Geldpolitik „Zinssenkungen erzeugen Scheinaufschwünge“

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„Geldsystem konterkariert alle Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit“

Sie schreiben in Ihrem Buch, die Politik der Geldvermehrung sei sozial ungerecht. Was meinen Sie damit?
Ein großer Teil der viel beklagten Ungleichheit hat seine Ursache in unserem Geldsystem. Denn von der Geldvermehrung profitieren diejenigen, die das frisch geschaffene Geld als Erste erhalten. Sie können damit Güter kaufen, wenn die Preise noch niedrig sind. Zu diesen Profiteuren zählen der Finanzsektor, die Großunternehmen und der Staat sowie die dort Beschäftigten. Die späteren Empfänger des neuen Geldes haben hingegen das Nachsehen. Sie können erst dann kaufen, wenn die Preise bereits gestiegen sind. Die Ausweitung der Geldmengen lässt darüber hinaus die Aktien- und Immobilienpreise überproportional steigen. Menschen, die also ohnehin schon vermögend sind, werden so noch reicher.

Seit Jahren wachsen die Staatsquoten in den Industrieländern. Ist das auch eine Folge des Geldsystems?
Der Staat ist – wie erwähnt - einer der Marktteilnehmer, die relativ früh über das neue Geld verfügen können. Außerdem kann sich der Staat in einem Geldsystem, in dem Geld aus dem Nichts entsteht, also nicht durch Ersparnisse gedeckt ist, relativ leicht verschulden. Beides führt dazu, dass der Staat größer werden kann, als es sonst der Fall wäre. Daher nehmen die Staatsausgaben einen immer größeren Anteil an der Wirtschaftsleistung ein.

Andreas Marquart neues Buch „Crashkurs Geld“ ist im Finanzbuch-Verlag erschienen. Quelle: Presse

Ohne die Geldvermehrung würde der Sozialstaat kollabieren.
Ohne Kredite aus dem Nichts würde sich das Ausmaß des Sozialstaats an der Bereitschaft der Bürger bemessen, diesen durch ihre Ersparnisse und Steuern zu finanzieren. Sozialleistungen und Subventionen müssten dann möglicherweise gekürzt werden. Aber das heißt nicht, dass unser Wohlstand sinkt. Denn es ist nicht der Staat, der den Laden am Laufen hält. Leider können wir nicht berechnen, wie wohlhabend wir wären, hätten wir ein besseres Geldsystem, niedrigere Steuern, und auch weniger Bürokratie, also weniger Staat.

Einige Politiker wollen auch Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen mit Krediten finanzieren. Wie sinnvoll ist das?
Die Umwelt hätte mehr davon, würden durch Zinssenkungen und Kredite aus dem Nichts nicht immer wieder Investitionen angestoßen, die ansonsten gar nicht rentabel wären. Für jede Investition werden knappe Mittel eingesetzt, Arbeitskräfte, Rohstoffe, Kapital, Boden. Die Ökonomen der Österreichischen Schule, allen voran Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek haben in ihren Arbeiten gezeigt, dass monetäre Stimuli wie Zinssenkungen Scheinaufschwünge erzeugen, die regelmäßig in Wirtschaftskrisen enden. Investitionsprojekte, die vormals rentabel erschienen, entpuppen sich dann als Fehlinvestitionen und müssen abgebrochen werden. Übrig bleiben Investitionsruinen, so wie in Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase. Was für eine Verschwendung von Ressourcen! Unser Geldsystem konterkariert alle politischen Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

Sie äußern viel Kritik an unserem Geldsystems. Was schlagen Sie als Alternative vor?
Die Alternative ist ein freier Markt für Geld. Jeder Marktteilnehmer soll das Geld verwenden dürfen, das er möchte. Das klingt nach Chaos, wäre es aber nicht. Geld ist ein Netzwerkgut. Je mehr Menschen ein Gut als Geld verwenden, desto größer ist der Nutzen für alle. Daher werden die Menschen sich sehr schnell – Marktentdeckungsverfahren nennt man das – auf eine oder einige wenige Geldarten einigen. Schließlich wollen sie ihre Geschäfte miteinander möglichst effektiv abwickeln. Der Staat kann übrigens weiter Geldemittent sein. Er müsste sich und das Bankensystem aber disziplinieren und aufhören mit der Geldvermehrung. Dann hätte vielleicht sogar staatliches Geld eine Chance im einsetzenden Wettbewerb.

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