Großbritannien London empört sich über Brexit-Sanktionen aus Brüssel

Die EU beschließt Sanktionsmaßnahmen, für den Fall, dass Großbritannien sich nach dem Brexit nicht an Regeln hält. Die Briten sind „not amused“.

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Brexit: London empört sich über Sanktionen aus Brüssel Quelle: dpa

Brüssel, London „Das können wir nicht akzeptieren“, schimpfte der Unterhausabgeordnete Jacob Rees-Mogg, Wortführer der Brexit-Befürworter bei den Tories. „Gott sei dank verlassen wir eine Organisation, die so aggressiv reagiert, wenn man nicht tut, was einem gesagt wird“, empörte er sich laut der Londoner Zeitung „Times“.

Anlass der Aufregung: Britische Medien hatten zuvor über die Brüsseler Forderung berichtet, in der Übergangszeit nach dem EU-Austritt den Zugang Großbritanniens zum europäischen Binnenmarkt gegebenenfalls einzuschränken. Das Recht dazu will sich die EU vorbehalten, sollte sich London in der voraussichtlich rund zweijährigen Periode nicht an die vereinbarten Regeln halten.

Am Dienstagabend veröffentlichte die EU-Kommission den sechsseitigen Entwurf, der Teil des Austrittsabkommens werden soll. Er konkretisiert die Verhandlungsleitlinien für die gerade anlaufende zweite Phase der Gespräche, die die übrigen 27 EU-Staaten kürzlich verabschiedet hatten. Im Kern pocht die EU-Seite darauf, dass sich Großbritannien in der Übergangsphase dem Unionsrecht unterwirft, aber kaum noch Mitsprache hat. Für den Fall, dass London gegen die Regeln verstößt, will Brüssel Sanktionsmechanismen zur Hand haben, die über den Gang vor den Europäischen Gerichtshof hinausgehen.

So könnte die britische Wirtschaft von Privilegien des europäischen Binnenmarktes ausgeschlossen werden, sei es beim freien Warenverkehr, bei Finanzdienstleistungen oder den Landerechten britischer Fluggesellschaften. Damit will die EU die Integrität des gemeinsamen Marktes bewahren. In sämtlichen britischen Zeitungen wurde das EU-Papier als Brüsseler „Bestrafungsplan“ bezeichnet. Die EU wolle „drakonische Durchsetzungsbefugnisse“, schrieb die „Times“. Das Papier zeige, wie groß das Misstrauen gegenüber London sei.

Die Übergangsperiode sei keine Brücke, sondern eher ein Gang über die Planke, ätzte der Labour-Abgeordnete Chuka Umunna, einer der führenden Politiker, die den Brexit stoppen wollen. „Wir sollten die EU nicht verlassen, solange wir nicht wissen, wohin wir gehen“.

Die britische Regierung spricht von einem „Entwurf“ der EU-Kommission. Man habe selbst auch einen Entwurf. Über beide werde in den Verhandlungen geredet. Die britischen Unterhändler haben bereits mehrere Kritikpunkte an der Brüsseler Position geäußert. So will London bereits einzelne Abweichungen vom EU-Recht durchsetzen, unter anderem in der Fischereipolitik und bei der Freizügigkeit. Bei neuen EU-Richtlinien, die Großbritannien betreffen, will die britische Regierung zumindest vorher angehört werden.

Die beiden Seiten verhandeln gerade über die Übergangsperiode nach dem Brexit-Tag am 29. März 2019. Großbritannien wird dann nicht mehr Mitglied der EU sein, will aber die EU-Regeln bis Ende 2020 weiter akzeptieren, um den Übergang möglichst reibungslos zu gestalten.

Bis zum EU-Gipfel am 22. März will Premierministerin Theresa May sich mit den übrigen EU-Staaten auf die Übergangsmodalitäten einigen, um anschließend über die künftigen Beziehungen sprechen zu können. Die Befürworter und Gegner eines harten Brexits in der Regierung konnten sich aber bislang nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Daher wachsen die Zweifel, ob der Termin 22. März zu halten ist.

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