Görlachs Gedanken

Der amerikanische Klassenkampf eskaliert

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Die Gewaltspirale kommt in Gang

Das perfide an Praktiken wie dem red-linig ist, dass gut meinende, nicht rassistische weiße Amerikaner sie nicht mitbekommen. Deshalb scheinen Millionen Amerikaner von dem Ausmaß der jüngsten Ausschreitungen überrascht zu sein. Manche nennen dies reverse-racism.
Aber das verfängt nicht, denn die von der Polizei erschossenen Menschen sind nur ein Aspekt. Ein anderer ist die Gegen-Gewalt, die wir vergangene Woche in Dallas erlebet haben, als ein Heckenschütze fünf Polizisten ermordete. Diese Morde aus dem Hinterhalt waren besonders heimtückisch und niederträchtig, verabscheuungswürdig und nicht hinnehmbar. Und  so beginnt die Spirale, deren Ende im Moment nicht in Sicht ist. Auch über die Vermeidung weiterer Eskalation streiten die Gelehrten. Wie ausbrechen aus einem Kreislauf von Gewalt?

Wie bei vielen Problemen in der US-Gesellschaft geht der Blick auf die Waffen, die frei verfügbar sind und die jeden Konflikt zur Eskalation treiben. In den Vereinigten Staaten wird im November gewählt und Donald Trumps Position zum Waffenrecht ist in etwa so zielführend wie der Auftrag, mit einem Sieb Wasser aus dem See zu holen. Trump ist überzeugt, die Amerikaner sollten möglichst viele Waffen haben, um auf Angreifer schießen zu können. Dabei müssten die USA ihre Waffengesetze ändern, anderenfalls ufern die Konflikte, denen sich die Gesellschaft ausgesetzt sieht, noch weiter aus.

Die Leave-Kampagne hat gelogen – es gibt keine guten Argumente für den Brexit und allmählich wachen die Briten nun auf. Doch das reicht nicht. Wir müssen uns vor den Populisten schützen, wir müssen die EU schützen.

Dem Rassen-Konflikt wird auf diese Weise nicht beizukommen sein. Aus der rassischen Benachteiligung ist längst auch eine Klassen-Benachteiligung geworden. Die beiden bedingen einander, aber die wirtschaftliche Benachteiligung gäbe es ohne rassistische Vorurteile und den Hass nicht. Die soziale Benachteiligung und Isolation ist allumfassend. Sie erfasst alle Bereiche des Lebens und spiegeln sich nur schlecht in Datensätzen, die Rahmendaten von Bevölkerungen zeigen. Aber egal, auf welche Studie man schaut, das Ergebnis vernichtend: das Durchschnittseinkommen in schwarzen Haushalten liegt unter dem von Weißen, der "Wealth", also Besitz, ebenfalls. Hieran wird besonders deutlich, dass der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär nicht für schwarze Mitbürger gilt. Er geht so weit, dass unbescholtene schwarze US-Bürger weniger häufig einen Job bekommen als weiße, die bereits einmal eines Verbrechens überführt wurden.

Benachteiligung treffen auch Mexikaner und Homosexuelle

Trauriges Fanal der Benachteiligung nach Wohnort und Einkommen (und damit nach Rasse), und auch versteckte Ankündigung dessen, was sich dieser Tage zeigt, war im Gefolge des Hurrikan Katrina zu sehen: die Gebiete, in denen Weiße wohnten, wurden besser versorgt und den Menschen geholfen, die schwarze Bevölkerung musste im Stadion ausharren. Als wäre das noch nicht genug, haben Teile des weißen Amerika schon den nächsten Gegner im Visier: die Mexikaner. Donald Trumps Rhetorik wird nicht zurückgewiesen, sondern durch hohe Vorwahlergebnisse bestätigt. Und auch den Homosexuellen im Land geht es nicht besonders gut. In verschiedenen Bundesstaaten gibt es Gesetze, wonach Geschäftsinhaber und Hoteliers homosexuelle Menschen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung zurückweisen dürfen. Red-Lining für Schwule und Lesben.

Trump „jämmerlich unvorbereitet“ für Präsidentschaft
„Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel werden, und ihr wisst, was für eine Katastrophe diese massive Einwanderung für Deutschland und die Menschen Deutschlands ist“, sagte Trump Mitte August in einer außenpolitischen Rede in Youngstown (Ohio). „Die Kriminalität ist auf ein Niveau gestiegen, das niemand geglaubt hat, je zu sehen.“ Die USA hätten genug Probleme, ohne sich durch die ungezügelte Aufnahme syrischer Flüchtlinge weitere aufzubürden. Quelle: AP
„Jämmerlich unvorbereitet“, um die USA als Präsident führen zu können, ist Donald Trump nach Aussagen von US-Präsident Barack Obama. Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus forderte Obama die Republikaner am Dienstag auf, Trump nicht mehr zu unterstützen. Dabei gehe es um mehr als unterschiedliche Ansichten politischer Natur, sagte Obama. Trotz des wachsenden Unmuts gegenüber Trump hat bisher kein Republikaner ihm seine Unterstützung entzogen. Obama sagte, republikanische Politiker hätten wiederholt feststellen müssen, dass Äußerungen Trumps inakzeptabel seien. „Warum unterstützen Sie ihn dann noch?“, fragte Obama. Quelle: dpa
„Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort - großartige Gebäude“, sagte Donald Trump in einer Rede und zeigte, wie es um seine geographischen Kenntnissen bestellt ist. „Ich war mal dort, vor vielen, vielen Jahren. Vor ein paar Monaten habe ich dann ein Statement abgegeben, nach dem Motto, Belgien ist ein elendes Loch. Dafür wurde ich dann schwer kritisiert, man hat gesagt, was für eine böse Sache - und dann hatten sie in Belgien dieses massive Problem.“ Quelle: dpa
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat die Washington Post von künftigen Wahlkampfauftritten ausgeschlossen: Auf Facebook bezeichnete er das Blatt als "unehrlich und verlogen". Die Washington Post hatte erst kürzlich kritisch über den Milliardär berichtet. In den Augen von Trump sei die Berichterstattung "unglaublich fehlerhaft", deshalb habe er der Zeitung die Akkreditierung für seine Wahlkampfveranstaltungen entzogen.Der umstrittene republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump ist ein Quereinsteiger und hat noch nie ein politisches Amt bekleidet. Im Wahlkampf macht er immer wieder mit skurrilen Aussprüchen auf sich aufmerksam. Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: dpa
Trumps Knaller nach dem Sieg in den Vorwahlen von Nevada: „Wir haben bei den Evangelikalen gewonnen. Wir haben bei den Jungen gewonnen, wir haben bei den Alten gewonnen. Wir haben bei den gut Gebildeten gewonnen, wir haben bei den schlecht Gebildeten gewonnen. Ich liebe die schlecht Gebildeten.“ Quelle: REUTERS

Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder bewiesen, dass sie sich neu erfinden können. Sie mögen sich daran erinnern, denn die neuen Herausforderungen, die auf das Land zurollen, sind immens. Der Präsidentschaftswahlkampf spaltet die zudem. Sollte der Wille des Volkes auf Donald Trump fallen – nicht auszudenken, was diese Manifestation des rassistischen Ressentiments der US- und der Weltwirtschaft antun würde.

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