Geldpolitik „Zinssenkungen erzeugen Scheinaufschwünge“

Dollarnoten Quelle: imago images

Die US-Notenbank hat abermals die Zinsen gesenkt, um die Konjunktur zu stützen. Der Investmentberater und Bestseller-Autor Andreas Marquart warnt: Die Geldflut der Notenbanken erodiert unseren Wohlstand und konterkariert alle Bemühungen um Nachhaltigkeit.

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Herr Marquart, rund um den Globus lockern die Zentralbanken die Geldpolitik. Billigeres Geld soll die Wirtschaft ankurbeln und die Inflation erhöhen. In Ihrem Buch „Crashkurs Geld“ kritisieren Sie die Politik der Geldvermehrung. Was ist so schlimm daran?
Die Geldvermehrung der Zentralbanken hat sehr viele schädliche Auswirkungen. Sie begünstigt einige Wenige auf Kosten der breiten Bevölkerung, der Staat gehört zu den Hauptprofiteuren. Außerdem führt die Ausweitung der Geldmengen zu Scheinaufschwüngen in der Wirtschaft, die irgendwann wieder in sich zusammenbrechen. Der Einbruch 2008 war so ein Ereignis. Auch die Eurokrise, die Griechenland, Spanien, Portugal und Irland an den Abgrund führte, ist ein Beispiel für solche Boom-Bust-Zyklen.

Aber benötigt eine wachsende Wirtschaft nicht eine wachsende Geldmenge?
Es ist ein großer Irrglaube, dass die Ausweitung der Geldmengen eine Volkswirtschaft wohlhabender macht. Wie soll das auch funktionieren? Geld ist Tauschmittel, mehr nicht. Es produziert keine Güter. Wohlstand entsteht durch Sparen und Investieren. Und sparen heißt Konsumverzicht. Man stelle sich nur einmal eine kleine Stadt vor, in der alle Leute fleißig sind, sparen, sich auf ihre Talente konzentrieren und sich die Arbeit teilen. Die Geldmenge in der Stadt bleibt gleich. Die Menschen werden wohlhabend, indem die Gütermenge, über die sie verfügen können, wächst. Es gäbe eine natürliche Tendenz zu sinkenden Preisen. Das heißt, die Kaufkraft pro Geldeinheit stiege. Wir können uns das nur nicht vorstellen, weil wir seit Jahrzehnten in einer Welt stetig steigender Geldmengen leben. Über weite Strecken des 19. Jahrhunderts, als Gold das vorherrschende Zahlungsmittel war, sanken die Güterpreise im Trend und der Wohlstand stieg.

Warum haben die Zentralbanken dann Angst vor Deflation?
In unserem Papiergeldsystem schöpfen die Zentral- und Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts, indem sie auf Knopfdruck Kredite vergeben. Das Geld, das wir haben, ist Schuldgeld, es entsteht mit der Aufnahme von Schulden. Wenn die Güterpreise plötzlich sinken, kann das für die Schuldner üble Konsequenzen haben. Nehmen Sie den Staat. Er ist einer der größten Schuldner. Eine seiner wichtigsten Einnahmequellen ist die Umsatzsteuer. Die hängt von den Güterpreisen ab. Fallende Preise heißt fallende Steuereinnahmen. Dem Staat fällt es dann schwer, seine Schulden zu bedienen, zumal seine Ausgaben vielfach durch Leistungsgesetze fixiert sind und kurzfristig kaum gesenkt werden können.

Andreas Marquart ist selbstständiger Investmentberater und Vorstand des Ludwig-von-Mises-Instituts Deutschland. Seine Bücher, die er zusammen mit Philipp Bagus schrieb, wurden in mehrere Sprachen übersetzt, darunter ins Koreanische, Taiwanesische, Spanische und Englische. Quelle: Presse

Was ist mit den Unternehmen und privaten Haushalten, leiden die bei Deflation etwa nicht?
Das hängt davon ab, wie flexibel Löhne und Preise sind. Sinken Löhne und Preise gleichermaßen, bleiben die Gewinne der Unternehmen und die Budgetsituation der Haushalte unverändert. In Japan etwa haben sich Löhne und Preise weitestgehend parallel nach unten bewegt. Das Land lebt daher schon seit mehr als 20 Jahren mit einer leichten Deflation. Probleme entstehen hingegen, wenn die Unternehmen und die privaten Haushalte hoch verschuldet sind und die Preise abrupt sinken. Reagieren die Löhne dann nicht schnell genug, kommt es zu Gewinneinbußen und Entlassungen. Verlieren die Arbeitnehmer ihre Jobs, können sie ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Dann bekommen die Banken Probleme, weil sie ihre Kredite wertberichtigen müssen. Anders als in einem Warengeldsystem wie dem Goldstandard können fallende Preise im Kreditgeldsystem daher üble Folgen haben.

„Geldsystem konterkariert alle Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit“

Sie schreiben in Ihrem Buch, die Politik der Geldvermehrung sei sozial ungerecht. Was meinen Sie damit?
Ein großer Teil der viel beklagten Ungleichheit hat seine Ursache in unserem Geldsystem. Denn von der Geldvermehrung profitieren diejenigen, die das frisch geschaffene Geld als Erste erhalten. Sie können damit Güter kaufen, wenn die Preise noch niedrig sind. Zu diesen Profiteuren zählen der Finanzsektor, die Großunternehmen und der Staat sowie die dort Beschäftigten. Die späteren Empfänger des neuen Geldes haben hingegen das Nachsehen. Sie können erst dann kaufen, wenn die Preise bereits gestiegen sind. Die Ausweitung der Geldmengen lässt darüber hinaus die Aktien- und Immobilienpreise überproportional steigen. Menschen, die also ohnehin schon vermögend sind, werden so noch reicher.

Seit Jahren wachsen die Staatsquoten in den Industrieländern. Ist das auch eine Folge des Geldsystems?
Der Staat ist – wie erwähnt - einer der Marktteilnehmer, die relativ früh über das neue Geld verfügen können. Außerdem kann sich der Staat in einem Geldsystem, in dem Geld aus dem Nichts entsteht, also nicht durch Ersparnisse gedeckt ist, relativ leicht verschulden. Beides führt dazu, dass der Staat größer werden kann, als es sonst der Fall wäre. Daher nehmen die Staatsausgaben einen immer größeren Anteil an der Wirtschaftsleistung ein.

Andreas Marquart neues Buch „Crashkurs Geld“ ist im Finanzbuch-Verlag erschienen. Quelle: Presse

Ohne die Geldvermehrung würde der Sozialstaat kollabieren.
Ohne Kredite aus dem Nichts würde sich das Ausmaß des Sozialstaats an der Bereitschaft der Bürger bemessen, diesen durch ihre Ersparnisse und Steuern zu finanzieren. Sozialleistungen und Subventionen müssten dann möglicherweise gekürzt werden. Aber das heißt nicht, dass unser Wohlstand sinkt. Denn es ist nicht der Staat, der den Laden am Laufen hält. Leider können wir nicht berechnen, wie wohlhabend wir wären, hätten wir ein besseres Geldsystem, niedrigere Steuern, und auch weniger Bürokratie, also weniger Staat.

Einige Politiker wollen auch Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen mit Krediten finanzieren. Wie sinnvoll ist das?
Die Umwelt hätte mehr davon, würden durch Zinssenkungen und Kredite aus dem Nichts nicht immer wieder Investitionen angestoßen, die ansonsten gar nicht rentabel wären. Für jede Investition werden knappe Mittel eingesetzt, Arbeitskräfte, Rohstoffe, Kapital, Boden. Die Ökonomen der Österreichischen Schule, allen voran Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek haben in ihren Arbeiten gezeigt, dass monetäre Stimuli wie Zinssenkungen Scheinaufschwünge erzeugen, die regelmäßig in Wirtschaftskrisen enden. Investitionsprojekte, die vormals rentabel erschienen, entpuppen sich dann als Fehlinvestitionen und müssen abgebrochen werden. Übrig bleiben Investitionsruinen, so wie in Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase. Was für eine Verschwendung von Ressourcen! Unser Geldsystem konterkariert alle politischen Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

Sie äußern viel Kritik an unserem Geldsystems. Was schlagen Sie als Alternative vor?
Die Alternative ist ein freier Markt für Geld. Jeder Marktteilnehmer soll das Geld verwenden dürfen, das er möchte. Das klingt nach Chaos, wäre es aber nicht. Geld ist ein Netzwerkgut. Je mehr Menschen ein Gut als Geld verwenden, desto größer ist der Nutzen für alle. Daher werden die Menschen sich sehr schnell – Marktentdeckungsverfahren nennt man das – auf eine oder einige wenige Geldarten einigen. Schließlich wollen sie ihre Geschäfte miteinander möglichst effektiv abwickeln. Der Staat kann übrigens weiter Geldemittent sein. Er müsste sich und das Bankensystem aber disziplinieren und aufhören mit der Geldvermehrung. Dann hätte vielleicht sogar staatliches Geld eine Chance im einsetzenden Wettbewerb.

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