Griechenland Showdown im Schuldenstreit

Nach langem Tauziehen zeichnet sich im Schuldenstreit um Griechenland eine Lösung ab. Führende EU-Politiker drängen auf eine Einigung am kommenden Donnerstag. Aber noch wird an einem Kompromiss gefeilt.

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Der griechische Finanzminister erklärt, dass Athen nicht die sofortige Umsetzung von Maßnahmen zum Abbau der griechischen Schulden fordere. Quelle: Reuters

Athen
Reges Kommen und Gehen herrschte am Wochenende in der Villa Maximos, dem Amtssitz des griechischen Ministerpräsidenten an der Athener Herodes-Attikus-Straße. Premier Alexis Tsipras beratschlagte mit Finanzminister Euklid Tsakalotos und engsten Beratern, mit welcher Verhandlungsstrategie Griechenland am Donnerstag in die Sitzung der Eurogruppe gehen soll.

Die griechische Regierung will sich dabei eng mit dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire abstimmen, der am Montag in Athen erwartet wird. „Ziel meines Besuchs ist es, die Verhandlungen voranzubringen, damit wir am Donnerstag zu einer Lösung kommen, die Griechenland eine Perspektive der Stabilität und des Aufschwungs gibt“, sagte der Minister der griechischen Zeitung „Kathimerini“.

Le Maire hatte zuvor in Gesprächen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und seinem Italienischen Kollegen Pier Carlo Padoan Lösungsmöglichkeiten sondiert. Von einer Einigung hängt die Freigabe einer weiteren Kreditrate für Griechenland ab. Die Gelder kommen aus dem im Sommer 2015 vereinbarten Hilfsprogramm von bis zu 86 Milliarden Euro. Die genaue Höhe der Rate steht noch nicht fest.


In der Villa Maximos weiß man, dass am Donnerstag im Prinzip wieder jenes Papier auf dem Tisch liegen wird, das Finanzminister Tsakalotos beim vorangegangenen Treffen der Eurogruppe am 22. Mai als unzureichend ablehnte. Diesmal kann es für Tsakalotos nur darum gehen, kleine Verbesserungen in einigen Punkten zu erreichen.

So hofft die griechische Regierung, Zusagen über EU-Finanzhilfen zur Ankurbelung der stagnierenden Konjunktur in die Vereinbarung aufnehmen zu können. Tsakalotos will auch vorschlagen, die Tilgung der Kredite an das Wirtschaftswachstum zu koppeln: In guten Jahren könnte Griechenland mehr für den Schuldendienst aufbringen, in schwachen weniger.


Um die Gläubiger milde zu stimmen, hatte die Regierung bereits am Freitag ein weiteres Spar- und Reformpaket binnen weniger Stunden im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht. Es sieht unter anderem vor, die bereits bis 2021 gedeckelten Renten auch 2022 einzufrieren. Dadurch sollen 250 Millionen Euro eingespart werden.


Tsipras riskante Strategie

Die bereits vor drei Wochen beschlossene Senkung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer von 8636 auf 5700 Euro wird um ein Jahr auf Anfang 2019 vorgezogen. Die Maßnahmen gehören zu einem Paket von 140 Reformauflagen, die Griechenland im Rahmen der laufenden Prüfrunde des Anpassungsprogramms erfüllen muss.

Finanzminister Tsakalotos sagte nach der Verabschiedung des Pakets, damit stehe der Auszahlung weiterer Hilfsgelder an Griechenland „nichts mehr im Wege“. Wäre da nicht der Schuldenstreit zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Euro-Geldgebern. Der Fonds will sich an dem laufenden Griechenland-Programm nur beteiligen, wenn die Tragfähigkeit der griechischen Schulden sichergestellt ist. Auch Athen verlangt konkrete Zusagen zu einer Senkung der Schuldenlast.

Premier Tsipras sieht darin eine Voraussetzung für private Investitionen und eine baldige Rückkehr des Landes an den Kapitalmarkt. Zur Diskussion stehen längere Laufzeiten der bereits gewährten Hilfskredite, dauerhaft festgeschriebene niedrige Zinsen, zusätzliche tilgungsfreie Jahre und eine Umschuldung teurer IWF-Kredite auf den Euro-Rettungsschirm EMS, der weniger Zinsen berechnet als der Fonds.

Die Bundesregierung und mehrere andere Euro-Länder möchten zwar den IWF unbedingt an Bord haben, wollen aber über Schuldenerleichterungen erst nach dem Ende des Programms Mitte 2018 entscheiden. Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass sich der IWF zunächst ohne eigenen finanziellen Beitrag am Programm beteiligt.

Bei den Geldgebern gibt es auch Überlegungen, den Griechen die Zustimmung zu dem Paket damit zu versüßen, dass man jetzt mehr Hilfsgelder bewilligt, nämlich bis zu zehn Milliarden Euro statt der geplanten sieben Milliarden.


Beratungen der Euro-Arbeitsgruppe (EWG) brachten vergangene Woche noch keinen Durchbruch. Die Entscheidung muss deshalb am Donnerstag in der Ministerrunde fallen. Als gutes Omen gilt, dass sich IWF-Chefin Christine Lagarde zu dem Treffen in Luxemburg angesagt hat.

Daraus könne man schließen, dass eine Lösung in Reichweite sei, sagen Beobachter. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem zeigte sich optimistisch: Er erwarte bei dem Treffen einen umfassenden Abschluss der Reformprüfung, erklärte sein Sprecher.

Auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici macht Druck: „Wir müssen bei der nächsten Sitzung eine Lösung finden“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. ESM-Chef Klaus Regling mahnte in der „Bild“-Zeitung: „Weitere Verzögerungen wären schlecht für Griechenland und die Währungsunion“.


Sollte am Donnerstag wieder keine Einigung zustande kommen, will Premier Tsipras den Schuldenstreit zur Chefsache machen und auf die Tagesordnung des EU-Gipfels am 22. Juni bringen. Brüsseler Diplomaten sehen darin eine riskante Strategie, denn es sei schwer vorstellbar, dass die Regierungschefs ihre Finanzminister überstimmen; vor allem von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei das nicht zu erwarten.

Wahrscheinlich würden die Staats- und Regierungschefs das Thema erneut an die Eurogruppe zurückverweisen, die dann zu einer Sondersitzung zusammenkommen müsste. Das würde Zeit kosten – Zeit, die Tsipras nicht hat: Im Juli muss Griechenland für Zinsen und die Tilgung fälliger Staatsanleihen über sieben Milliarden Euro aufbringen.

Obwohl die griechische Regierung seit Monaten die meisten Rechnungen unbezahlt lässt, um Geld für den Schuldendienst zurückzulegen, dürften die im Juli fälligen Zahlungen ohne eine neue Finanzspritze kaum zu schaffen sein.

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