Gipfeltreffen im Kanzleramt Haben sich die sechs Stunden mit Putin gelohnt?

Die Erwartungen waren niedrig, die Ergebnisse sind bescheiden. Aber kleine Fortschritte hat der Gipfel mit Putin in Berlin gebracht. Für Kanzlerin Merkel ist das Wichtigste, dass man überhaupt mal wieder geredet hat.

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Viel erreicht hat Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen mit Putin nicht. Quelle: dpa

Berlin Der erste Berlin-Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin seit vier Jahren dauerte nur wenige Stunden. Das Gipfeltreffen im Kanzleramt, zu dem er aus Moskau anreiste, wird wohl nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Immerhin gab es aber kleine Fortschritte, die angesichts der desaströsen Lage in Syrien und des stockenden Friedensprozesses in der Ukraine dringend notwendig sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel war anschließend zwar nicht so richtig zufrieden, bereute die Einladung an Putin aber auch nicht.

Was wurde zur Ukraine-Krise beschlossen?

Wenig Greifbares. Es soll ein neuer detaillierter Zeitrahmen für die Umsetzung des Minsker Friedensplans vom Februar 2015 entworfen werden. Das gilt vor allem für den politischen Teil mit Wahlen und mehr Autonomie für die Separatistengebiete. Der Plan soll bis Ende November bei einem Treffen auf Ministerebene verabschiedet werden. Die begonnene „Entflechtung“ der Truppen an der Frontlinie an drei Testabschnitten in der Ostukraine soll auf weitere vier Gebiete ausgeweitet werden. Und eine bewaffnete OSZE-Mission soll im Unruhegebiet Donbass arbeiten – was die Aufständischen ablehnen.

Sind die Berliner Ergebnisse ein echter Fortschritt?

Es ist auf jeden Fall kein Durchbruch. Aber allein das Zustandekommen des Treffens kann schon als Fortschritt gelten. Noch im August hatte Russlands Präsident Wladimir Putin Gespräche dieser Art als „sinnlos“ bezeichnet. Im Hauptkonflikt - wann und zu welchen Bedingungen die Ukraine die Kontrolle über ihre Grenze zurückerhält – brachte der Gipfel jedoch keine Annäherung.

Wie geht es weiter?

In Arbeitsgruppen sollen sich die Separatisten und Kiew auf einen Zeitplan für die Umsetzung der Friedensvereinbarungen einigen. Die Frist bis Ende November wird kaum einzuhalten sein. Sowohl Kiew als auch die vom Kreml unterstützten Aufständischen spielen auf Zeit.

Hat der Gipfel auch Bewegung in den Syrien-Konflikt gebracht?

Zumindest gibt es einen Funken Hoffnung, ein Signal der Deeskalation. Moskau und die syrische Regierung hatten bereits vor dem Gipfel ihre Bombardements auf Aleppo eingestellt. Putin erklärte sich zudem in Berlin bereit, die ursprünglich nur für acht Stunden am Donnerstag geplante Feuerpause auszuweiten. „Wir sind bereit, das zu tun, solange die Banden, die sich in Aleppo verschanzt haben, nicht aktiv bleiben“, sagte Putin vor seiner Abreise aus Berlin.

Ist das mehr als ein Lippenbekenntnis?

Schwer zu sagen. Am Morgen nach dem Gipfel meldete die syrische Agentur Sana, dass die Waffenruhe bis Samstag täglich elf Stunden gelten soll, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Das passt zu den Putin-Worten aus der Nacht. Was daraus wird, ist eine andere Frage.

Hält die Feuerpause denn zunächst einmal?

Schon kurz nach Beginn gab es einen Schusswechsel zwischen Soldaten des Regimes und Rebellen in Aleppo. Weitere Zwischenfälle wurden aber bis zum Nachmittag nicht gemeldet.

Ist man dem langfristigen Ziel einer Lösung näher gekommen?

Nein. Das war aber auch nicht das Ziel des Treffens. Für Merkel und Hollande ging es um zwei Dinge: Kurzfristig humanitäre Hilfe für die Menschen in Aleppo zu ermöglichen und Putin mal richtig die Meinung zu sagen. Es habe eine „sehr klare und auch sehr harte Aussprache“ zum Thema Syrien gegeben, sagte Merkel.

Sind neue Sanktionen gegen Russland zu erwarten?

Zunächst nicht. Die EU will sich die Option aber offenhalten.

Hat sich der Gipfel aus Sicht der Gastgeberin gelohnt?

Für die Kanzlerin ist das Wichtigste, dass der Gesprächsfaden mit Putin aufrecht gehalten wird – vor allem, weil zwischen Washington und Moskau in Sachen Syrien derzeit nicht viel läuft. „Es ist dringend notwendig, immer wieder solche Treffen zu machen, um das Momentum nicht zu verlieren“, sagt Merkel.

Hat Putin vom Gipfel profitiert?

Moskauer Staatsmedien feiern den Kremlchef als „Verteidiger von Donezk und Aleppo“. Putin habe Russlands Interessen in der Ukraine und in Syrien verteidigt. Zugeständnisse hat der Präsident aber gemacht, zum Beispiel eine bewaffnete OSZE-Mission in der Ostukraine. Putin habe das Treffen ernst genommen, sonst hätte er nicht seinen Berater Wladislaw Surkow mitgenommen, meint der kremlkritische Radiosender Echo Moskwy. Surkow gelte als derjenige in Moskau, der die ostukrainischen Separatisten eigentlich „steuere“.

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