Görlachs Gedanken
Nordstream: US-Botschafter warnt deutsche Firmen vor Beteiligung Quelle: imago images

US-Diplomatie ist hemdsärmelig geworden

US-Botschafter Grenell warnt deutsche Firmen, sich an der Pipeline Nordstream 2 zu beteiligen. Dass ein Diplomat sich so in die Politik seines Gastlandes einmischt, ist ein Novum. Dann lieber gar keinen Botschafter?

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Die US-Diplomatie in Deutschland ist hemdsärmelig geworden: der Botschafter der Vereinigten Staaten hat deutsche Firmen gewarnt, sich an der Pipeline Nordstream 2 zu beteiligen. Sie gefährdeten durch ihr Tun die Energiesicherheit Europas, denn das Projekt, das russisches Gas nach Deutschland pumpen soll, mache die Europäer abhängig von Russland. In der Tat wurden in der Vergangenheit Sicherheitsbedenken geäußert, vor allem in Dänemark. Der Nachbar des Bundesrepublik hat das Projekt noch nicht genehmigt. In Moskau hat man sich bereits für eine alternative Route entschieden, sollte Kopenhagen bei seinem Nein bleiben.

Die Ukraine ist als bisheriges Transitland ebenfalls nicht erquickt. Der Krieg, den der russische Präsident Wladimir Putin dort auf der Krim angezettelt hat und für den sein Land mit Sanktionen belegt wurde, ist sicher keine vertrauensbildende Maßnahme, die für einen rationalen Akteur Russland sprechen würde. Solange der Krieg nicht beendet und die Krim nicht zurückgegeben ist, darf es eigentlich keine Verhandlungen mit Putins Russland über ein Projekt wie Nordstream geben. Über den ehemaligen Bundeskanzler und heutigen Gazprom-Lobbyisten Gerhard Schröder gibt es auch in der SPD ein hartnäckiges Pro-Russland-Lager. Das Problem ist hierbei nicht, dass man Geschäfte mit Russland machen möchte, sondern dass man in einer Bundesregierung ist, die Sanktionen gegen Russland aufrecht erhält, was ein gleichzeitiges Werben für Nordstream 2 unglaubwürdig macht.

Es ist natürlich richtig, dass Dialog immer besser ist als Konfrontation. Es müssen halt beide Seiten mitziehen, sonst ist es kein Dialog. Und an einen Dialog können natürlich auch Bedingungen geknüpft werden. Da der US-Botschafter hier eine Selbstverständlichkeit anspricht, könnte man es dabei bewenden lassen und unsere Politik befragen, wie sie es denn künftig mit Russland halten möchten. Gleichwohl ist es ein Novum, dass ein Diplomat sich so in die Politik seines Gastlandes einmischt. Richard Grenell hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit auf sich aufmerksam gemacht, als er zu Protokoll gab, im Sinne Donald Trumps den Kontakt zu populistischen, rechten Kräften suchen und einen Schulterschluss mit ihnen zu erreichen. Seitdem ist er im politischen Berlin eher unbeliebt.

Grenell meldet sich zu einer Zeit zu Wort, zu der sein oberster Dienstherr wegen seines Verhältnisses zum Kreml in mehrere Untersuchungen verstrickt ist. Soll die Kritik an Russland als Manöver davon ablenken? Möchte Trump nunmehr wie ein harter Hund erscheinen, der sich gegen Russland positioniert? Im Moment sind wichtige Botschafterposten der USA, wie etwa der in Peking, unbesetzt. Der Shutdown des US-Governments macht eine Besetzung dieser Posten in der nahen Zukunft nicht gerade wahrscheinlich. Die Anhänger der alten diplomatischen Schule haben zudem das State Department verlassen, um nicht unter Trump weiter dienen zu müssen. Aus dieser Runde hört man, dass man lieber keine Botschafter entsende als solche, die eben nicht diplomatisch agieren. Keinen Botschafter zu haben, so sagen einige, sei besser, denn dann müsse man nach dem Ende der Ära Trump auch keine Scherben aufkehren. Ein Nachfolger von Grenell wird es nicht leicht haben.

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