Wir erleben nichts anderes als den Türxit, die Verabschiedung der Türkei aus dem Reigen der westlichen Nationen, das Ende eines EU-Beitrittskandidaten. Der Vergleich zu England drängt sich auf. Mit falschen Argumenten und unbelegten Behauptungen soll die türkische Bevölkerung dazu gebracht werden, für ein Referendum zu stimmen, dass die Türkei in ein System verwandelt mit Erdoğan an der Spitze. Dessen Macht wird dann auch vom Gesetz her nahezu uneingeschränkt sein. Wie er seine Machtfülle ausübt, hat schon heute Auswirkungen auf die europäischen Staaten, die eine türkische Auslandsgemeinde haben. Über die türkischen Moscheen, so legen es Medienberichte, unter anderem von Foreign Policy nahe, hat er gezielt seine Gegner im Ausland ausspionieren lassen.
Spionage unter dem Deckmantel des Islam? Damit erweist er den Türkinnen und Türken keinen Dienst, wobei für ihn jedes Ressentiment, das man im Westen gegen sein Land und seine Bürger hegt, ein Erfolg ist und ihm hilft, seine Landsleute weiter zu isolieren und ihm in die Arme zu treiben. Die Aussage, dass bald kein Europäer mehr sicher auf der Straße ist, kann wie ein Aufruf zur Gewalt gelesen werden. Auch seine Aufforderung an die Türken im Ausland, durch hohe Geburtenzahlen die Länder, in denen sie leben, zu unterwandern hat alles Potential, das mühsam durch Integration Errungene zu zerstören.
Die Türkei hat unter Recep Tayyip Erdoğan keine Chance, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Die Wiedereinführung der Todesstrafe würde das Ende aller Beitrittsgespräche besiegeln. Allein der Zustand des Landes jetzt würde schon ausreichen, ein solches Ende der Gespräche zu legitimieren. Aber sollten die Türken am 16. April gegen dieses Präsidialsystem stimmen, wäre die EU wieder eine Perspektive – eine Art Hoffnung für eine Zeit nach Erdoğan. Dieses Datum sollte in Brüssel, Berlin, Paris und Rom abgewartet werden.