Griechenland-Wahl „Wachstums-Tiger“? Darum ist Griechenlands Boom noch längst nicht gesichert

Kyriakos Mitsotakis feiert seinen klaren Sieg – dennoch müssen die Griechen wohl ein weiteres Mal an die Wahlurnen. Quelle: imago images

Griechenland hat die Schuldenkrise überwunden. Bei den Wahlen am Sonntag wurde der Erfolg der Regierung mit einem klaren Sieg bestätigt. Doch für die Regierungsbildung reicht das nicht.

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Griechenland ist wieder da. Zumindest häufen sich derzeit die positiven Meldungen über das Land, das lange als Sorgenkind der EU galt. Derzeit aber wächst die Wirtschaft keines Landes in der Eurozone so schnell wie die griechische. Im vergangenen Sommer wurden zudem alle Kontrollmaßnahmen der EU beendet und Athen tilgte seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds vorzeitig.

Das Wirtschaftsmagazin „Economist“ bejubelt eine „europäische Erfolgsstory“, die „Financial Times“ schreibt gar vom „Wachstums-Tiger Europas“.

Unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) sank die Arbeitslosigkeit von 19 auf zehn Prozent. Gleichzeitig gelang es der Regierung, den Schuldenberg abzutragen und die Unternehmenssteuern zu senken. Internationale Agenturen wie Moody’s sind kurz davor, dem Land wieder das Rating „Investment Grade“ zu geben. Unternehmen wie Microsoft, Google und Pfizer sind bereits im Land aktiv. Zudem wurde die Digitalisierung schneller als in vielen anderen EU-Staaten vorangetrieben. Selbst die Inflation scheint im Griff – zumindest lagen die Preissteigerungen im April bei nur drei Prozent und damit wesentlich geringer als im EU-Durchschnitt.

Ist die Wende also geschafft? Der 55-jährige Mitsotakis kandidierte für eine zweite Amtszeit, in der Hoffnung, dass die griechischen Wahlberechtigten die Bilanz ebenso erfolgreich einschätzen – zu Recht, wie nun das Wahlergebnis zeigt. Mit 40,8 Prozent ist die konservative Nea Dimokratia klarer Sieger. Im Großen und Ganzen scheinen die Griechen mit der Politik der vergangenen vier Jahre also zufrieden zu sein. Eine Regierung wird es vorerst trotzdem nicht geben. Noch am Wahlabend schloss Mitsotakis eine Koalition aus. Er habe stets dafür geworben, alleine zu regieren, und nun von den Wählern den Auftrag dazu erhalten, sagte er. Den Griechen steht wohl ein weiterer Urnengang bevor.

Alexis Tsipras von der abgestraften Syriza (20,1 Prozent der Stimmen) gab sich kampfbereit und sagte, man werde schnell Änderungen vornehmen, um den bestmöglichen Wahlkampf zu liefern.

Könnte Griechenland wieder in alte Muster zurückfallen? Das Austeritätsprogramm und der deflationäre Schock nach der Schuldenkrise haben das Leben der meisten Griechen schwerer gemacht. Gehälter wurden rigoros zusammengestrichen; innerhalb der EU gehört Griechenland mittlerweile zu den Ländern mit dem höchsten Armutsrisiko. Was das bedeutet, zeigt sich jeden Tag in der griechischen Hauptstadt.

Der Omonia-Platz in Athen ist wie ein Negativ-Bild des nur wenige Hundert Meter entfernten Touristen-Viertels um die Akropolis. Während Besucher die sauber restaurierten antiken Tempel bewundern und zu westeuropäischen Preisen die griechische Küche genießen, sieht es in den verwinkelten Gassen des keine 15 Gehminuten entfernten Viertels anders aus: Drogen, Bettler, Taschendiebe, das volle Programm.

In der Vier-Millionen-Stadt zeigt sich auch die ganze Misere der europäischen Flüchtlingspolitik. Weil das Dublin-2-Abkommen verlangt, dass Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, wo sie zum ersten Mal EU-Boden berühren, stauen sich gestrandete junge Männer aus Afghanistan, Syrien und dem Irak in Athen – obwohl ihr Ziel eigentlich Deutschland, Schweden oder Großbritannien ist. Mit der Wahl im Nachbarland Türkei steht auch das Flüchtlingsabkommen mit der EU wieder auf der Kippe, was den Zustrom zumindest etwas mildert.

Kritiker weisen auch darauf hin, dass die positiven Wirtschaftszahlen nicht alles sind. Noch immer bereitet vielen Sorge, dass die Justiz nicht völlig unabhängig von der Regierung agiert. Das zeigt zum Beispiel der Fall Andreas Georgiou: Der ehemalige IWF-Mitarbeiter wurde 2010 von der griechischen Regierung einberufen, um eine neue unabhängige Statistik-Behörde zu leiten. Die Wahl wurde damals von der EU begrüßt. Als Georgiou aber auf Tricksereien beim Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung hinwies, wurde es vielen korrupten Politikern zu viel. Georgiou wurde mit Anklagen überhäuft, von denen einige bis heute noch nicht fallengelassen wurden. Georgiou wird behandelt, als sei er ein Landesverräter, der sich durch das Überbringen schlechter Nachrichten strafbar gemacht habe.

Auch die Ankündigungen des ehemaligen Ministerpräsidenten und Herausforderers Alexis Tsipras klingen, als habe man nicht allzu viel aus der Misere gelernt. „Wir werden sofort den Mindestlohn auf 880 Euro erhöhen und bei allen Löhnen den automatischen jährlichen Inflationsausgleich einführen“, versprach Syriza-Chef Tsipras am Donnerstagabend bei seiner letzten großen Wahlkampfveranstaltung in Athen. Tsipras versuchte Wähler zu gewinnen, indem er Pensionisten eine jährliche 13. Monatsrente in Aussicht stellte. Auch an den Hochschulen und an den Krankenhäusern wollte er das Personal wieder aufstocken. Wie diese und viele andere staatliche Investitionen finanziert werden sollten, sagte er nicht. Auch Unternehmen, die im Laufe der Austeritätsprogramme privatisiert wurden, wollte Tsipras wieder verstaatlichen.

Tsipras Wahlversprechen mögen populistisch klingen. Sie sind bei einigen Griechen aber auf fruchtbaren Boden gefallen, da für sie die Lebensbedingungen nach wie vor schlechter sind als vor der Krise vor über zehn Jahren.

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Dass ein erneuter Wahlgang der Nea Demokratia aller Wahrscheinlichkeit nach die Macht sichert, liegt an einer Besonderheit im griechischen Wahlrecht. Bei der aktuellen Wahl galt das einfache Verhältniswahlrecht: Rechnerisch müssen eine oder mehrere Parteien 48 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um regieren zu können. Bei den nächsten Wahlen hingegen erhält die stärkste Partei automatisch mindestens 20 Sitze im Parlament zusätzlich – damit käme die ND voraussichtlich wieder allein an die Regierung.

Kämpfen werden alle Parteien bis zum nächsten Wahltermin trotzdem, wie die Vorsitzenden in Interviews versicherten.

Mit Material der dpa

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