Griechenland Ein fauler Kompromiss

Athens Geldgeber einigen sich darauf, sich erst später zu einigen. Das Krisenland bekommt zwar einen neuen Kredit. Der Streit zwischen Schäuble und dem IWF um Schuldenerleichterungen wird aber vertagt. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Schuldenstreit, der sich zuletzt vor allem zwischen dem Bundesfinanzminister und dem IWF abspielte, bleibt aber weitgehend ungelöst. Quelle: AP

Berlin Es begann mit einem Versprechen. Als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Sommer 2015 im Bundestag um die Zustimmung zum dritten Rettungspaket für Griechenland warb, gab er eine Zusage: Der Internationale Währungsfonds (IWF) werde sich an dem Hilfsprogramm beteiligen. Das sollte die zunehmend skeptischen Abgeordneten aus der Unionsfraktion beruhigen, gilt ihnen doch der IWF als ebenso kompetent wie unbestechlich.

Seit diesem Versprechen sind nun fast zwei Jahre vergangen. Der IWF hat seitdem noch keinen Cent nach Athen überwiesen, und es ist nach wie vor nicht sicher, ob er das überhaupt noch tun wird. Daran hat auch die Einigung beim Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstagabend in Luxemburg wenig geändert. Denn die als großer Durchbruch gefeierte Vereinbarung ist bei näherer Betrachtung nur ein Formelkompromiss.

Zwar ermöglicht er, dass die Geldgeber Griechenland den nächsten Hilfskredit über 8,5 Milliarden Euro überweisen – und das Krisenland so vor der erneut drohenden Staatspleite bewahren. Der Schuldenstreit, der sich zuletzt vor allem zwischen Schäuble und dem IWF abspielte, bleibt aber weitgehend ungelöst.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Schäuble haben sich im Sommer 2015 mit der Zusage, den IWF an Bord zu holen, in eine Zwickmühle hinein manövriert, aus der sie sich bis heute nicht befreien konnten. Sie bestehen einerseits auf einer Teilnahme des Währungsfonds am Rettungsprogramm, wollen aber andererseits dessen Bedingung nicht erfüllen: weitgehende Schuldenerleichterungen der Europäer für Griechenland.

Denn eine solche Operation wäre in Deutschland höchst unpopulär, käme sie doch dem Eingeständnis gleich, dass Athen die Rettungskredite nicht wie versprochen wird zurückzahlen können. Solch unangenehme Wahrheiten will man der Öffentlichkeit nicht zumuten – erst Recht nicht vor der näher rückenden Bundestagswahl.

Es ist eine schier unlösbare Situation. Das zeigt sich auch daran, dass alle Beteiligten seit nunmehr eineinhalb Jahren um einen Kompromiss streiten. Anfangs konnte man noch auf die griechische Regierung verweisen, die mal wieder bei der Umsetzung der Reformauflagen hinterherhinkte. Doch nachdem dann vor einigen Wochen auch ein weiteres Sparpaket durch das Athener Parlament geboxt worden war, wurde offensichtlich: Jetzt hängt es vor allem an Schäuble und dem IWF.

Folglich wurde auch der Ton rauer zwischen Berlin und Washington. Schäuble hat wenig Verständnis dafür, dass die IWF-Ökonomen meinen, in langen Zahlenreihen den Schuldenstand Griechenlands im Jahr 2060 prognostizieren zu können. Und tatsächlich sind diese Rechnungen wenig aussagekräftig. Schon kleine Änderungen bei den Annahmen, etwa zum Wirtschaftswachstum, führen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.


Wenig überzeugende Kritik

Allerdings war Schäubles Kritik am IWF an vielen Stellen wenig überzeugend. So warf er dem Währungsfonds vor, zu pessimistisch bei seinen Annahmen für Griechenland zu sein. Dabei hatte man zuvor in Berlin auf die IWF-Teilnahme bestanden mit dem Argument, der Fonds sei nicht so lasch wie die notorisch optimistische EU-Kommission.

Nun aber wünschte man sich plötzlich, dass der IWF, den man kurz zuvor noch als unbestechlich gelobt hatte, sich empfänglich zeigen würde für den Druck der Europäer.

Ob sich Schäuble und der IWF angesichts der verfahrenen Situation jemals einigen können, scheint fraglich. Aber es ist ihnen am Donnerstagabend immerhin gelungen, sich Zeit zu kaufen und den Streit zu vertagen. Dazu hat man zu einem Trick gegriffen: IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte sich zu einer Art Vorratsbeschluss bereit. Der IWF wird zwar grundsätzlich ein Hilfsprogramm beschließen, aber mit einer entscheidenden Einschränkung: Der Fonds wird erst Geld auszahlen, wenn die geforderten Schuldenerleichterungen kommen.

Und auch dann geht es nur um einen in griechischen Verhältnissen vergleichsweise minimalen Betrag. Mit anderen Worten: Der Schuldenstreit ist ungelöst. Und ob er jemals gelöst wird, und der Fonds wirklich eine Überweisung nach Athen schickt, ist völlig offen. Schäuble aber reicht die Zusage. Er will nun im Haushaltsausschuss des Bundestages beantragen, dass man die 8,5 Milliarden Euro an Griechenland freigibt.

Ob das nun die IWF-Beteiligung ist, die sich die Bundestagsabgeordneten einst vorstellten? Eher nicht. Und trotzdem dürfte der Kompromiss nun in der CDU/CSU-Fraktion seinen Segen finden. Angesichts guter Umfragewerte hat in der Union kaum jemand Lust, sich mit einer neuen Griechenland-Debatte den Wahlkampf zu erschweren. Der Schuldenstreit muss Pause machen. Bis zum Sommer 2018. Dann endet das dritte Rettungsprogramm für Griechenland.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%