Gerhard Schröder „Ich kann mit der Kritik leben“

Beim Eurasian Economic Forum in Verona holt Altkanzler Gerhard Schröder die Kritik an seinem neuen Job als Aufsichtsratschef von Rosneft ein. Er reagiert wie gehabt und fordert ein Ende der Sanktionen gegen Russland.

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Kritik an seiner Person und vor allem an seinem neuen Amt als Aufsichtsratschef des russischen Erdölkonzerns Rosneft ließ Schröder wie gewohnt an sich abperlen. Quelle: AP

Verona Altkanzler Gerhard Schröder sitzt neben Rosneft-Chef Igor Setschin auf einem Podium in Verona und spult seinen Teil der Präsentation des Ölkonzerns auf deutsch ab – auf altbekannte Weise ironisch und gelassen. Sein Ego ist auch in der neuen Funktion als Aufsichtsratschef des russischen Großkonzerns ungebrochen.

Zum Ende einer von russischen Journalisten beherrschten Pressekonferenz räumt er dann ein, dass es Kritik an seinem neuen Amt gegeben habe. Es hatte vor allem in Deutschland politische Vorwürfe auch aus der eigenen Partei SPD gegeben, da gegen Rosneft internationale Sanktionen verhängt worden sind und sich der ehemalige Bundeskanzler daher bei der Jobwahl nicht korrekt verhalten habe.

Er selbst könne mit der Kritik leben, so Schröder am Donnerstag: „Ich gehöre zu denen, die sagen: das ist mein Leben und ich tue das, was ich für richtig halte.“ Der Aufsichtsrat sei international und habe für ihn gestimmt. Und dann noch: „Ich bin ein Gegner des Versuchs, Russland zu isolieren.“ Rosneft-Boss Setschin, den ganzen Tag an Schröders Seite, nickt.

Die Zusammenarbeit von Russland und Europa in der Energiepolitik und natürlich die Sanktionen gegen das Land standen im Mittelpunkt des 10. Eurasian Economic Forums in der italienischen Opernstadt. Bei dem Forum war von Setschin über Ex-Kommissionspräsident und -Premier Romano Prodi bis zu Li Yong, Chef des chinesischen Energiekonzerns CEFC, Ivan Glasenberg von Glencore und  Emma Marcegaglia, der Präsidentin von Eni, die internationale Elite der Energiebranche vertreten. Doch mindestens dreimal an dem Tag des Austauschs über den Absatzmarkt vom Atlantik bis zum Pazifik kam im Forum die Sprache auf Gerhard Schröder und seinen neuen Job und das damit verbundene Geschmäckle.

Auf der Konferenz forderte die Beteiligten weitgehend übereinstimmend ein Ende der 2014 wegen der Krimkrise von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. „Es ist politisch unsinnig und ökonomisch gefährlich, Russland zu isolieren“, sagte Schröder. „Wir müssen auf ein Ende der Sanktionen hinarbeiten, denn wir brauchen den Markt und die vielfältigen Ressourcen“, so der Altkanzler. Es sei unsinnig, die russische Wirtschaft zu destabilisieren.

Zu den Einschränkungen durch die Sanktionen kommt in der Trump-Ära ein neues Szenario: die Überlegungen der US-Regierung, ihre Sanktionen extraterritorial auszuweiten. In Washington wird überlegt, Strafmaßnahmen auch gegen europäische und damit auch deutsche Firmen anzuwenden, die sich in Russland oder im Iran engagieren, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der Nordstream-2-Pipeline. Auch hier ist der Altkanzler involviert, denn er ist neben dem Rosneft-Job auch Vorsitzender des Verwaltungsrats von Nordstream, das zu Gazprom gehört.


Die Musik spielt in China

Es gebe divergierende Interessen zwischen Russland und der EU auf der einen und den USA auf der anderen Seite, sagte Schröder. „Ich denke, man hat in der EU verstanden, dass die USA die energiepolitische Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland reduzieren wollen.“ Doch die Kommission habe deutlich gemacht, dass sie das nicht hinnehmen werde. Es sei zudem noch nicht klar, wer von was betroffen sein werde. „Mein Wunsch ist es, dass die EU-Kommission sehr deutlich macht, dass dies eine Art von Ausübung von Druck ist, die gar nicht geht. Und ich gehe auch davon aus, dass die neue deutsche Bundesregierung ähnlich verfährt.“

Dann kehrte er in seine neue Rolle als Rosneft-Angestellter zurück und erklärte dem Publikum, dass es im amerikanischen Interesse liege, den europäischen Markt mit Shale-Gas (Schiefergas) zu bedienen. Dabei sei doch die Anbindung Europas an die bestehenden Gas-Pipelines preiswerter. Über Vorteile für Kunden sprach auch Setschin, ein Putin-Vertrauter. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen werde weiter wachsen trotz Elektroautos. Man brauche nur an die Lebensdauer der Akkus zu denken, sagte er und ließ eine Flut von Grafiken an die Wand werfen. Sanktionen seien gegen die Interessen der Konsumenten. Und Rosneft wolle nicht kurz-, sondern langfristig planen.

Alle konkreten Fragen bügelte er ab. An Lukoil sei er nicht interessiert, erklärte er und knapp blieb er auch bei genauen Einzelheiten zu einem kürzlich geschlossenen Deal. Die Rosneft-Aktionäre Glencore und Qatar Investment Authority (QIA) hatten ihren Anteil von 14,16 Prozent an die China Energy Company Limited (CEFC) verkauft und noch wenige Aktien behalten.

Doch eines wurde deutlich beim Forum, das die seit 2015 bestehende Eurasische Wirtschaftsunion vertritt: Die Musik spielt in China. Li Yong, Exekutivdirektor von CEFC, saß direkt neben dem Altkanzler und war ein gefragter Gesprächspartner. Ob Russland in Richtung Asien abdriftet, wurde in Verona nicht auf der Bühne, sondern in den Pausen in den Gängen diskutiert. „Unsere Zusammenarbeit entwickelt sich gut“, sagte Li Yong zu Rosneft-Chef Setschin.

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