnenterrasse des Pflegezentrum verführt laut Seniorenheim-Homepage schließlich „zum Entspannen“, und man kann dort die „Seele baumeln lassen“.
Der sogenannte USA Freedom Act sieht vor, dass die NSA künftig Telefon-Metadaten nicht mehr selbst speichern darf. Dies sollten die privaten Telefongesellschaften übernehmen. Eine Einschränkung der Späh-Aktivität im Ausland war nicht vorgesehen. Regierungssprecher Josh Earnest hatte die Senatoren vergeblich zu raschem Handeln aufgerufen. Sollte es im Senat an diesem Wochenende keine Einigung geben, drohe die Arbeit der NSA lahmgelegt zu werden. Vor 1. Juni müssten die Spähbefugnisse der Geheimdienste erneuert werden. Am 31. Mai wollen die Senatoren erneut eine Einigung suchen.
Das millionenfache Datensammeln war 2013 durch den Whistleblower Edward Snowden enthüllt worden. Auch das Handy der Bundeskanzlerin Angela Merkel war im Visier der US-Geheimdienste. Präsident Barack Obama hatte darauf eine Reform angestoßen, von der allerdings ausschließlich US-Amerikaner profitieren würden.
US-Geheimdienstdirektor James Clapper lässt einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge unterdessen die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) auf den Prüfstand stellen. In einer als „Secret“ eingestuften Weisung beklage er, dass geheime US-Dokumente aus dem deutschen Untersuchungsausschuss kontinuierlich an die Medien gegeben würden und dies den Interessen der Vereinigten Staaten schade, berichtete die „Bild“ (Samstag). Auf die Deutschen könne man sich beim Schutz eingestufter Dokumente nicht mehr verlassen.