Görlachs Gedanken
Was nicht gesagt werden darf: Schere zerschneidet Sprechblase Quelle: imago images

Sollte Hate Speech gegen Israel verboten werden?

Sollte Hate Speech gegen Israel verboten werden? Genau das plant nun US-Präsident Donald Trump – und entfacht damit eine Debatte über die Meinungsfreiheit, auch in Deutschland.

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US-Präsident Donald Trump soll diesen Mittwoch eine Executive Order unterzeichnen, die Sanktionen gegen Universitäten vorsieht, auf deren Campus nicht gegen „Hate Speech“, Hassrede, gegen Israel vorgegangen wird. Sollten also Studierende künftig zum Boykott des Landes und seiner Produkte aufrufen, ohne dass die Universitätsleitung einschreitet, werden der Einrichtung staatliche Zuschüsse gestrichen. US-Präsident Donald Trump hat eine starke Basis bei den evangelikalen Christen, für die die Existenz des Staates Israel das Zeichen für die nahende Wiederkehr Christi und den Anbruch des Weltgerichts ist. In den USA werden im kommenden Jahr die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Mit dieser Maßnahme, befinden seine Kritiker, wolle Donald Trump seine Wähler zufrieden stellen und schränke dafür sogar die Meinungsfreiheit ein. 

Eine ähnliche Debatte führen wir in Deutschland im Hinblick auf Israel auch: Wie viel Kritik an der politischen Führung des Landes darf erlaubt sein? Wo ist die Grenze zum Antisemitismus? Deutschland hat seine Redefreiheit hier bereits eingeschränkt, wenn es um das Leugnen des Holocaust geht. Der Gesetzgeber hat nach ausführlicher parlamentarischer Debatte, kritisch begleitet von den Medien und der Öffentlichkeit, seiner Überzeugung Ausdruck verliehen: Niemand, der den Holocaust leugnet, darf nach Deutschland kommen und dort, an historischer Stelle womöglich, dieses Verbrechen an den europäischen Juden leugnen und damit die Opfer und ihre Hinterbliebenen verhöhnen. Jede Nation definiert sich über ihre Geschichte, Sprache und Kultur und die Tabus, die damit einhergehen. Für Deutschland ist ein solches Tabu die Leugnung des Holocausts. 

Es handelt sich, nach US-amerikanischem Maßstab, bei dem, wie die Holocaust-Leugnung in Deutschland geregelt ist, um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit, weil man in den Vereinigten Staaten die Redefreiheit sehr weit interpretiert. Die Executive Order des Präsidenten mutet unter diesem Gesichtspunkt in der Tat seltsam an. Gleichzeitig reagiert das Weiße Haus hier auf den Kongress, der sich in den vergangenen Jahren nicht auf ein entsprechendes Gesetz einigen konnte. Das Weiße Haus nimmt bei seiner Bestimmung von Anti-Semitismus dann auch Maß an der Definition, wie sie in anderen Bundesbehörden, zum Beispiel dem Außenministerium, genommen wird. Das Thema schwelte also lange. 

Vielleicht hilft ja die Diskussion um das, was man sinnvoll sagen darf, dieser US-Administration dann am Ende sogar im Hinblick darauf, wie sie die Begriffe "Fake News“ und "Alternative Facts“ nutzt, in die Enge zu treiben: Es gibt Dinge, die sagen wir nicht, weil ihnen Fakten entgegen stehen, weil sie die guten Sitten und den Anstand verletzten. An Gegenteiligem hat dieser Präsident nicht gespart. 

Jede Gesellschaft hat die Freiheit, ihre Tabus öffentlich und kritisch durchzudeklinieren und gegebenenfalls an den Gesetzgeber oder die Regierung zur Klärung zu überweisen. Eigentlich schade an der Situation in Amerika ist, dass die Universitäten selbst nicht in der Lage waren, mit Hilfe wissenschaftlicher Sprache, Methodik und einem Verhaltenskodex die Debatte auf dem Campus zu führen. 

Seit Jahren tobt in den USA die Debatte um politische Korrektheit. In einer Studie vor einiger Zeit hat die überwältigende Mehrheit der Amerikaner, rechts und links im politischen Spektrum, Political Correctness abgelehnt. Die Begründungen waren unterschiedlich: Die Konservativen sagen, dass "PC“ eine Einschränkung ihrer Redefreiheit sei. Die Liberalen monieren, dass sich das Rad des Korrekten so schnell drehe, dass man am Ende nicht mehr hinterher käme und unter Umständen wie der Dumme dastünde. 

In Deutschland stehen wir bisweilen fassungslos vor den Resultaten unserer Meinungsfreiheit: Da dürfen Aktivisten für die palästinensische Sache nicht nur in Berlin auf die Straße gehen und demonstrieren. Sie nutzen diese Plattform auch, um dem Staat Israel und den Menschen, die dort leben, das Existenzrecht abzusprechen. Wollen wir das wirklich am Brandenburger Tor, unweit des bereits erwähnten Holocaust-Mahnmals? Ich wäre froh, diese Demonstrationen wären verboten, verstehe aber gleichzeitig, dass hiermit in das hohe Gut der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen würde.  

Es gibt keine Grenze dessen, was man sagen darf, aber doch schon eine dessen, wie etwas gesagt wird. Es gilt immer das Gebot der Verhältnismäßigkeit, des Anstands und des guten Benehmens. Und auch auf Wahrheitsgehalt darf geprüft und abgewogen werden: Nein, die Erde ist nicht flach. Nicht jede Meinung steht gleichberechtigt neben der anderen, Wahrheit und Unwahrheit müssen entsprechend auseinanderzuhalten sein. Dafür braucht es kritisches Denken und eine entsprechend Erziehung, an der Schule, in der Ausbildung, und auch an der Universität. 

Der US-Präsident hat nun einen Fall geschaffen, den wir hier in Deutschland mit dem Verbot der Leugnung des Holocaust in Verbindung bringen können. Es wird jetzt darauf ankommen, ob es der Regierung hierbei wirklich um die Sache geht. Oder darum, Macht auf die liberalen Bildungseinrichtungen auszuüben, die in vielen Fällen ausgesprochene Gegner des amtierenden US-Präsidenten sind. 

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