Globalisierung in der Krise Trump ist das Symptom, Macht ohne Verantwortung die Ursache

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Elite abgekoppelt, Arbeitnehmer verunsichert

Neben ihm auf der Bühne saß Martin Sorrell, der Chef des weltweit größten Werbenetzwerkes WPP, und sagte: „Wir, die wir die großen Unternehmen dieser Welt leiten, müssen wieder langfristig Verantwortung übernehmen.“ Man müsse Gewinne erwirtschaften, um Menschen Perspektiven zu verschaffen und nicht, wie in den vergangenen Jahren geschehen, Aktionäre zu bereichern. Und vermutlich liegt genau da der Punkt: In den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen die Marktwirtschaft blühte wie nie, wurden die Geschicke in Unternehmen, und vielleicht auch in der Politik, in zu vielen Fällen von Menschen geführt, deren Drang zur Macht deutlich stärker ausgeprägt war als ihr Drang, auch die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen.

Ein paar Beispiele: Die Globalisierung war keine Öffnung der Grenzen für fairen Handel sondern ein Konjunkturprogramm für die Oberschicht. Die Digitalisierung ist bisher keine Bewegung für eine bessere Welt sondern für eine Abkopplung der Elite. Die Entfesselung der Finanzmärkte war kein Geheimrezept für immerwährendes Wachstum sondern ein Instrument zur Entkopplung von Haftung und Risiko. Die Liberalisierung der Arbeitsmärkte hat nicht nur mehr Arbeitsplätze sondern für etwa die Hälfte der Bevölkerung mehr Unsicherheit gebracht. Und die Wachstumsgewinne der jüngeren Vergangenheit haben vor allem noch mehr Wohlstand für Vermögende geschaffen.

Eine deutsche Lebenslüge

Und diese organisierte Flucht vor der Verantwortung ist nicht nur bei den gerne gescholtenen angelsächsischen Vulgärliberalen zu finden. Sie gilt – vielleicht in anderer Hinsicht, aber in diesen Tagen ebenfalls kaum zu leugnen – auch für jene deutschen Ökonomen, Verbandsfunktionäre und (meist konservative) Politiker, die über Jahre predigten, die Ausrichtung der deutschen Volkswirtschaft auf ihre Exporte in die Länder dieser Welt sei das Geheimrezept für immerwährenden Erfolg. Als würde die Welt den Deutschen auf immer Waren abkaufen, wenn nicht auch die Deutschen ihnen etwas abkaufen.

Deswegen geht der Trend massiv gegen Globalisierung

„Handel zwischen Ländern ist eine Straße, die in beide Richtungen befahren werden muss“, sagt Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Und die Vorstandschefin der Großbank Santander, Ana Botin, sagt: „Es können nicht alle nur Autos bauen und exportieren. Das ist kein nachhaltiges Rezept für die Welt.“ Dass den Deutschen etwas anderes vorgemacht wurde, darf als Lebenslüge in die Geschichtsbücher eingehen – als Scheitern ihrer Vertreter an der Verantwortung ihrer Ämter.

Das sich nun andeutende Stocken der Globalisierung, die sich anbahnende Krise des Freihandels, sind eher die Kollateralschäden dieser Entwicklung. Wohl auch, weil viele Menschen das Gefühl haben, der Zusammenhang von Handeln und Verantwortung sei in kleineren, meist nationalen (darauf weist etwa Ex-US-Präsidentenberater Larry Summers dieser Tage hin) Verbünden deutlich leichter herzustellen als in großen internationalen Organisationen. „Dass ständig nationale Regierungen die Verantwortung für alle Fehler auf Brüssel abschieben, ist eines der Hauptprobleme Europas“, sagte der scheidende Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPD) diese Woche auf einem Davoser Podium. Und das gelingt eben nur, weil die fehlende Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme auf ein so unübersichtliches System trifft, dass die Beteiligten damit durchkommen.

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