Görlachs Gedanken

Krieg gegen die Medien? Donald Trump verachtet die Demokratie!

Donald Trump ist überzeugt, er stecke in einem „Krieg gegen die Medien“. Und er setzt auf „alternative Fakten“, also Lügen. Der US-Präsident greift damit die Meinungsfreiheit und Demokratie selbst an. Welche Schlüsse wir daraus ziehen müssen.

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Donald Trump sieht sich im

Seine erste Attacke im neuen Amt galt den Journalisten. Donald Trump hat also nicht lange gefackelt. Sein Antrittsbesuch bei der CIA, der Central Intelligence Agency, geriet zu einer großen "Ich, ich und noch mal ich"-Show. Zitiert werden in den Medien nun ehemalige Geheimdienstchefs, die sich geschockt zeigten, von den Äußerungen des neuen Präsidenten. Dieser hatte, zusammen mit dem Rundumschlag gegen Journalisten, behauptet, niemals etwas gegen die Geheimdienste gesagt zu haben.

Das Gegenteil ist der Fall – festgehalten auf YouTube, jeder, der möchte, kann sich die Szenen anschauen. Wie kann ein Mensch behaupten - und dies ist nun wiederholt vorgekommen - dass er etwas nicht gesagt habe, obwohl ihm das Gegenteil, meist von Journalistinnen und Journalisten, bewiesen werden kann? Vor seiner Inauguration meldeten sich US-amerikanische Psychiater zu Wort. Ihr Befund: dass der zukünftige Präsident eine gestörte Persönlichkeit habe, dass er ein krankhafter Narzisst sei. Vielleicht ist das die Erklärung? 

An seinem ersten Tag als Commander-in-Chief der größten Weltmacht unter der Sonne hatte Donald Trump also nichts Besseres zu tun, als die Medien zu attackieren. Scharf, sehr scharf. Er sieht sich in einem „Krieg gegen die Medien“. Und er droht ihnen Konsequenzen an, wenn sie aus seiner Sicht falsche Informationen verbreiten. Schon im Wahlkampf hatte er angekündigt, die Pressefreiheit einzuschränken. Stein des jüngsten Anstoßes waren zwei Fotos, die ein Journalist der New York Times nebeneinander gestellt hatte. Das eine zeigt die Amtseinführung von Barack Obama im Jahr 2009, das zweite die Amtseinführung von Donald Trump. Bei Obama kamen deutlich mehr Menschen als bei Donald Trump.

Das kann ein Narzisst wie Trump natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Und so wird gefeuert. Die Medien würden lügen: Zu seiner Amtseinführung seien so viele Menschen gekommen wie nie zuvor. Nun – das ist die Lüge, wie die Fotos beweisen. Doch Trumps Berater sprechen lieber von „alternativen Fakten“. Ein großer Unsinn. Es ist eine Lüge und eine Lüge wird niemals wahr, nur weil man sie ständig wiederholt. Aber was soll aus denn aus den Vereinigten Staaten von Amerika werden? Mit einem solchen Präsidenten, der am ersten Tag (wie im Wahlkampf auch) schlichtweg lügt?

Alexander Görlach ist Affiliate der Harvard University. Quelle: Lars Mensel / The European

Die Konsequenz daraus? Der Journalismus muss breite Front machen. Journalisten machen nicht weniger, als „Zeugnis abzulegen für die Wahrheit“, wie es in der Bibel heißt (Johannes 18.37). Das ist vielleicht kein heroischer Akt. Schau auf die Fotos und du siehst, auf welchem mehr Menschen zu sehen sind. Das kompliziertere und daher auch heroischere besteht dann darin, diese Fakten zu ordnen und zu deuten: warum kamen zum einen mehr, zum anderen weniger Menschen? Dieser Akt der Deutung ist kontrovers, denn auch Journalisten kommen bei ihrer Deutung von Fakten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist normal in freien und liberalen Gesellschaften.

Trump will Wahrheit und Lüge nicht unterscheiden

Auf mancher Deutung wird später aufgebaut, andere Interpretationen werden verworfen. Manche Dinge sieht man mit zeitlichem Abstand besser und andere sind mit genau diesem Abstand überhaupt kein Thema mehr.

Das, was das Weiße Haus jetzt versucht, ist, die Fakten zu manipulieren, auf denen Deutung basiert. Das geht uns alle an. Denn so etwas machen Diktatoren und Tyrannen. Nicht der Demokratie verpflichtete Regierungschefs.

Donald Trump möchte nun festlegen, was die Fakten sind. Der Twitter-Account des mächtigsten Politikers der Welt unterscheidet sich in nichts von den staatlichen Nachrichten im nordkoreanischen Fernsehen. Die Alten hätten Trump daher einen diabolus genannt, einen Durcheinanderwürfler. 

Ein bisschen religiöse Konnotation darf sein in dieser Kolumne, denn daran hat der Agitator im Weißen Haus nicht gespart, als er in seiner Rede zur Amtseinführung Gott zum Zeugen nahm und sich seine Herrschaft klerikal hat absegnen lassen. So hat unter anderem der New Yorker Erzbischof eine Bibelstelle aus dem Buch der Weisheit vorgetragen und dabei nicht an Pathos gespart.

Dort heißt es jedoch, gleich im ersten Kapitel über die Weisheit: „Wo Falschheit herrscht, flieht sie; mit Unverstand will sie nichts zu tun haben, und wer Unrecht tut, der beleidigt sie.“

"Ihr werdet nie wieder ignoriert werden"
„Dieser Moment ist euer Moment. Er gehört euch. Das ist euer Tag, das ist eure Feier.“Die vollständige Antrittsrede Trumps können Sie >> hier noch einmal im Wortlaut nachlesen. Quelle: REUTERS
"Vom heutigen Tag an wird eine neue Vision unser Land regieren. Vom heutigen Tag an wird es nur noch Amerika zuerst heißen, Amerika zuerst." Quelle: REUTERS
„Wenn Amerika vereint ist, ist es absolut nicht aufzuhalten. Gemeinsam werden wir für viele, viele Jahre den Kurs Amerikas und der Welt bestimmen.“ Quelle: dpa
Zehn Millionen von Amerikanern seien Teil einer historischen Bewegung, „die die Welt noch nie gesehen hat“. Quelle: AP
„Wenn man sein Herz für Patriotismus öffnet, gibt es keinen Platz für Vorurteile.“ Quelle: REUTERS
„An alle Amerikaner (...), hört diese Worte: Ihr werdet nie wieder ignoriert werden.“ Quelle: REUTERS
Trump versprach, den radikalislamischen Terrorismus weltweit auszulöschen: „Wir werden die zivilisierte Welt gegen den radikal-islamistischen Terrorismus vereinen, der völlig vom Antlitz der Erde verschwinden wird“ Quelle: REUTERS

Im Weißen Haus sitzt ein Durcheinanderwürfler, der Wahrheit und Lüge nicht unterscheiden kann oder nicht unterscheiden will. Dieser Mann verachtet die Demokratie und die Institutionen, die sie schützen. Eine dieser Institutionen ist die freie Presse, das Organ der Zivilgesellschaft in einer liberalen Demokratie.

Niemand kann sagen, er hätte das nicht gewusst. Es wird Märtyrer für die Wahrheit geben. So wie in den autokratischen Ländern der Welt – allen voran Russland und die Türkei – Journalistinnen und Journalisten als Zeugen für die Wahrheit den höchsten Preis gezahlt haben und auch heute noch zahlen. Auch in Deutschland sitzen Durcheinanderwürfler, von Putins Gnaden oder selbstbestellt.

Wenn das, was gerade geschieht, in den USA geschehen kann, dem Land der Freiheit, dann kann es überall geschehen – auch wieder in Deutschland.

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