Görlachs Gedanken
Donald Trumps Mauer und der Kampf um die Demokratie Quelle: dpa

Trumps Mauer und die Krise der Demokratie

Nach dem längsten Shutdown der US-Geschichte ist der Streit um die Mauer nicht vorbei. Dahinter verbirgt sich ein größeres Problem in vielen Ländern: Die Demokratie erscheint handlungsunfähig.

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Für den Moment hat die US-Bundesregierung wieder geöffnet, doch das ist nur die Ruhe zwischen den Stürmen. Beide Seiten sind nämlich aus dem Konflikt so herausgegangen, wie sie sechs Wochen zuvor in den längsten Shutdown der Geschichte des Landes hineingegangen waren. Stein des Anstoßes bleibt die Grenzmauer, die Präsident Donald Trump seinen Wählern versprochen hat. Aus der Staatskasse Mexikos, so lautete sein vollmundiges Versprechen, werde der Grenzwall bezahlt werden. Daraus wurde bekanntlich nichts und deshalb versucht Herr Trump, aus dem Kongress das Budget für die Mauer, immerhin fünf Milliarden, heraus zu leiern.

Schon längst hat die Debatte jede Proportion verloren. Im Kern geht es um die Sicherung der Grenzen. Donald Trump und die Republikaner wollen die Demokraten so aussehen lassen als seien sie gegen Grenzschutz und für einen ungehinderten Zuzug in die Vereinigten Staaten. Das ist natürlich nicht der Fall. Die Demokraten halten an ihrem Konzept einer „smart wall“ fest, also geben grundsätzlich grünes Licht für mehr Ausgaben für die Grenzsicherung, glauben aber gleichzeitig nicht, dass eine Mauer über die gesamte Strecke der fast 3000 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Ländern Sinn ergäbe. In der Tat wäre es mit der Mauer alleine nicht getan. Diese würde, so sie nicht gesichert und von Personal überwacht würde, ein leicht zu über- oder unterquerendes Hindernis.

Viele Demokratien sind im Moment so blockiert wie die US-amerikanische. Politik scheint nicht mehr handlungsfähig, wenn sie sich zu sehr auf eine Idee versteift und daher keine Freiheit mehr hat, einen Konsens zu erwirken. Wenn Krise der Demokratie gesagt wird, dann geht es dabei vor allem um Repräsentation und Partizipation, also um die Frage, wer unsere Volksvertreter sind und ob sie in der Tat in der Lage sind, die Interessen der Bürger, die sie wählen, zu vertreten – und die Frage der Teilhabe dieser Bürgerinnen und Bürger durch Mittel wie beispielsweise ein Referendum. Diese beiden Kennzeichen einer Demokratie leben in einer gewissen Spannung zueinander, die gewohnt ist.

Gleichzeitig scheint die Zeit, in der wir leben – eine Epoche, die von Veränderung geprägt ist und zu neuen, mehrzeitigen Kommunikationsmöglichkeiten geführt hat – besonders anfällig dafür zu sein, den austarierten Kompromiss zwischen Repräsentation und Partizipation weiter aufrecht zu erhalten. In Deutschland möge man sich an die Konflikte erinnern, die mit dem Bahnhofsprojekt in Stuttgart, verbunden waren: Das Prozedere der öffentlichen Ausschreibung war nach alter Väter Sitte abgelaufen und trotzdem beklagten sich hinterher etliche Bürger, nicht genügend Möglichkeit gehabt zu haben sich mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Wie genau dies im Einzelnen auch gewesen sein mag: Die Vertreter der repräsentativen Demokratie, die von eingespielten Prozessen lebte, mussten erfahren, dass Mobilisierung im digitalen Zeitalter anders verläuft als zuvor. Ratlosigkeit machte sich breit, die auf beiden Seiten zu Wut führte.

Das ist etliche Jahre vor der Flüchtlingskrise, der Wahl von Donald Trump oder dem Brexit geschehen. Der Konflikt war ein Lehrstück, in dem einige damals den heraufziehenden Konflikt zwischen den Generationen sahen: Die Jüngeren wollten mehrheitlich den Bahnhof, weil sie so täglich Zeit sparen würden auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause. Die Älteren wollten lieber, dass alles so bleibt wie es ist – alle Bäume inklusive. Die Polarisierung in den USA oder auch in Brexit-England erfolgt ebenfalls entlang der Generationenlinie: Die Jüngeren, die in der Stadt leben und studiert haben, ticken liberal. Die Älteren auf dem Land und in der Provinz konservativ.

Ähnlich verhält es sich mit der Grenzmauer in den USA. Über diesem Konflikt war die US-Regierung 35 Tage lang geschlossen, die Bediensteten bekamen keinen Lohn und das Land wurde praktisch nicht regiert. Nicht nur die USA brauchen für künftige Auseinandersetzungen ein besseres Instrumentarium um bei der Sachfrage zu bleiben und sie zu beantworten, ohne dass das ganze Land praktisch still steht. Demokratie muss handlungsfähig bleiben. Das bedeutet, dass ihre Akteure das Talent zum Kompromiss nicht verlernen dürfen.

Das aber ist in der US-Politik der Fall, die bereits vor Donald Trump schon heftig polarisiert war. Die Drohung, die Regierung erneut zu schließen, sollten sich die Demokraten nicht bewegen, zeigt, wohin der Marsch geht: in Richtung weiterer Polarisierung. In Zeiten wie diesen ein gefundenes Fressen für all jene, die der Demokratie den Garaus machen wollen.

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