Griechenland Zigaretten, Alkohol, Pay-TV – alles wird teurer

Nach der umstrittenen Rentenreform sollen die griechischen Abgeordneten ein weiteres Sparpaket durchwinken – Alkohol und Zigaretten werden dann teurer. Dann gäbe es weitere Milliarden. Für Alexis Tsipras geht es um viel.

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Griechenlands Bevölkerung bangt vor der nächsten Reform. Quelle: dpa

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung: Erst vor zehn Tagen hat das griechische Parlament mit den Stimmen der Regierungskoalition die umstrittene Renten- und Einkommensteuerreform verabschiedet, da steht bereits das nächste kritische Votum bevor. Am kommenden Sonntag sollen die Abgeordneten ein weiteres Reform- und Sparpaket durchwinken, wieder im Eilverfahren. Geht alles glatt, könnten die Euro-Finanzminister in der folgenden Woche grünes Licht für die Auszahlung weiterer Hilfsgelder für das Krisenland geben. Es geht um bis zu elf Milliarden Euro. Für Premierminister Alexis Tsipras wäre das ein wichtiger politischer Erfolg.

Der Gesetzentwurf, den die Regierung an diesem Mittwoch im Parlament einbringen wird, dürfte nicht weniger unpopulär sein als die Rentenregelungen und die Einkommensteuerreform, deren Beratung Anfang Mai von Streiks und Massenprotesten begleitet war. Denn jetzt zieht Premier Alexis Tsipras die Steuerschraube noch weiter an. Zum 1. Juli steigt die Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent. Auch zahlreiche weitere Verbrauchssteuern werden angehoben, so auf Treibstoffe. Die Literpreise erhöhen sich dadurch um fünf bis acht Cent.

Für Zigaretten, alkoholische Getränke und Handy-Telefonate müssen die Griechen ebenfalls tiefer in die Tasche greifen. Mangelnde Fantasie kann man Finanzminister Euklid Tsakalotos zumindest beim Ausdenken immer neuer Steuern nicht vorwerfen. So erhebt er jetzt Sonderabgaben auf Pay-TV und Festnetzanschlüsse – zusätzlich zur bereits erhobenen und jetzt erhöhten Mehrwertsteuer. Der Kaffee verteuert sich durch eine neu eingeführte Zusatzsteuer. Auch Touristen werden geschröpft, mit einer Sonderabgabe von zwei bis vier Euro pro Übernachtung. Unter dem Strich erwartet die Regierung Mehreinnahmen von 1,8 Milliarden Euro.

Außerdem soll das Parlament am Sonntag die Schaffung eines neuen Privatisierungsfonds und einen Rechtsrahmen für die Konsolidierung notleidender Bankkredite beschließen. Bestandteil des Gesetzentwurfs ist auch eine Art Schuldenbremse, nämlich ein Bündel von Sparmaßnahmen, die automatisch greifen, wenn Griechenland in den kommenden Jahren seine Haushaltsziele verfehlen sollte. Die Punkte Privatisierungsfonds, faule Kredite und Schuldenbremse sind zwar in den Regierungsparteien umstritten. Aber Tsipras hofft, dass seine Abgeordneten, wie schon bei der Abstimmung über die Rentenreform, vollzählig für den Gesetzentwurf votieren.

Mit der Verabschiedung des Pakets würde die Regierung eine wichtige Hürde nehmen: Der Weg wäre frei für Verhandlungen über Schuldenerleichterungen. Die fordert nicht nur Athen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) macht Schuldenerleichterungen zur Bedingung für eine weitere Beteiligung am Griechenland-Rettungsprogramm. Gedacht ist an längere Tilgungsfristen und niedrigere Zinsen für einen Teil der bereits ausgezahlten Hilfskredite.

Milliarden-Hilfen für Athen


Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ vom Dienstag will der IWF den Ländern der Eurozone vorschlagen, die gewährten Hilfskredite bis 2040 zins- und tilgungsfrei zu stellen. Bisher soll die Rückzahlung der Darlehen 2023 beginnen. Diskutiert wird auch, die relativ teuren und kurzfristigen IWF-Kredite durch zinsgünstigere und länger laufende Darlehen des Euro-Stabilitätsfonds ESM zu ersetzen.

Finanzminister Tsakalotos warb am Dienstag in den Parteigremien des regierenden Linksbündnisses Syriza eindringlich um Unterstützung für den Gesetzentwurf. Die Regierung kann sich keinen Ausrutscher leisten, denn nur wenn das Parlament dem Paket zustimmt, können weitere Kreditraten fließen. Die Gelder kommen aus dem im vergangenen August beschlossenen Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro.

Die genaue Höhe der nächsten Auszahlung steht noch nicht fest, aber Schätzungen in Athen und Brüssel gehen übereinstimmend in eine Größenordnung von neun bis elf Milliarden Euro, die Griechenland in den nächsten Monaten erwarten kann. Einzelheiten über die Höhe und den Auszahlungsmodus der nächsten Kreditraten soll die Euro-Arbeitsgruppe am kommenden Montag erörtern. Tags darauf könnten die Euro-Finanzminister eine Freigabe der Gelder beschließen.

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Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

Es geht um 5,7 Milliarden Euro, die schon Ende vergangenen Jahres hätten ausgezahlt werden sollen, aber zurückgehalten wurden, weil Athen mit den Reformen im Rückstand war. Den Großteil dieser Rate braucht Griechenland, um fällige Staatspapiere zu bedienen. Allein im Juli benötigt der Finanzminister für Tilgungen und Zinsen fast 3,7 Milliarden Euro.

Weitere Hilfsgelder von gut fünf Milliarden sollen ab Juni in monatlichen Raten nach Athen fließen, damit der Staat offene Forderungen begleichen kann. Die Außenstände beliefen sich Ende März auf fast 6,7 Milliarden Euro. Davon entfielen 5,6 Milliarden auf Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistern sowie knapp 1,1 Milliarden auf fällige Steuerrückzahlungen.

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