Glasgow Baustelle Klimagipfel: Was beschlossen wurde – und was noch nicht

Klimaschutzaktivisten protestieren in Glasgow gegen Schlupflöcher. Quelle: REUTERS

Stopp der Wald-Zerstörung und ein baldiges Aus für Benzin- und Dieselautos: Schon vor dem offiziellen Ende der UN-Klimakonferenz haben in Glasgow Dutzende Staaten wichtige Vereinbarungen getroffen. Ein Überblick.

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Die Rettung des Planeten vor einer drohenden Klimakatastrophe ist dringend – aber auch kompliziert. Nicht umsonst haben sich die Staaten zwei Wochen Zeit genommen, um auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow bei den vielen Baustellen der Klimapolitik voranzukommen. Doch das zentrale Ziel, die Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, ist kurz vor dem geplanten Ende an diesem Freitag noch immer in weiter Ferne. Ein Überblick über die größten Streitpunkte und wichtigsten Ankündigungen.

Mehr Geld für ärmere Staaten

Längere Dürren, mehr Starkregen, häufigere Überschwemmungen: An Folgen der Erderhitzung müssen sich Menschen weltweit anpassen, vor allem in den armen Staaten auf der Südhalbkugel. Dafür soll mehr Geld fließen als bisher. Im Entwurf für die Abschlusserklärung werden die Staaten aufgefordert, die Finanzhilfen bis 2025 zu verdoppeln im Vergleich zu jetzt. Derzeit fließen dafür weltweit etwa 20 Milliarden Dollar (rund 17,5 Milliarden Euro), diese müssten also auf 40 Milliarden aufgestockt werden.

Noch mehr Geld für schon entstandene Schäden

Geld für Schäden, die schon jetzt infolge der Erderwärmung entstanden sind, ist seit zig Jahren eins der größten Streitthemen zwischen reichen und ärmeren Ländern. Erstmals könnte es nun ein Finanztopf dafür in den Abschlusstext schaffen, zumindest war dies im jüngsten Entwurf vorgesehen. Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam sieht das aber nur als „Trippelschritt in die richtige Richtung“. Es gebe keinerlei Verpflichtung für die Staaten. Und wenn, fließe wohl auch nur Geld für technische Unterstützung. „Das ist so, als wenn der Brandstifter dem Eigentümer des zerstörten Hauses sagt: Ich zahle aber nur den Architekten für den Neubau.“

Bremse bei der Erderwärmung

Schon vor dem Gipfel war klar: Die bisherigen Klimaschutzpläne der Nationen reichen bei weitem nicht aus, um das angestrebte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Der jüngsten Analyse des sogenannten Climate Action Tracker zufolge steuert die Welt stattdessen mit den bisherigen Ankündigungen auf 2,4 Grad zu bis zum Jahr 2100 – aber auch nur unter der sehr optimistischen Annahme, dass alle Versprechungen der Staaten für dieses Jahrzehnt auch eingehalten werden. Deshalb ist klar: Es muss weiter nachgebessert werden, bis die Pläne mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sind. Der jüngste Entwurf des Glasgower Abschlusstextes drängt die Staaten dazu, das bis Ende 2022 zu tun. Einige Staaten haben jedoch bislang überhaupt keinen Plan vorlegt und wollen sich nicht drängeln lassen.

Der Abschied von den Klimasünden

Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gilt als zentral für die Chance auf 1,5 Grad. Doch Länder wie Australien oder China wollen noch Jahrzehnte weiter Kohle verbrennen. Trotzdem könnte ein Appell zum Abschied von der Kohle erstmals Eingang in einen COP-Abschlusstext finden. Die Staaten sollen aufgerufen werden, sich von „ineffizienten Subventionen“ für Öl, Gas und Kohle zu verabschieden und Kraftwerke abzuschalten, bei denen das ausgestoßene Kohlendioxid nicht gebunden wird – etwa in tiefen Gesteinsschichten. Kowalzig gibt zu bedenken, dass es „effiziente Subventionen“ in klimaschädliche Energie in einer 1,5 Grad-Welt gar nicht geben könne.

Mehr als 40 Staaten bekannten sich in den ersten Tagen der COP konkret zum Abschied von der Kohle. Die Industriestaaten wollen demnach in den 30er Jahren aus der Kohle aussteigen, andere spätestens in den 40er Jahren. Außerdem sagte eine Reihe von Staaten zu, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren. Letzterer Allianz schloss sich Deutschland erst mit einigen Tagen Verspätung an.

Aus für Benzin- und Dieselautos

Zwei Dutzend Staaten vereinbarte, ein Enddatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festzusetzen. Mit dabei sind auch sechs große Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford. Die Regierungen wollen, dass alle Verkäufe von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 emissionsfrei sind, und in den führenden Märkten bis spätestens 2035. Die Autokonzerne sollen spätestens 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Autos und Vans verkaufen. Deutschland ist zunächst nicht dabei, weil man sich in Berlin nicht einig wurde.

Stopp der Öl- und Gasproduktion

Rund ein Dutzend Staaten wollen unter der Führung von Dänemark und Costa Rica konkrete Ausstiegdaten für die Öl- und Gasproduktion festlegen. Der dänische Klimaminister Dan Jørgensen sagt dazu: „In einer 1,5-Grad-Welt gibt es keinen Platz für Öl und Gas.“ Deutschland gehört wie bereits bei mehreren anderen internationalen Allianzen nicht zu den Unterzeichnern.

Der Methan-Pakt

Oft ist hauptsächlich von CO2 die Rede, wenn es um Treibhausgase geht. Ein problematisches Gas ist auch Methan, das in der Landwirtschaft, auf Abfalldeponien oder in der Öl- und Gasindustrie entsteht und dem Weltklimarat zufolge für die Hälfte der Klimaerwärmung verantwortlich ist. Mehr als 100 Staaten haben sich unter Führung der EU und USA das Ziel gesetzt, ihre Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken.

Das Entwaldungs-Ziel

Bäume speichern CO2 – und sind damit die wichtigsten natürlich Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung. Es sorgte deshalb für viel Aufsehen, als sogar Brasilien und mehr als 100 weitere Staaten sich in Glasgow dazu verpflichteten, die Zerstörung ihrer Wälder und anderer Ökosysteme bis zum Ende des Jahrzehnts zu stoppen. Experten sind skeptisch: Sie wiesen darauf hin, dass eine sehr ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014 vollkommen wirkungslos geblieben sei.

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Viele dieser Ankündigungen klingen groß, sind einer ersten Analyse zufolge jedoch nur ein Bruchteil dessen, was nötig ist. Die Experten des Climate Action Tracker errechneten, dass die neuen Ankündigungen für Methan, Kohle, Wälder und Verkehr bei voller Umsetzung nur neun Prozent der Lücke schließen würden zwischen den bisherigen Plänen der Staaten und dem, was das 1,5-Grad-Ziel verlangt.

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