Großbritannien Die Wirtschaftsbilanz der Margaret Thatcher

Anders als in Deutschland gilt in Großbritannien nicht automatisch die Gleichung „Industrie = gut“. Bis 2008 bildete der Finanzsektor das Rückgrat für das Wirtschaftswachstum. Das ist der ehemaligen Ministerpräsidentin Margaret Thatcher zu verdanken. Der Ökonom Clemens Fuest erklärt die Folgen ihrer Ära.

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Thatcher war die erste weibliche Regierungschefin Großbritanniens. Quelle: REUTERS

Ein Urteil über die Politik und die ökonomischen Folgen der Amtszeit von Margaret Thatcher von 1979 bis 1991 lässt sich nicht in einem Satz fällen. Zu Thatchers Verdiensten zählt es, die Weichen für die Sanierung des Landes gestellt zu haben. Dabei ist sie an einigen Punkten ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Die britische Wirtschaft wurde von ihr grundlegend verändert.

Sie hat den damals sehr radikalen Gewerkschaften so entschlossen die Stirn geboten, dass deren destruktive Macht gebrochen wurde. Thatcher hat zudem den Boden bereitet für die starke Entwicklung des Finanzsektors.
Ein flüchtiger Blick auf das Land suggeriert, dass die Industrie und damit die Wirtschaft brachliege. Die Gleichung „Industrie = gut“ stimmt so aber nicht. Die Wachstumsraten in Großbritannien sind seit der Ära Thatcher besser als die in Deutschland, wo Wachstum gern mit hoher Industrialisierung gleichgesetzt wird. Das Rückgrat des Aufschwungs Großbritanniens, der bis 2008 anhielt, ist jedoch der Finanzsektor.


Nicht zu unterschätzen für die Bewertung von Thatchers Politik sind auch ihre Erfolge bei der Verringerung der Staatsverschuldung. Deren dramatischer Rückgang war wichtig für die Genesung des Landes. Später nutzte die Labour-Partei diese Ausgangslage, um hohe Ausgaben zu bewilligen, was zeitweilig auch nicht falsch war.

Auswirkungen noch immer spürbar

So ist mit diesem Geld zum Beispiel das Gesundheitswesen saniert worden, dass heute deutlich besser als sein Ruf ist, teils sogar besser als in Deutschland.

Profitiert haben durch Thatcher auch alle Menschen, die ein Unternehmen gründen wollen. Die Bedingungen für Gründer sind heute sehr gut, die Bürokratie legt ihnen kaum Hürden in den Weg. Auf der anderen Seite klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Und heute steht Großbritannien vor einem immensen Defizit im Staatshaushalt.

Rund 22 Jahre nach dem Ende von Thatchers Amtszeit sind die Auswirkungen ihrer Politik immer weniger spürbar. Trotzdem wird das Land auch künftig von ihren zentralen Erfolgen profitieren: die schwächelnden Staatsbetriebe erfolgreich privatisiert und die Macht der britischen Gewerkschaften eingeschränkt zu haben.

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