
Athen Giorgos Papandreou war es, der sich in Cannes die Standpauke von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy anhören musste. Aber gewirkt hat sie auch beim griechischen Oppositionsführer Antonis Samaras: Konfrontiert mit der Gefahr, dass sein Land in die Staatspleite schlittert und die EU verlassen muss, kam Samaras jetzt endlich zur politischen Vernunft. Wieder und wieder hatte der Konservative alle Koalitionsangebote des Sozialisten Papandreou ausgeschlagen - gestern stimmte er der Bildung einer Übergangsregierung zu und signalisierte die Zustimmung seiner Nea Dimokratia (ND) zu dem Rettungspaket, das er bisher heftig bekämpft hatte. Das ist neu – und endlich ein ermutigendes Signal aus Athen, nachdem die europäischen Partner seit zwei Jahren vergeblich einen politischen Konsens der beiden großen Parteien anmahnten.
Dabei konnten Papandreou und Samaras früher gut miteinander. Am renommierten Amherst College im US-Staat Massachusetts teilten sie sich sogar eine Bude. Später trennten sich ihre Wege: Der Soziologiestudent Papandreou ging zur London School of Economics ab, Samaras schloss sein Ökonomiestudium in Harvard mit magna cum laude ab.
Sie duzen sich immer noch. Aber aus den Studienfreunden von einst sind inzwischen erbitterte politische Rivalen geworden. Nicht einmal die existenzielle Krise ihres Landes konnte sie bisher zusammenbringen – bis gestern. Die Übergangsregierung, über die Samaras jetzt verhandeln will, soll die Umsetzung des Rettungspakets sichern, das Land danach aber möglichst rasch zu Neuwahlen führen. So macht es Samaras zur Bedingung. Er hofft, schon in wenigen Wochen, spätestens einigen Monaten als neuer Hausherr in die Villa Maximos einziehen zu können, den Amtssitz der griechischen Regierungschefs an der vornehmen Athener Herodes-Attikus-Straße.
Samara liegt in Umfragen vor Papandreou
Der Drang des Antonis Samaras an die Spitze ist umso größer, als er nach einem vielversprechenden politischen Start lange im Abseits stand. In den 1980er Jahren galt der Harvard-Absolvent als politisches Wunderkind in der ND, wurde erst Finanz-, später Außenminister. Doch dann überwarf er sich mit dem damaligen Partei- und Regierungschef Kostas Mitsotakis. Samaras gründete eine eigene Partei, den Politischen Frühling, der jedoch nie zur Blüte gelangte. 2004 kehrte er reumütig in den Schoß der ND zurück. Ende 2009 setzte er sich bei der Wahl zum Parteichef in einer Urwahl gegen Dora Bakogianni durch, einer Tochter seines einstigen Förderers und späteren Intimfeindes Mitsotakis.
Samaras weiß: als Oppositionsführer darf man den Wählern nicht neue Entbehrungen ankündigen. Also verspricht er Steuersenkungen und erweckt den Eindruck, er könne das Konsolidierungsprogramm mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds neu aushandeln. Ein eigenes Konzept zur Überwindung der Krise hat Samaras bisher nicht vorgelegt. Letztlich wird auch er die Auflagen der internationalen Geldgeber erfüllen müssen.
In Meinungsumfragen rangiert seine Nea Dimokratia rund neun Prozentpunkte vor den regierenden Sozialisten. Auch im direkten Vergleich mit Papandreou liegt Samaras sechs Prozentpunkte vorn. Ob es für eine regierungsfähige Mehrheit reicht, ist dennoch zweifelhaft: gerade mal auf 32 Prozent Stimmenanteil veranschlagen die Demoskopen die ND. Gut möglich, dass sich Samaras nach der Neuwahl die Macht in einer Koalition mit den Sozialisten teilen muss.