Griechenland-Rettung „Dem IWF steht das Wasser bis zum Hals“

Die Euro-Retter wollen heute bei einem Spitzentreffen ihren Streit mit dem IWF über die Griechenland-Politik beilegen. Das dürfte nicht einfach werden, zumal der Währungsfonds viel zu verlieren hat.

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Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Quelle: dpa

Berlin In der Griechenland-Debatte hat sich ein Geldgeber besonders laut zu Wort gemeldet: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sein Missfallen über die derzeitige Rettungspolitik zum Ausdruck gebracht. Konkret geht es um die Frage, ob Athen mehr Zeit zum Abbau seines Schuldenbergs bekommen soll. In der vergangenen Woche hatten die Geldgeber in diesem Punkt keine Lösung gefunden. Deshalb versuchen die Euro-Finanzminister heute Abend in Brüssel auf einem Sondertreffen eine neun Anlauf.

An eine Komplettlösung glaubt derzeit allerdings niemand. Zu weit liegen die Positionen auseinander. Die Partner-Länder wollen Griechenland zwei zusätzliche Jahre bis 2022 geben, um ein einigermaßen erträgliches Schuldenniveau von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen. Der IWF lehnt dies ab. Vielmehr sollten die Euro-Staaten nach Auffassung von Fonds-Chefin Christine Lagarde Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen. Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich nur maximal 60 Prozent.

Mit seiner Forderung stößt der IWF aber in Berlin und in Wien auf Granit: Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter betonte vor Journalisten: "Wir haben ganz klar gemacht, dass Griechenland kein zusätzliches Geld von uns erwarten kann und auch keinen Schuldenschnitt der öffentlichen Haushalte." Ob es am Dienstag in Brüssel zu einer Entscheidung kommt, ist daher nach den Worten von Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter noch offen. "Wenn morgen Abend keine Einigung erfolgt, dann wird das später erfolgen."

Für den IWF wäre es denkbar schlecht, wenn es zu keiner Lösung käme, die er auch mittragen könnte. Denn für den Fonds steht sein guter Ruf als Helfer von pleitebedrohten Staaten auf dem Spiel. Nicht zuletzt deshalb hatte auch in diesen Tagen die Möglichkeit die Runde gemacht, dass der IWF einen Ausstieg aus dem Hilfsprogramm für Griechenland in Betracht ziehen könnte.

Ein solches Szenario sei kein Thema, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Doch alleine dass bereits darüber gesprochen wird, zeigt den Ernst der Lage. „Dem IWF steht das Wasser bis zum Hals, dass zeigt deutlich die immer wiederkehrende Diskussion um einen möglichen Ausstieg des IWF aus der Griechenlandrettung“, sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete und Hamburger FDP-Chefin, Sylvia Canel, Handelsblatt Online. Für sie kommt der Widerstand des Fonds gegen das aktuelle Gebaren der Rettungspolitiker auch nicht überraschend. „Bereits im Juli dieses Jahres wollte der IWF wegen schleppender Sparbemühungen die Regierung in Athen nicht mehr unterstützen und signalisierte seinen Rückzug.“


Athen gibt sich zuversichtlich

Warum der IWF nicht schon damals die Reißleine gezogen hat, ist nicht bekannt. Mit einem Ausstieg des Fonds wäre jedenfalls, so die damalige Einschätzung, eine Pleite Griechenlands im September wahrscheinlich gewesen. Denn viele Regierungen der Euro-Zone hätten dann wohl ebenfalls nicht noch mehr Geld für eine Rettung des Landes zur Verfügung gestellt. Zudem haben Länder wie die Niederlande und Finnland ihre Hilfen daran gekoppelt, dass sich der IWF beteiligt.

Den Griechen kommt die Entwicklung entgegen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Athen zuversichtlich ist, die dringend benötigte Milliarden-Finanzhilfe in den nächsten Wochen zu bekommen. „Wir sind optimistisch, dass es heute Abend klappen wird“, sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums der Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf das Treffen der Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel.

Athen hofft auf insgesamt fast 45 Milliarden Euro. Es handelt sich um 31,5 Milliarden Euro, die ursprünglich schon im Juni fließen sollten. Die Auszahlung blieb aus, weil Athen eine Reihe von Bedingungen und Sparmaßnahmen nicht erfüllt hatte. Nach der Billigung eines 13,5 Milliarden Euro schweren Sparprogramms durch das griechische Parlament sollte nun der Weg frei sein, hieß es in Athen. Griechenland hofft zudem auf die Auszahlung weiterer fünf Milliarden, die für Oktober vorgesehen waren, sowie auf 8,3 Milliarden Euro, die für Dezember geplant sind.

Das damit Griechenland dann gerettet wäre, glaubt die FDP-Politikerin Canel nicht. Sie sieht das Euro-Krisenmanagement generell kritisch. „Fakt ist, dass der IWF wie auch die EZB schon längst entgegen ihren ursprünglich vereinbarten Aufgaben tief in der Finanzierung einzelner Länderhaushalte versunken sind“, sagte sie. Die sich wiederholenden Forderungen nach immer mehr Rettungsgeld, führe das gesamte System an seine Grenzen, so auch den IWF. „Ein plötzlicher Ausstieg könnte einem Rette-sich-wer-kann-Signal gleichkommen, der größeren Schaden anrichten würde als der Verbleib“, fügte die Abgeordnete hinzu.


"Wie eine Maus in der selbstgebastelten Euro-Rettungsfalle"

Es sei daher nicht anzunehmen, dass sich einzelne Mitglieder aus der „Rettungsarchitektur“ lösten, ist sich Canel sicher. „Der IWF sitzt wie eine Maus in der selbstgebauten Euro-Rettungsfalle, so wie es der ausscheidende Ökonom des IWF, Peter Doyle, in seinem Kündigungsbrief im Juni 2012 kritisiert hat. Und er muss es wissen.“

Doyle hatte sich mit einem Brandbrief vom IWF verabschiedet. Darin warf er dem Fonds  schwere Fehler bei der Bewältigung der Schuldenkrise in Europa vor. „Ich schäme mich dafür, jemals mit dem Fonds zu tun gehabt zu haben“, schrieb Doyle an das IWF-Direktorium. Die Versäumnisse hätten dazu geführt, dass nun der Euro am Abgrund stehe und der IWF nur noch reagieren könne. Der Fonds habe nicht rechtzeitig vor der Eurokrise gewarnt und wichtige Informationen unter Verschluss gehalten.

Heute wirken die Aussagen schon fast wie ein Wink mit dem Zaunpfahl nach dem Motto: Kein Wunder, dass der IWF jetzt bei der Rettung Griechenlands nicht mehr mitmachen will, hat er die Krise doch indirekt mit befeuert, weil er die europäischen Krisensignale nicht gesehen hat. Das kommt nicht gut an in der Öffentlichkeit und passt nicht zum guten Ruf des Währungsfonds, ein verlässlicher Helfer bei der Sanierung von Pleitestaaten zu sein.

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