Geld, Handel, Schulden Die globale Wirtschaft sortiert sich neu

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Seidenstraße des Südens

Der Handel zwischen Russland und China erblüht Quelle: dpa

Die Chinesen sind da. Und das in Coca, Ecuador, wo die Menschen es gewohnt waren, unter sich zu sein. Schließlich verbindet das Nest im Regenwald, 150 Kilometer östlich der Hauptstadt Quito, nur eine Flugpiste mit der Außenwelt. Aber durch die Stadt fließt der Coca-Fluss, der ein paar Hundert Kilometer weiter östlich in den Amazonas mündet. Und auf diese wilde Kraft des Wassers haben es die Chinesen abgesehen.

Für rund zwei Milliarden Dollar baut der Konzern Sinohydro seit Sommer ein Wasserkraftwerk. Ecuador verspricht sich davon, seine Energieversorgung endlich auf selbstständige Beine zu stellen und so die lästige Abhängigkeit vom venezolanischen Öl zu verringern. Es ist ein bemerkenswertes Projekt für das kleine Land, aber auch für die Welt.

Welthandel im Süden

Denn was im Regenwald Ecuadors passiert, das findet gerade an 100 Orten der nicht industrialisierten Welt statt. Staaten beginnen sich zu vernetzen, die bisher um den gleichen Platz in der weltwirtschaftlichen Nahrungskette konkurrierten. Sie exportierten ihre Rohstoffe, westliche Konzerne investierten, um Produkte für ihre Heimatmärkte zu gewinnen. Wenn der Westen nicht mehr mochte, schauten sie in die Röhre. Doch das ändert sich: Die britische Großbank HSBC rechnet in einer Studie damit, dass sich der Handel unter den Staaten der nicht industrialisierten Welt bis 2050 verzehnfachen wird, und spricht vom Entstehen einer neuen „Seidenstraße“, die den Welthandel nach Süden verlagert.

Wie frequentiert die Handelsstraße ist, zeigt sich an den Finanzströmen Chinas. Im laufenden Jahr hat die Staatshydra mit ihren unzähligen Konzernarmen mehr als 69 Milliarden Dollar über die Welt verteilt, davon allein 45 Milliarden in Asien und 10 Milliarden in Südamerika. Für Brasilien ist China schon jetzt wichtigster Handelspartner. Brasiliens Exportanteil für Industriestaaten fiel innerhalb von zehn Jahren von 60 auf 40 Prozent.

Exportströme der größten Schwellenländer bis 2050:

Wie sich die Exporte der größten Schwellenländer bis 2050 verändern Quelle: IMF,HSBC

Große Chancen für die Kleinen

Was sich in Südamerika in Zahlen und Verträgen manifestiert, ist in Asien schon Realität. Am Indischen Ozean liefern sich Indien und China ein Wettrennen um die besten Plätze am Wasser. Indien bemüht sich um einen Hafen in Afghanistan, China baut an der Küste Pakistans, parallel werden die Schienenstränge gen Heimat verlegt. Ähnliche Projekte gibt es in Birma und Bangladesch.

Die sogenannte „Perlenkette“ von Häfen zeigt, wie der Expansionsdrang der Riesenländer Indien, China und Brasilien kleine Staaten mitzieht. Zwar zielen die Hafenprojekte in erster Linie darauf ab, China den Marktzugang zu erleichtern, doch gleichzeitig verbessern sich die Exportchancen der Beteiligten. Für Staaten wie das rohstofflose Bangladesch liegt darin eine enorme Chance.

Hinzu kommt: Die Konzerne aus Schwellenländern erfüllen die Wünsche der Verbraucher in vergleichbaren Ländern immer besser. Westlichen Konzernen gelingt es heute kaum noch, am Entstehen neuer Mittelschichten zu verdienen. So machte das Wirtschaftswachstum der Sechzigerjahre Mexiko noch zum VW-Käfer-Land, heute sind es meist einheimische Marken oder Konzerne aus anderen Schwellenländern, die an der einsetzenden Konsumfreude in Brasilien, China, Indien oder Indonesien verdienen.

An die Stelle der Abhängigkeit von den westlichen Märkten tritt so die Abhängigkeit der BRIC-Staaten untereinander. Die HSBC-Ökonomen erwarten, dass der US-Anteil an den chinesischen Exporten bis 2050 um sechs Prozent sinken wird. Währenddessen steigt die Bedeutung Indiens um zwölf Prozent. In Brasilien werden die US-Ausfuhren statt 28 nur noch 12 Prozent des Exports ausmachen.

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