Globalisierung in der Krise Trump ist das Symptom, Macht ohne Verantwortung die Ursache

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Die Zukunft in einer multipolaren Welt?

Das alles ist nicht falsch zu verstehen: Die internationale Rechtsordnung, wie sie seit dem zweiten Weltkrieg entstanden ist, sieht nicht nur Stiglitz als „Quelle unseres Wohlstands und einmalig positive Errungenschaft.“ Internationale Verträge, einklagbare Rechte, Standards, die für alle gelten, machen den Unterschied und sind die Bollwerke gegen Willkür und jene Art von Deal-Ökonomie, die Donald Trump offenbar vorschwebt und die eher im Mittelalter denn in der aufgeklärten Gegenwart anzusiedeln wäre. Nur, dass die grassierende Verantwortungslosigkeit dem, was viele als „Globalisierung“ verstehen, zugeschrieben wird, ist nun zunächst mal so. Und darauf muss reagiert werden.

Die illustre Gästeliste von Davos
Chinas Staatschef Xi JinpingEr ist der „Star“ des diesjährigen Wirtschaftstreffens: Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping reist an der Spitze einer großen Delegation erstmals nach Davos. Peking hat nach Expertenmeinung seit dem Wahlsieg Trumps und dem Brexit-Votum seine Bemühungen forciert, mithilfe regionaler Freihandelsabkommen und der Bereitschaft zum Kampf gegen den Klimawandel eine gewichtigere weltpolitische Rolle zu spielen. Quelle: AP
US-Außenminister John KerryKerry ist der am meisten gereiste Außenminister in der Geschichte der USA. Zum Abschluss seiner letzten Reise als Chefdiplomat wird er am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnehmen. Zwei Tage später wird Donald Trump zum US-Präsidenten vereidigt. Der ehemalige Ölunternehmer Rex Tillerson soll Kerrys Amtsnachfolger werden. Quelle: REUTERS
Trump-Berater Anthony ScaramucciProminente Namen aus dem Umfeld des künftigen US-Präsidenten sucht man vergebens. Lediglich der Name Anthony Scaramucci taucht auf der Teilnehmerliste auf. Der New Yorker Financier soll Trump künftig als Berater im Weißen Haus zur Seite stehen. Quelle: AP
US-Vizepräsident Joe BidenDie Delegation der abtretenden Regierung Obama ist hingegen ziemlich hochkarätig besetzt. Neben Außenminister John Kerry reist auch Vizepräsident Joe Biden nach Davos. Quelle: AP
IWF-Chefin Christine LagardeAuch Christine Lagarde kann man in Davos antreffen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde erst kürzlich von einem Gericht für schuldig erklärt, in ihrer Zeit als französische Finanzministerin fahrlässig gehandelt zu haben. Quelle: AP
Saudischer Energieminister Khalid al-FalihNachdem sich die Opec-Mitglieder und Nichtmitglieder auf eine Ölförderquote geeinigt haben, wird mit Spannung erwartet, ob sich alle Förderstaaten an das Abkommen halten. Saudi-Arabien hat laut Energieminister Khalid Al-Falih seine Ölförderung erst kürzlich auf weniger als 10 Millionen Barrel pro Tag reduziert. Die Förderung liegt damit unter dem mit dem Ölkartell Opec und anderen Ölförderländern vereinbarten Niveau. Quelle: REUTERS
Facebook-Managerin Sheryl SandbergEin zentrales Thema in Davos: Was bedeutet die fortschreitende Digitalisierung für die Menschheit? Unter den IT-Vertretern sticht vor allem der Name von Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg heraus. Quelle: AP

Wie also da herauskommen? Dazu hat die Schweizer Großbank Credit Suisse dieser Tage eine bemerkenswerte Studie vorgelegt. „Die Globalisierung weiterdenken“ ist sie überschrieben. Und Bankpräsident Urs Rohner beeilte sich auch, zunächst festzuhalten: „Die Globalisierung war der stärkste wirtschaftliche Treiber der letzten Jahrzehnte.“ Allerdings müsse sich dieses System nun ändern. „Insbesondere für international tätige Unternehmen werden Veränderungen des globalen Handels und die politische Regionalisierung eine Herausforderung darstellen.“

Denn die Credit-Suisse-Analysten glauben, auf die jetzige Ansehenskrise eines weltweit gültigen Handelssystems, wie es etwa die Welthandelsorganisation WTO vertritt, folge eine deutlich kleinteilig strukturiertere Wirtschaftswelt mit verschiedenen Kraftzentren und ohne allgemeingültiges Regelwerk. „Die Straße zur Multipolarität ist aus unserer Sicht eine realistische Perspektive und ein Szenario, das einem Ende der Globalisierung vorzuziehen ist“, sagt Michael O’Sullivan, Chef-Vermögensverwalter der Schweizer Bank. Was er damit meint? Die Welt könne auf eine multipolare Ordnung zulaufen, mit eigenständigen Blöcken, die ihre Angelegenheiten zunächst mal selbst regeln und eher punktueller in Wirtschaftsfragen kooperieren.

Selten seit dem Zweiten Weltkrieg war die Lage so unvorhersehbar. Die Wirtschaftswelt wird sich schon in diesem Jahr grundlegend verändern. Politiker, Manager und Ökonomen ringen um Antworten
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Das Credit Suisse Research Institute (CSRI) sieht verschiedene Entwicklungen der Multipolarität, nicht nur hinsichtlich der Wirtschaftsmacht, sondern insbesondere auch in Bezug auf militärische Macht, politische Freiheit und Cyberfreiheit, technologische Komplexität, das Wachstum des Finanzsektors und im weiteren Sinne auch das kulturelle Prärogativ und Vertrauen. Der Übergang, glauben die Banker, von der Globalisierung hin zu einer multipolaren Welt habe bereits begonnen. Es sei deshalb besser, sich politisch auf die Schaffung eines multipolaren Systems zu konzentrieren, das dank klarer Regeln und relevanter Institutionen gut funktioniert.

Credit-Suisse-Vermögensmanager O’Sullivan jedenfalls sagt: „Wer nach wie vor an eine globalisierte Welt glaubt, wie wir sie kennen, wird enttäuscht werden.“

Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet

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